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Wohnen
Ein Mietendeckel hat fatale Folgen – in Deutschland und weltweit

Ein Blick über die Karl-Marx-Allee in Berlin
Der Berliner Mietendeckel droht zu kippen © picture alliance/dpa | Annette Riedl

Der Berliner Mietendeckel

Mit dem Mietendeckel wurde in Berlin das bislang schärfste Instrument zur Regulierung der Mietpreise in Deutschland ins Leben gerufen. Durch das Gesetz sollen Mieterhöhungen für die Dauer von fünf Jahren ausgeschlossen werden. Bei Neuvermietungen richtet sich die zugelassene Miethöhe an festgeschriebenen Referenzwerten, die sich an Alter und Ausstattung der Wohnung orientieren. Ab November 2020 sieht das Gesetz sogar Mietsenkungen vor, sollten die Mieten die festgeschriebenen Referenzwerte um mehr als 20 Prozent übersteigen.

Es bleibt äußerst fraglich, ob der Berliner Mietendeckel verfassungsrechtlich konform ist. Die Bundestagsfraktionen von FDP und CDU/CSU haben bereits am 6. Mai einen Normenkontrollantrag in Karlsruhe auf den Weg gebracht. Berlins ehemalige Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher gab den Berliner Mietern indirekt sogar den Ratschlag, eingesparte Mietzahlungen erst einmal zurückzulegen, bis die Rechtmäßigkeit des Gesetzes geprüft ist.

Es drohen hohe Nachzahlungen

Aufgrund der Unsicherheiten tauchen in vielen Wohnungsinseraten derzeit zwei Mieten auf: Die Miete, die sich an den Obergrenzen des Mietendeckels orientiert sowie die Miete, die fällig wäre, sollte sich das Gesetz als verfassungswidrig erweisen. In einer neuen Studie des Immobilienforschungsunternehmens F+B wurde anhand von etwa 3.100 Wohnungsinseraten geschätzt, wie hoch die Rückzahlungsforderungen wären, sollte der Mietendeckel tatsächlich verfassungswidrig sein. Dabei stellt sich heraus: Allein für die untersuchten Inserate würden sich die geforderten Nachzahlungen auf monatlich über 1,2 Millionen Euro summieren.

Unabhängig davon, ob der Mietendeckel nun verfassungsrechtlich konform ist oder nicht: Ökonomen sind sich einig wie selten, dass er das Grundproblem des Berliner Wohnungsmarktes nicht lösen wird. Die Mietentwicklung Berlins ist eine Folge des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage. Immer mehr Menschen wollen die Vorzüge der neu entstandenen Berliner Wirtschaftskraft sowie der umfassenden Freizeitmöglichkeiten nutzen. In den letzten zehn Jahren hat die Stadt etwa 400.000 Einwohner hinzugewonnen. Gleichzeitig zeigt sich die Landesregierung bei der Ausweisung von Baugebieten sowie bei der Genehmigung von Bauvorhaben extrem zögerlich.

Internationale Erfahrungen machen die negativen Folgen eines Mietendeckels deutlich

Die ökonomische Argumentation mag auf viele „kalt“ und abstrakt wirken. Allerdings gibt es aus New York, Genf und Stockholm wichtige Erfahrungswerte, die die teils fatalen Auswirkungen eines Mietendeckels belegen.

New York City

Im Bundesstaat New York wurde bereits im Jahr 1950 eine Preisbegrenzung eingeführt, um die Mieten in den Städten des Bundesstaates möglichst niedrig zu halten. Ab dem Jahr 1962 konnten einzelne Städte (und damit auch New York City) selbst über die Ausgestaltung des Gesetzes entscheiden. In einigen Bezirken von New York City wurde die Mietpreisbegrenzung besonders straff gehandhabt, was ein Auseinanderdriften der Mieten innerhalb der Stadt zur Folge hatte. Der New Yorker Mietendeckel hatte insbesondere drei Effekte, die alles andere als wünschenswert erscheinen: Erstens wollten Menschen, die in einer Wohnung mit staatlich regulierter Miete wohnten, diese keinesfalls aufgeben. Somit kamen immer weniger Mietwohnungen auf den Markt. Zweitens kam es durch den Mietendeckel zu einem dramatischen Verfall des Gebäudebestands. Grund hierfür war, dass sich Modernisierungen aus Eigentümersicht nicht mehr rentierten. Drittens ging das Wohnungsangebot privater Investoren dramatisch zurück. Bei den niedrigen Mieteinnahmen waren die meisten Investitionsvorhaben für private Akteure einfach nicht mehr rentabel.

Genf

In Genf wurde die Mietpreisbegrenzung 1996 im Rahmen einer Volksabstimmung auf den Weg gebracht. Das Gesetz ist dort bis heute in Kraft. Mit dem Genfer Mietendeckel wurde die Miethöhe bestehender Mietverhältnisse eingefroren und die Umlegung von Modernisierungskosten so gut wie unmöglich gemacht. Dies führte dazu, dass Mieter bis heute keinerlei Anreiz haben, aus ihren geschützten Mietverhältnissen auszuscheiden. Doch auch die Mieter, die von den gedeckelten Mietpreisen profitieren, spüren die negativen Auswirkungen der geltenden Gesetzgebung. Da Modernisierungskosten nicht umgelegt werden können, haben Eigentümer keinen Anreiz in die Bausubstanz ihrer Wohnungen zu investieren, wodurch sich deren Qualität immer weiter verschlechtert. Zusätzlich gibt es in der Stadt nur wenig private Investitionen in den Wohnungsbau. Verantwortlich hierfür sind Bedenken, dass sich die Regelungen des Mietendeckels in Zukunft auch auf den Neubau ausweiten könnten. Aufgrund des Angebotsmangels müssen die Menschen immer stärker aufs Umland ausweichen, wodurch es zu immer größeren Pendlerströmen kommt.

Stockholm

Der Stockholmer Mietpreisbegrenzung gilt seit 1969 und sieht vor, dass die Miethöhe zwischen Vertretern von Eigentümern und Mietern jedes Jahr neu ausgehandelt wird. Diese Regelung hat das Wohnraumangebot so weit verknappt, dass Interessenten inzwischen durchschnittlich elf Jahre auf eine freie Wohnung in der schwedischen Hauptstadt warten müssen. Diese Situation hat zur Entstehung eines Schwarzmarktes beigetragen. So gibt es für die meisten Wohnungen inzwischen etliche illegale Untermietverträge oder illegal ausgehandelte Abstandszahlungen. Die OECD stellt der schwedischen Wohnungspolitik ein miserables Zeugnis aus und drängt darauf, das knappe Wohnungsangebot durch die Lockerung staatlicher Eingriffe zu steigern.

Lehren für Deutschland

Internationale Erfahrungen zeigen, welch katastrophale Wirkungen ein staatlich verordneter Mietpreisstopp hat. In allen Städten und Ländern, in denen eine solche Regulierung eingeführt wurde, kam es zu einer massiven Beeinträchtigung der Bausubstanz sowie zu einer Reduktion des Wohnraumangebots. Eine Verbesserung der Situation wurde hingegen nirgendwo beobachtet. Eine Wohnungspolitik, die steigende Mietpreise in den Griff bekommen will, muss daher unbedingt Angebot und Nachfrage im Blick haben und diese in Einklang bringen.

Ein Zitat des schwedischen Ökonomen Assar Lindbeck aus dem Jahr 1971 erlangt in letzter Zeit immer größere Berühmtheit. Er ließ sich in Bezug auf die staatliche Mietregulierung zu folgender Aussage hinreißen: „Next to bombing, rent control seems in many cases to be the most efficient technique so far known for destroying cities.“ Ganz so dramatisch sind die Folgen eines Mietendeckels vielleicht dann doch nicht, aber dennoch: ein Mietendeckel hat bisher jeder Stadt geschadet.