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Industriepolitik
Altmaier vs. Vestager: Wer ist der Erbe Ludwig Erhards?

Eine Analyse des aktuellen industriepolitischen Geschehens
Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Heinz Paqué

Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Heinz Paqué

Lange nicht erlebt, so eine Woche der Industriepolitik! Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verkündet den Frontalangriff gegen China und die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager untersagt die genauso motivierte Fusion von Alstom und Siemens im Bahngeschäft. Unser Vorstandsvorsitzender Professor Paqué, selbst Volkswirt, erklärt, erläutert und urteilt.

Um es vorwegzunehmen: China ist ein Problem – und was für eines: Das riesige Land kümmert sich wenig um die Prinzipien der Welthandelsordnung, obwohl es seit fast zwei Jahrzehnten Mitglied der WTO ist. Vor allem hat es mit seiner Strategie "Made in China 2025" den globalen Technologieführern den Kampf angesagt: Mit einem gewaltigen industrie- und technologiepolitischen Kraftakt sollen die Technologieführer - gemeint sind Europa und die USA - von ihrer Spitzenposition in strategisch wichtigen Branchen verdrängt werden, und dies durch staatliche, halbstaatliche und hochsubventionierte private Unternehmen. China tut alles, um diese Absicht mit gewaltigen Programmen zu untermauern.

Soweit, so gut - genauer: so schlecht. Denn es handelt sich um Staatskapitalismus par excellence, der wenig mit Marktwirtschaft zu tun hat. Dagegen sollte sich der Westen wehren, aber doch bitte nicht mit Staatskapitalismus eigener Art, wie ihn Peter Altmaier fordert. Er will dem Staatskapitalismus Chinas einen Staatskapitalismus europäischer Provenienz entgegensetzen: großzügige Förderung von technologischen Megaprojekten, die den Chinesen Paroli bieten; Erleichterung von Fusionen, die in Europa marktbeherrschende Stellungen erlauben; Synergien statt Wettbewerb. Größe über alles!

Eine merkwürdige Fantasie. Mit Sozialer Marktwirtschaft in der Tradition Ludwig Erhards hat das nichts zu tun. Wohl aber mit der "planification à la Francaise", wie sie schon in den sechziger Jahren in Frankreich Mode war, um den viel beschworenen "défi Americain" zu entgehen, den Jean-Jacques Servan-Schreiber in einem damaligen Bestsellerbuch beschwor. Der fand dann allerdings nie statt. Ähnlich die panische Angst vor der Konkurrenz in den achtziger Jahren aus Japan, dem Land mit dem "überlegenen Konsensmodell". Und jetzt China mit seinem Staatskapitalismus.

Mit Verlaub: Das ist der völlig falsche Weg. Richtig ist, China auf multilateraler Ebene der WTO durch harten Druck daran zu erinnern, dass es sich an die Regeln des freien und fairen Handels halten muss , wenn es denn weiter im Welthandel als Exportgigant expandieren will. Dazu wären im Extremfall auch Druckmittel wie Strafzölle im Rahmen des WTO-Regelwerks geeignet, und dazu bedarf es natürlich einer gemeinsamen transatlantischen Front für mehr Wettbewerb. Dies jedoch nicht durch Schaffung eines eigenen deutschen Staatskapitalismus, der die Weltmärkte im neomerkantilistischen Stil erobern will und auf die Wettbewerbsbedingungen in wichtigen globalen Teilmärkten - immerhin Europa! - keine Rücksicht nimmt.

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Da ist das Konzept von Margrethe Vestager aus anderem - und zwar marktwirtschaftlicherem - Holz geschnitzt. Sie untersagt zu Recht die Fusion von Alstom und Siemens, weil in Europa dadurch eine marktbeherrschende Stellung entstünde. Zugegeben, über die Definition des sogenannten "relevanten Marktes" kann man end- und fruchtlos streiten. Entscheidend ist allein, ob die größenbedingten Synergien zwischen Konzernen zählen, oder die Effizienz des Marktes durch Konkurrenz. Für Letzteres hat sich Margarete Vestager entschieden. Zu Recht, ihr gebührt Dank. Die liberale Dänin ist die wahre Erbin von Ludwig Erhard - und nicht der Christdemokrat Peter Altmaier.