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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Wirtschaft in Schulen
Didaktisches Desaster

Unser Wirtschaftssystem, die Soziale Marktwirtschaft, wird in Schulbüchern, miserabel vermittelt. So motiviert man niemanden für Unternehmertum und Wettbewerb.
Schülerinnen und Schüler schreiben Prüfung im Fach "Wirtschaft und Recht".

Schülerinnen und Schüler schreiben Prüfung im Fach "Wirtschaft und Recht".

© picture alliance/KEYSTONE | GAETAN BALLY

Die Medienresonanz war breit: Von der Tagesschau bis zum Magazin Focus, von Die Welt bis zur Wirtschaftswoche - alle berichteten über eine jüngste Studie der Universität Siegen im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und des Verbands Die Familienunternehmer/Die Jungen Unternehmer. Die Studie untersuchte die Darstellungen der Funktionsweise der Sozialen Marktwirtschaft in deutschen Schulbüchern.

Das Ergebnis ist erschütternd. Es lassen sich drei zentrale Punkte zusammenfassen:

  • Die Darstellungen der Sozialen Marktwirtschaft sind, vorsichtig formuliert, nicht sehr kenntnisreich. Sie hinterlassen den Eindruck, dass nicht fachkundige Volks- und Betriebswirte, sondern Didaktiker aus anderen Hauptfächern daran gearbeitet haben, die Angelerntes reproduzieren, ohne den Kern der Sache zu durchdringen. Wie fast in jedem Fach, so geht es ja auch in der Wirtschaftswissenschaft um eine Denkweise und Methodik, die sich den meisten erst im Laufe eines intensiven Studiums erschließt – und dann erst mit tieferem Verständnis und didaktischem Talent weitervermittelt werden kann. Daran fehlt es anscheinend – wohl auch deshalb, weil die „Wirtschaftslehre“ meist nicht als eigenständiges Fach existiert, sondern unter anderen Fächern – von Sozialkunde bis Geografie – subsumiert wird.
     
  • Die Darstellungen der unternehmerischen Tätigkeit sind häufig moralisch ins Negative verzerrt. Der Unternehmer – übrigens in Schulbüchern fast immer männlich konnotiert – wird als machtvoller Entscheidungsträger dargestellt, der als „Arbeitgeber“ über „Arbeitnehmer“ herrscht, eine Art potenzieller Ausbeuter. Seine Bereitschaft, Risiken persönlich zu übernehmen und positive Verantwortung für die Mitarbeiterschaft und Auszubildende zu tragen, spielt kaum eine Rolle. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Staat regelnd eingreift. Ohne ihn werden die Belegschaften allzu leicht zum Opfer profitgierigen Machtmissbrauchs. Kurzum: der Unternehmer als vielleicht notwendiges Übel, der Staat als Wohltäter!
  • Die Darstellungen des internationalen Handels und der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung geraten allzu oft zur tendenziösen Anklage gegen einen schrankenlosen Kapitalismus. Das positive Wirken der Globalisierung, die in den letzten Jahrzehnten geholfen hat, Milliarden Menschen aus bitterer Armut und sogar Hungersnöten zu befreien – man denke nur an die Bevölkerungsgiganten China und Indien –, das kommt praktisch nicht vor. Es überwiegt der skeptische Blick etwa auf Textilproduzenten in Bangladesch, die westliche Märkte mit billigen T-Shirts beliefern. Regelwerke des Handels und der Menschenrechte wie der Welthandels- oder der Internationalen Arbeitsorganisation finden kaum Erwähnung.

Kurzum: ein Bild, das junge Menschen alles andere als motiviert, in verantwortlicher Position ihren Beitrag in dieser Wirtschaft zu leisten. Und schon gar nicht als Unternehmer, der persönliche Risiken trägt und Menschen beschäftigt – und dafür mit einer schlechten gesellschaftlichen Reputation bestraft wird. Vergleicht man dieses tief pessimistische Porträt mit jenem zuversichtlichen Bild der Sozialen Marktwirtschaft, das in den fünfziger Jahren von Ludwig Erhard und den liberalen Gründungsvätern der Marktwirtschaft entworfen wurde, dann sehen wir, wie unsere Gesellschaft sich verändert hat. Der Titel von Erhards berühmten Buch „Wohlstand für alle“ mag überoptimistisch gewesen sein, aber wenigstens hat er die damals jungen Menschen motiviert, sich der Gesellschaft risiko- und innovationsbereit sowie verantwortungsvoll zur Verfügung zu stellen. Großartig!

Nichts dergleichen heute. Darüber könnte man vielleicht hinwegsehen, wenn wenigstens die fachliche Qualität der Vermittlung kritischer Prüfung standhielte, denn so mancher junge Mensch lässt sich eher durch die Faszination der Materie motivieren als durch gutes Zureden. Aber, wie gesagt, auch an der Qualität hapert es.

Jedenfalls stehen wir vor einem gewaltigen Problem: Eine Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, die nächste Generation für die Soziale Marktwirtschaft zu begeistern, wird ihren Wohlstand verspielen. Denn wir können nicht alle als Angestellte und Beamte die Zukunft bewältigen. Wir brauchen unternehmerische Risikobereitschaft und Innovationskraft, und dies erst recht bei schrumpfender Bevölkerung. Dies müssen auch endlich die Kultusbeamten in den Länderbehörden verstehen, die letztlich für unsere Schulbücher verantwortlich sind. Es wird höchste Zeit, ganz grundlegend umzudenken. Wir brauchen endlich bessere  Schulbücher!