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Unternehmenssteuern und die Corona-Krise in Deutschland

Von steuerlichen Maßnahmen für Unternehmen im Zuge der Corona-Krise werden kleinere Unternehmen und Startups unterdurchschnittlich entlastet. 

Die bisher implementierten ertragsteuerlichen Corona-Hilfen, wie beispielsweise Steuerstundungen, Erhöhungen der Verlustrücktragsgrenze und vorteilhaftere Abschreibungsregeln, dienen primär zur Sicherung der Unternehmensliquidität. Insgesamt führen diese Maßnahmen nicht zu einer dauerhaften Steuerentlastung für Unternehmen, sondern zu einer rein temporären Verschiebung der Steuerzahlung, die für den Staat aufgrund des aktuellen Niedrigzinsumfelds keine nennenswerten Kosten verursacht. Aufgrund ihrer Anwendungsvoraussetzungen kamen diese Erleichterungen bisher hauptsächlich mittelgroßen und großen Unternehmen zugute. Dagegen werden kleinere Unternehmen und Start-ups unterdurchschnittlich entlastet (Kapitel 3.2).

In Deutschland sind weitere steuerliche Maßnahmen sinnvoll, damit die Unternehmen gut aus der Krise kommen und in ihre Zukunft investieren. 

Um deutsche Unternehmen weiter zu unterstützen und über die Krise hinaus zu begleiten, sind deshalb weitere steuerliche Maßnahmen sinnvoll. Infrage kämen beispielsweise die Ausweitung des Rücktragszeitraums (Kapitel 3.3.1) und die Aussetzung der Mindestbesteuerung (Kapitel 3.3.2) für kriseninduzierte Verluste. Darüber hinaus wäre eine großzügigere Ausgestaltung der Abschreibungsregeln zur Förderung von zukunftsgerichteten Investitionen denkbar. Alternativ könnten die Abzugsgrenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter erhöht werden oder kleine und mittelgroße Unternehmen gezielt durch eine großzügigere Ausgestaltung des Investitionsabzugsbetrags und der Sonderabschreibungen (§7g EStG) gefördert werden (Kapitel 4).

Andere Länder sind deutlich unternehmens- und wachstumsfreundlicher unterwegs. Hier droht ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen.

Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass wichtige Wettbewerbsländer, wie beispielsweise die USA oder das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, im Rahmen der Verlustverrechnung oder der Abschreibungsregeln deutlich großzügigere Maßnahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Corona-Folgen vorsehen (Kapitel 3.4.2). Letztlich bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese unternehmens- und wachstumsfreundlicheren Regelungen als Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen erweisen könnten.

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Einleitung, Problemstellung und Zielsetzung der Studie

Die Corona-Krise hat die Welt bereits das zweite Jahr in Folge fest im Griff. Die medizinische Lage verbessert sich seit einigen Monaten mit dem Fortschreiten der nationalen Impfkampagnen stetig. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen ist aber auch die globale Wirtschaft beeinträchtigt. Störungen der internationalen Lieferketten ließen das Angebot einbrechen. Gleichzeitig führten Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen dazu, dass auch die Nachfrage zurückging und Konsumausgaben stark abnahmen. Die ausbleibenden Einnahmen führten bei den betroffenen Unternehmen zu erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten. Disproportional betroffen sind hier insbesondere Branchen wie der Reise-, Gastronomie- oder Dienstleistungssektor, deren Geschäftsmodelle den täglichen Kontakt mit Menschen erfordern. Eine Vielzahl staatlicher Hilfsprogramme wurde aufgelegt, um die Folgen der Corona-Krise abzufedern. Auch der deutsche Gesetzgeber ergriff im Verlauf der letzten Monate wiederholt Ma nahmen, um deutsche Unternehmen zu unterstützen.

Ziel dieser Studie ist es, eine Auswahl der steuerlichen Ma nahmen vor dem Hintergrund der aktuellen Krisensituation zu evaluieren. Der Fokus liegt hierbei insbesondere auf der Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung, der Erhöhung des Freibetrags für gewerbesteuerliche Hinzurechnungstatbestände sowie der Erweiterung bisher anwendbarer Abschreibungsmethoden. Darüber hinaus werden m gliche zusätzliche ertragsteuerliche Maßnahmen betrachtet, die das aktuelle steuerliche Sofortprogramm erweitern mit dem Ziel, die Liquidität der Unternehmen zu sichern, und darüber hinaus erste Investitionsanreize setzen. Hierunter fallen beispielsweise die temporäre Aussetzung der Mindestbesteuerung oder die Erweiterung der Regelung des §7g EStG. Die Analyse erfolgt sowohl qualitativ als auch quantitativ im Rahmen eines Steuerbelastungsvergleichs unter Verwendung des etablierten Simulationsmodells „European Tax Analyzer“. Damit leistet das Vorhaben einen fundierten Beitrag zur Debatte um effiziente und zielgerichtete steuerliche Ma nahmen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise in Deutschland.

Der weitere Aufbau der Studie ist wie folgt: Kapitel 2 gibt einen kurzen Überblick über die wirtschaftliche Lage und bereits erfolgte steuerliche Hilfen in Deutschland. In Kapitel 3 werden bereits erlassene steuerliche Sofortmaßnahmen und weitere Alternativen sowohl qualitativ als auch quantitativ im Rahmen eines Steuerbelastungsvergleichs untersucht. Dabei werden zunächst die Anwendungsgebiete und die Methodik des „European Tax Analyzer“ dargestellt (Kapitel 3.1). Nach der Analyse ausgewählter Regelungen der bereits erlassenen steuerlichen Vorschriften (Kapitel 3.2) erfolgt die Evaluierung möglicher zusätzlicher Erleichterungen bei der steuerlichen Verlustverrechnung und Abschreibung (Kapitel 3.3). Das dritte Kapitel schließt mit einem Zwischenfazit. Im vierten Kapitel erfolgt die qualitative Bewertung weiterer steuerlicher Sofortmaßnahmen, die im Rahmen der Corona-Krise von der Bundesregierung zur unternehmerischen Liquiditätssicherung und/oder Investitionsförderung ergriffen werden könnten. Dies betrifft zum einen die Höchstgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG, Kapitel 4.1) und zum anderen eine großzügigere Ausgestaltung des Investitionsabzugsbetrags für kleine und mittelgroße Unternehmen (Kapitel 4.2). Das letzte Kapitel schließt mit einem Fazit.

Die Corona-Krise in Deutschland

Die erste bestätigte Coronavirus-Infektion in Deutschland wurde Ende Januar 2020 gemeldet. Das Ausbreitungsrisiko wurde damals noch als gering eingeschätzt. Ende März 2020 wurde schließlich der erste Lockdown verhängt: Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen wurden erlassen, Veranstaltungen verboten und Geschäftsschließungen angeordnet. Nach sieben Wochen erfolgten Anfang Mai 2020 sukzessive erste Lockerungen. Allerdings rollte nach dem Sommer seit November 2020 die zweite Welle heran. Mitte Dezember 2020 folgte daraufhin der zweite Lockdown, der bis vor Kurzem grundsätzlich noch galt. Jedoch wurde ein Öffnungskonzept in Abhängigkeit von der Infektionslage implementiert, wodurch lokale Lockerungen m glich sind. Seit Ende Dezember 2020 läuft auch die nationale Impfkampagne in Deutschland. Aktuell ist geplant, bis Ende des Sommers 2021 der gesamten deutschen Bevölkerung ein Impfangebot machen zu können.

Die Corona-bedingten Beschränkungen und Störungen internationaler Lieferketten führten sowohl zu Nachfrage- als auch Angebotseinbrüchen. Durch die Krise wurde die Liquidität betroffener Unternehmen stark beeinträchtigt und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nachhaltig geschädigt. Nach einem Jahrzehnt des Wachstums brach das weltweite Brutto-Inlandsprodukt (BIP) 2020 im Vergleich zum Vorjahr um -3,3% ein. Der Rückgang fällt damit deutlich h her aus als zu Zeiten der Finanzkrise (-0,1% in 2009). Auch das deutsche BIP verzeichnete im Jahr 2020 eine deutliche Reduktion von -4,9%. Die Auswirkungen der Krise auf das Wachstum unterscheiden sich dabei erheblich zwischen verschiedenen Branchen. Während der Online-Handel profitiert und sich das verarbeitende Gewerbe (langsam) erholt, ist vor allem der Dienstleistungsbereich stark getroffen. Angesichts sinkender Infektionszahlen und dem Voranschreiten der Impfungen prognostiziert der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) eine deutlich positive Entwicklung der Wirtschaft. So wird, jeweils im Vergleich zum Vorjahr, eine Zunahme des deutschen BIP um +3,1% im Jahr 2021 und +4,1% im Jahr 2022 bzw. ein Wachstum des weltweiten BIP von +5,9% im Jahr 2021 und +4,0% im Jahr 2022 erwartet. Im Gegensatz zu diesen Prognosen zeigen sich deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer deutlich pessimistischer. Laut einer Umfrage vom Januar 2021 erwarten diese einen Rückgang des BIP im Jahr 2021 von -5,4% im Jahr 2021.

Besonders zu Beginn der Krise waren schnelle Finanzhilfen erforderlich, um die Liquidität der Unternehmen zu sichern. Nach zeitnahen Ma nahmen in der ersten Phase liegt der Fokus in der zweiten Phase auf mehr zielgerichteten Ausgleichszahlungen und der Verhinderung von krisen-verschuldeten Unternehmensinsolvenzen. Im Zuge sukzessiver  Öffnungen rücken in einem dritten Schritt Anreize für Investitionen und Konsum zum Aufbau der Wirtschaft in den Vordergrund. Schließlich wird nach Abflauen der Krise das Management der aufgebauten Schulden und die Finanzierung der staatlichen Hilfen relevant werden. Aktuell fokussiert sich der deutsche Gesetzgeber prim r noch auf Ma nahmen in der ersten sowie zweiten Phase, während vereinzelt bereits Impulse für die dritte Phase gesetzt werden.

Zur Abmilderung der Krisenfolgen für Unternehmen in Deutschland stellt die Politik unter anderem über Bürgschaften, Kredite und Zuschüsse finanzielle Hilfen bereit. Insbesondere bei der Soforthilfe zeigen sich jedoch Probleme: Während die Medien immer wieder über Betrugsfälle in mehrstelliger Millionenhöhe berichten, verzögert sich auch die Auszahlung bewilligter Gelder. Zwischenzeitlich waren die Abschlagszahlungen aufgrund erschlichener Leistungen sogar ganz gestoppt worden. Eine Umfrage des German Business Panel zeigt eine zunehmende Unzufriedenheit deutscher Unternehmen mit den staatlichen Hilfsmaßnahmen, insbesondere bei kleinen Unternehmen. Als Gründe werden unter anderem bürokratischer Aufwand, unklare Kriterien und eine späte Auszahlung der Hilfen angeführt.

Diese Probleme hätten bei einer Bearbeitung und Auszahlung der Hilfen durch das Finanzamt vermieden werden können. Im Gegensatz zu Maßnahmen, für die gesonderte Antragsformen, Prozesse und Kontrollen geschaffen werden müssen, gestaltet sich der Gang über das Steuersystem deutlich effizienter. Bei den deutschen Finanzämtern sind bereits Personen- und Unternehmensdaten inklusive Namen, Adressen, Kontonummern und steuerlicher Kennzahlen der letzten Jahre hinterlegt. Die bestehenden Strukturen bieten einen Automatismus, der auch für die staatlichen Corona-Hilfen genutzt werden kann.

Im Rahmen mehrerer Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) sowie des Ersten bis Dritten Corona-Steuerhilfegesetzes ist dies auch bereits erfolgt. Laut einer Umfrage des German Business Panel griffen im Durchschnitt über ein Viertel der Unternehmen, neben anderen Hilfsprogrammen, auf die verfügbaren steuerlichen Maßnahmen zurück. Die Inanspruchnahme verlief dabei proportional zum Umsatzeinbruch: Während nur 16% der Unternehmen mit einem Umsatzrückgang zwischen 1%-10% angaben, steuerliche Hilfen beansprucht zu haben, so verdreifacht sich diese Zahl nahezu – auf 44% – für Unternehmen, deren Umsätze über 40% zurückgingen. Ausgesetzte Vollstreckungsmaßnahmen, Steuerstundungen und angepasste Steuervorauszahlungen verschafften den Unternehmen zeitnah mehr Liquidität. Daneben konnte Kurzarbeitergeld steuerfrei aufgestockt werden. Ende Mai 2020 erließ der deutsche Gesetzgeber das Erste Corona-Steuerhilfegesetz: Dieses umfasst für Gastronomie- Betriebe eine befristete Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Speisen (von 19% auf 7%) sowie eine Verlängerung der Anmeldefrist für Umwandlungen. Wenige Wochen später folgte Ende Juni 2020 das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz.

Neben der hoch umstrittenen zeitlich befristeten Senkung aller Umsatzsteuersätze von 19% auf 16% bzw. 7% auf 5% und einer Erhöhung der Forschungszulage wurden auch mehrere ertragsteuerliche Erleichterungen eingeführt. Zum einen beinhaltete dies weitere zeitlich befristete Ma nahmen; namentlich die betragsmäßige Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags für die Jahre 2020 und 2021 von einer Mio. EUR auf fünf Mio. EUR und die temporäre Wiedereinführung der degressiven Abschreibung. In diesem Zuge wurden bei der Gewerbesteuer aber mit der Erhöhung des Freibetrags für Hinzurechnungstatbestände sowie der erhöhten Anrechnung auf die Einkommensteuer auch zeitlich unbefristete Anpassungen vorgenommen. Das erst kürzlich verkündete nunmehr dritte Corona-Steuerhilfegesetz knüpft an bereits erfolgte Änderungen an. Unter anderem werden die reduzierten Umsatzsteuersätze für Gastronomie-Betriebe nun bis Ende 2022 gewährt und der steuerliche Verlustrücktrag nochmals von fünf Mio. EUR auf zehn Mio. EUR verdoppelt.

Insgesamt fokussierte sich der Gesetzgeber früh auf die kurzfristige Stärkung der Liquidität von Unternehmen, um die Zahlungsfähigkeit betroffener Betriebe wirksam sicherzustellen. Nach zwei zeitnah verabschiedeten Corona-Steuerhilfegesetzen erfolgten jedoch nur noch zaghaft Reformen.

Paqué: „Zielgenaue, schnelle und unbürokratische Corona-Hilfen für Unternehmen wären möglich gewesen“

ZEW Mannheim

Die aktuellen Corona-Steuerhilfen entlasten vor allem große Unternehmen. Kleine Unternehmen und Start-ups profitieren kaum. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des ZEW Mannheim im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Weitere steuerliche Maßnahmen sind notwendig, damit deutsche Unternehmen gut aus der Krise kommen.

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