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Korea: Der unheimlichste Ort der Welt

Korea

Heute vor 70 Jahren endete der Koreakrieg mit einem Waffenstillstand. Doch an einen Friedensvertrag ist kaum zu denken. Im Gegenteil: Regelmäßig macht die Grenzregion zwischen Nord- und Südkorea globale Schlagzeilen. Vergangene Woche verschwand dort ein US-Soldat in den Norden. Politisch bleibt die Demilitarisierte Zone ein Brennpunkt der Weltpolitik – und sie hat sich auf der Südseite zu einem Touristenmagnet entwickelt.

Kurz vor ihrem traurigen 70-jährigen Jubiläum ist die Demilitarisierte Zone (DMZ) in Korea wieder in den Nachrichten. Vergangene Woche löste sich ein US-Soldat von seiner Besuchergruppe und rannte über die Grenzlinie nach Nordkorea. Noch ist unklar, wie die Nordkoreaner auf den Zwischenfall reagieren werden und was nun mit dem US-Soldaten passiert.

Immer wieder macht die DMZ in Korea globale Schlagzeilen. Kaum ein anderer Ort auf der Welt ist so politisch und historisch aufgeladen wie der etwa vier Kilometer breite Landstreifen, der die koreanische Halbinsel durchtrennt. Auf beiden Seiten stehen sich Hunderttausende Soldaten gegenüber. Der Streifen ist voller Minen und Stacheldraht. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton nannte das Grenzgebiet einst "den unheimlichsten Ort der Welt".

An diesem Donnerstag, dem 27. Juli, jährt sich die Einrichtung der Zone zum 70. Mal. Nach drei Jahren Korea-Krieg einigten sich 1953 die Kriegsparteien, nämlich die Vereinten Nationen unter Führung der USA und das von China unterstützte Nordkorea, auf eine Pufferzone. Die Vereinbarung ist Teil des Waffenstillstandsabkommens. Ein Friedensvertrag existiert bis heute nicht.

Angesichts ihrer politischen und historischen Bedeutung ist die DMZ zwischen Nord- und Südkorea ein beliebtes Ausflugsziel geworden. Auf dem Reiseportal Tripadvisor gehören Ausflüge in das Grenzgebiet zu den am besten bewerteten Aktivitäten in ganz Korea. Zahlreiche Firmen bieten Tages- oder Halbtagestouren an. Auch der sich nun in Nordkorea befindende US-Soldat nahm an einer kommerziellen Tour teil.

Befestigungen sollen Südkorea vor einem Einmarsch aus dem Norden schützen

Die Busfahrt von der Hauptstadt Seoul dauert je nach Startpunkt nur etwa ein bis zwei Stunden. Schon auf der Autobahn passieren die Teilnehmer südkoreanische Bunker und Stellungen. Die Befestigungen sollen die südkoreanische Hauptstadt Seoul vor einem Einmarsch aus dem Norden schützen. Bereits etwa 20 Kilometer vor der DMZ kontrollieren südkoreanische Soldaten die Pässe der Touristen. Hier beginnt die sogenannte Civilian Control Zone. Das Gebiet wird vom Militär streng kontrolliert. Zivilisten haben ohne Genehmigung oder entsprechende Ausweise keinen Zutritt.

Trotz der strengen Sicherheitsvorkehrungen – in und rund um die DMZ erleben Touristen eine bizarre Mischung aus Unterhaltung und tödlichem Ernst. Im Imjingak Friedenspark, der eine Art Eintrittspforte zur DMZ ist, können Besucher unter anderem eine vom Krieg zerstörte Dampflok besichtigen oder in den direkt gegenüberliegenden Vergnügungspark gehen. Die Südkoreaner versuchen, einen Trip in die DMZ möglichst angenehm und unterhaltsam zu gestalten, auch um die Weltöffentlichkeit auf die tragische Geschichte ihres Landes aufmerksam zu machen.

Die Straßen und Wege sollten während der Tour aber besser nicht verlassen werden. Noch immer befinden sich zahlreiche Minen in dem Gebiet. Die wenigen tausend Bewohner der DMZ dürfen ihre Häuser nach Einbruch der Dunkelheit deswegen nicht verlassen.

Zu fast allen Touren gehört der Besuch des sogenannten "dritten Tunnels". Er ist der dritte Tunnel, den die Südkoreaner seit Ende des Koreakrieges entdeckten. Bei einer Invasion sollte mit dem unterirdischen Gang die Verteidigungslinien des Südens unterlaufen werden; er befindet sich rund 70 Meter unter der Erde. Doch ein nordkoreanischer Deserteur verriet dem Süden die Pläne. Heute zwängen sich täglich Hunderte Besucher mit eingezogenen Köpfen durch den Tunnel.

Ebenfalls zum Standardprogramm gehört der Besuch einer Aussichtsplattform. Einer der bekanntesten Aussichtspunkte ist das sogenannte Dora-Observatorium. Auf der Plattform sind rund ein Dutzend Ferngläser aufgestellt, mit denen Besucher kilometerweit in den Norden schauen können. Eine Etage tiefer lockt eine Cafeteria mit großen Glasfenstern, die den Blick auf das Nachbarland freigeben.

Bei gutem Wetter können Besucher bis nach Kaesong blicken, Nordkoreas drittgrößte Stadt. Zu den mehreren sichtbaren Dörfern zählt auch ein Fake-Dorf, das die Nordkoreaner zu Propagandazwecken errichtet haben. Es besteht aus relativ modern wirkenden Fassaden – tatsächlich wohnt hier aber niemand. Wer Glück hat, sieht auch nordkoreanische Arbeiter über die Felder ziehen.

Außerdem ist von der Aussichtsplattform aus die sogenannte Joint Security Area zu sehen. Wer sie betreten will, muss eine spezielle Tour buchen. Diese Trips sind seltener, aber besonders spannend. An keinem anderen Ort stehen sich südkoreanische und nordkoreanische Soldaten direkt gegenüber. Die beiden Staaten trennt hier keine physische Barriere; die Demarkationslinie ist nur an einer leichten Erhebung erkennbar. Von hier aus setzte sich auch der US-Soldat mit einem kurzen Sprint nach Nordkorea ab.

Spannungen zwischen Nord- und Südkorea haben zugenommen

1953 wurde hier das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, 2018 begegneten sich hier der frühere südkoreanische Präsident Moon Jae-in und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. 2019 überschritt der ehemalige US-Präsident Donald Trump in Begleitung von Kim die Grenze nach Norden.

Dass bald wieder ähnliche Treffen stattfinden, ist unwahrscheinlich. Die Spannungen zwischen den beiden koreanischen Staaten haben erheblich zugenommen. Im vergangenen Jahr testete Nordkorea so viele Raketen wie noch nie. Südkorea und die USA haben ihre Militärmanöver intensiviert. Vergangene Woche legte mit der USS Kentucky das erste Mal seit 42 Jahren wieder ein amerikanisches Atom-U-Boot in Korea an.

An der diplomatischen Eiszeit hat wohl auch die weltpolitische Lage einen Anteil. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine teilt sich die Welt politisch wieder zunehmend in zwei Teile auf – in die liberale, westliche Welt und die russische-chinesische autoritäre Sphäre. Nordkorea lässt keinen Zweifel daran, dass in der bipolaren Weltordnung auf Seiten Chinas und Russlands steht.


Frederic Spohr leitet das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul.