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Innovation for Democracy Café
Digitale Beteiligungswerkzeuge: Wann man sie einsetzt, wie man sie auswählt

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© People Powered is the author of this picture and has authorized FNF to use it following CC BY-NC-ND 4.0

In den letzten zehn Jahren haben die digitale Beteiligung und die Entwicklung von Civic-Tech-Tools erheblich zugenommen. Ursprünglich gewann diese Form der Beteiligung an Zugkraft, weil die bestehenden politischen Räume nicht offen und zugänglich genug waren. Also haben die Menschen begonnen, Online-Räume zu schaffen, die eine egalitärere Form des Engagements ermöglichen. Es stellte sich aber heraus, dass die sozialen Medien keine ausreichende Struktur dafür bieten. Sie stellen im Gegenteil oftmals eine Herausforderung dar, zum Beispiel durch etwaige Echokammern. Daher mussten Werkzeuge entwickelt werden, die einerseits den strukturierten Dialog und die Datenerfassung fördern und gleichzeitig maximale Sicherheit und Offenheit bieten.

Handbuch zu digitalen Beteiligungsplattformen und Plattformbewertungen als Ressourcen

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Zu einem wirklichen globalen „Aufstieg“ von Civic Tech kam es erst im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, die die Regierungen zu einer schnelleren und intensiveren Zusammenarbeit und Austausch mit den Menschen in ihrem Land veranlasste. Diese Prozesse mussten online durchgeführt werden, da persönliche Interaktionen auf ein Minimum begrenzt wurden, um die Sicherheit aller zu garantieren. Aus diesem Grund haben viele erkannt, dass der Einsatz von Civic Tech von Vorteil und im Grunde unvermeidlich ist.

Bei Civic Tech handelt es sich um einen neu entstehenden und sich schnell entwickelnden Bereich handelt. Deshalb waren die Informationen über die bewährten Verfahren in der Industrie und die Funktionalitäten der modernsten Werkzeuge bisher begrenzt und stark fragmentiert. Es war schwierig und teuer, sich über hilfreiche Werkzeuge und Prozesse zu informieren. Die meisten Akteure gehen davon aus, dass digitale Beteiligung und der Einsatz von Civic Tech weiterhin nur für eine Spitzengruppe der größten und reichsten Städte möglich ist. Dabei kann jede Stadt von der Einführung ergänzender digitaler Beteiligungsmechanismen erheblich profitieren.

Angesichts dieses Bedarfs an zugänglicheren Ressourcen für digitale Beteiligungsplattformen stimmten die Mitglieder von People Powered aus der ganzen Welt dafür, sich der Sache anzunehmen: Wissen über digitale Beteiligung zusammenzutragen, zu verbreiten und Materialen zu erstellen, die allen ermöglichen, schnell Grundkenntnisse zu erlernen und festzustellen, auf welche Weise Civic Tech für sie nützlich sein kann. So entstand die Idee zur Seite „Digital Participation Platforms”, die den Leitfaden für digitale Beteiligungsplattformen enthält: wann man sie einsetzt, wie man sie auswählt und Tipps für optimale Ergebnisse.

Wie wir den Prozess inklusiv und vielfältig gestaltet haben

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Um sicherzustellen, dass die Ressourcen über digitale Beteiligungsplattformen für Menschen und Organisationen aller Art relevant sind, hat People Powered einen inklusiven Prozess eingeführt, der darauf abzielt, Wissen von allen Mitgliedern zu sammeln. Das Ziel war es, die Diversität zu gewährleisten. Dazu wurde darauf geachtet, dass die Expertinnen und Experten unterschiedliche Standorte, sozioökonomischen Hintergründe, und unterschiedliche Rollen hatten. Die Mitglieder des größeren Netzwerks – darunter städtische Beamtinnen und Beamte, Expertinnen und Experten, Praktikerinnen und Praktikerinnen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – haben Informationen über bewährte Verfahren geliefert, die sie aus ihrem Umfeld kennen, und Tools für eine Bewertung vorgeschlagen. 

Die Tools wurden dann von einer geschlechterausgewogenen und geografisch vielfältigen Gruppe von Civic-Tech-Expertinnen und Experten geprüft. Die Gruppe hat dann ein Ranking erstellt von den 27 der am weitesten verbreiteten und effektivsten digitalen Plattformen weltweit erstellt. Diese Plattformen wurden nach Kriterien bewertet, die von den Kosten und die technischen Anforderungen bis zu den unterstützten Funktionen und ethischen Aspekten reichen. Die Bewertungen bieten daher einen schnellen Vergleich der Werkzeuge und ermöglichen eine schnellere und günstigere Einführung der digitalen Beteiligung.

Ein ganzheitlicher Leitfaden für eine digitale Beteiligungsstrategie

Die Ressourcen zu digitalen Beteiligungsplattformen bieten jedoch mehr als nur einen Überblick über verfügbare Tools. Der Leitfaden liefert grundlegende Informationen darüber, welchen Wert die digitale Beteiligung hat und welches gemeinsame Prozesse sind, von denen die Nutzenden profitieren können. Der Leitfaden bietet auch eine Anleitung zur Auswahl einer Plattform sowie zur Einrichtung und Durchführung eines Prozesses. Das hilft dabei, effektiv den Einsatz von Civic Tech zu fördern, und ermöglicht es, sich auf die erfolgreiche Einführung vorzubereiten. Das verringert die immer noch relativ hohe Eintrittsbarriere für Organisationen und Einheiten die nur wenig oder gar keine Erfahrung im Bereich des digitalen Engagements und Civic Tech haben. Allerdings ist es immer noch eine Herausforderung, kleinere und nicht so technisch versierte Organisationen und Einheiten einzubeziehen.

Viele glauben immer noch, dass die digitale Beteiligung für sie nicht geeignet sei. Das kann daran liegen, dass in ihrem Kontext Internetnutzung nicht so verbreitet ist, oder auch einfach an einem Mangel an Ressourcen oder Know-how. Der Leitfaden und die darin enthaltenden Ressourcen wollen dazu beitragen, die Angst vor Technologie abzubauen und einige Mythen über die digitale Beteiligung zu zerstreuen. während sie gleichzeitig praktische Anleitungen bieten und so die Umsetzung zu einem realistischeren Ziel machen, auch für Organisationen und Gruppierungen, die sich normalerweise nicht an der Spitze der Innovation sehen.

Gleichzeitig hilft der Leitfaden dabei, allgemeine Konzepte zu etablieren, um sicherzustellen, dass eine Gruppe von Expertinnen und Experten sowie Praktikerinnen und Praktiker dieselbe Sprache spricht und so effektiv miteinander kommunizieren kann. Der Leitfaden ist außerdem so strukturiert, dass komplexe Begriffe erklärt und diskutiert werden können, z.B. die Anwendung von Open Source und die damit verbundenen Kosten. Es soll helfen, realistischere Erwartungen, Standards und Ziele für die Anfänger zu setzen, die gerade erst anfangen, den Bereich der digitalen Beteiligung zu erkunden.

Ein Leitfaden, der die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Regierungen erfüllt

Obwohl in der Leitfaden versucht wurde, eine große Vielfalt an Werkzeugen und Methoden für ihren Einsatz zu erfassen, war es aufgrund begrenzter Ressourcen und Kapazitäten – einschließlich z.B. sprachlicher Einschränkungen des Expertenteams – nicht möglich, alle Werkzeuge und bewährten Verfahren aus jeder Region und in jeder Sprache zu erfassen. Deshalb gibt es noch viel Potenzial für weitere Verbesserungen, zum Beispiel eine umfassendere Bewertung der Plattformen, einschließlich ihrer direkten Prüfung, und die Ausweitung der Bewertungen auf weitere Werkzeuge.

Diese Ressourcen sind unglaublich hilfreich. Zuallererst dienen sie als gemeinsame Basis für die Entwicklung eines geteilten Verständnisses von Schlüsselkonzepten und erhöhen dadurch die Tiefe der internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich. Sie helfen auch, die Kosten drastisch zu reduzieren, indem sie die Recherchezeit verkürzen, einen Überblick über die Preisspanne bieten und versteckte Kosten aufdecken. Schließlich zeigen sie anderen die Möglichkeiten von Funktionalitäten und digitalen Beteiligungsprozessen auf und ermutigen sie, höhere Standards in Bezug auf Datenschutz, Ethik und Zugänglichkeit einzuhalten.

Nicht zuletzt wurde der Leitfaden so konzipiert, dass er die echten Bedürfnisse der Stadtverwaltung und ihrer Gemeinden aufzeigt. Deshalb bietet er eine Reihe von Informationen für die Civic-Tech-Unternehmen und Experten, die sich mit digitaler Beteiligung beschäftigen, zum Beispiel wie sie ihre Werkzeuge und Methoden verbessern können. Nach der Veröffentlichung des Leitfadens hat People Powered Nachrichten von einigen Organisationen erhalten, die behaupten, dass sie nun eine bessere Kenntnis darüber haben, wie sie ihre Werkzeuge verbessern und einen höheren Wert für Regierungsbehörden schaffen können, um letztendlich die Einbeziehung und Qualität der Beteiligungsprozesse in bestimmten Gemeinschaften zu erhöhen.

Civic Tech ist ein Werkzeug, keine Lösung!

Allerdings sollten die potenziellen Nutzenden nicht vergessen, dass Civic Tech keine endgültige Lösung, sondern ein Werkzeug ist. Organisationen sollten also erkennen, dass die digitale Beteiligung kein Allheilmittel ist, sondern nur eine andere Art der Beteiligung, welche die analogen Prozesse nicht völlig ersetzen kann und soll. Sie kann als ergänzende Komponente dienen, die dabei hilft, die Zahl der Teilnehmenden zu erhöhen und die schwer erreichbaren oder uninteressierten Mitglieder einer Gemeinschaft einzubinden. Daher sollten alle Nutzenden des Leidfadens ein klares Verständnis davon haben, wen er oder sie mit Hilfe der Technologie erreichen möchte und wie das Online-Engagement mit den offline Kanälen verknüpft werden sollte, um maximale Wirkungen zu erzielen.

Wenn Sie also den Leitfaden „Guide and Ratings benutzen, sollten Sie sich zunächst fragen: „Was brauche ich? Wie kann Civic Tech mir helfen?“ Diese Fragen können Ihnen helfen, besonnen zu bleiben und sich nicht zu sehr für ein Werkzeug zu begeistern, das eventuell gar nicht für Ihre Organisation oder Zielgruppe, oder für ein bestimmtes Ziel und einen bestimmten Prozess geeignet ist. Ansonsten riskieren Sie, Ihre Ressourcen für ein Werkzeug zu verbrauchen, das kein bedeutungsvolles Engagement erzeugen würde. Es ist also wichtig, diese Ressourcen mit einem offenen, aber klaren Verstand und einem umfassenden Verständnis für die Bedürfnisse Ihrer Community anzugehen. Auf diese Weise finden Sie sicher ein nützliches und inspirierendes Beispiel und profitieren von dieser Fülle an Wissen aus der ganzen Welt.

Und schließlich sollten Sie nicht vergessen, dass digitale Plattformen nur Werkzeuge sind, die nicht von allein funktionieren. Sie bedürfen einer gründlichen Planung und Infrastruktur, um Engagement zu erzeugen. Wenn Sie also bemerken, dass die Menschen sich nicht für Sie und Ihre Technologie engagieren, sollten Sie sich den Prozess genauer ansehen und herausfinden, welche Hindernisse und Einschränkungen die Menschen davon abhalten, sich intensiver zu beteiligen.

Dieser Leitfaden, der in seiner Gesamtheit hier zu finden ist, wurde offiziell mit Unterstützung des National Endowment for Democracy entwickelt, einer unabhängigen, gemeinnützigen Stiftung, die sich für das Wachstum und die Stärkung demokratischer Institutionen auf der Welt einsetzt, und des International Republican Institute, einer überparteilichen, gemeinnützigen Organisation, die sich für die Förderung von Freiheit und Demokratie weltweit einsetzt.

Frau Katya Petrikevich ist Mitbegründerin und Internationale Direktorin von Participation Factory und Referentin für den Guide to Digital Participation Platforms and Platform Ratings von People Powered.

Frau Petrikevich war auch zu Gast in der zweiten Episode unseres  Innovation for Democracy Café am 28. Juni.

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