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Krieg in der Ukraine
Die gefährliche Illusion über Chinas mögliche Vermittlerrolle

Der chinesische Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin bei ihrem Treffen in Peking im Februar 2022. 

Chinese President Xi Jinping and Russian President Vladimir Putin during their meeting in Beijing in February 2022.

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picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alexei Druzhinin

Während der Ukraine-Krieg weiter eskaliert, versucht sich China als vermeintlich neutraler Vermittler zwischen Moskau und Kiew zu etablieren. Doch die Hoffnung, dass Präsident Xi sogar mildernd auf Putin einwirken könnte, bewahrheitet sich bislang nicht. Vielmehr ist ein Schulterschluss zwischen Russland und China erkennbar. Zuerst nur bei den Narrativen – doch es mehren sich die Anzeichen, dass es darüber hinaus geht.

“China steht immer dafür ein, die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder zu respektieren und sich an die Ziele und Grundsätze der UN-Charta zu halten [...], und setzt sich für die Förderung von Friedensgesprächen ein.“ So äußerte sich der Staatsrat für Außenpolitische Fragen Yang Jiechi vor wenigen Tagen in einem Statement, das von der chinesischen staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua nach den Gesprächen in Rom verbreitet wurde. Dort hatten der chinesische Außenminister Yang Jiechi und der US-amerikanische Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan über die Lage in der Ukraine gesprochen. Zusätzlich zu den unstrittigen, erwartbaren Phrasen fügte Yang noch hinzu, dass „es wichtig sei, den historischen Kontext der Ukraine-Frage zu klären, dem Ursprung des Problems auf den Grund zu gehen und auf die berechtigten Anliegen aller Parteien einzugehen.“

Diese Aussage lässt aufhorchen, denn sie ähnelt der russischen Begründung für den Überfall auf die Ukraine. Demnach findet gerade gar kein Krieg statt, zudem gebe es historisch gesehen ohnehin keinen Unterschied zwischen Russen und Ukrainern. Die Aussagen aus Peking gehen mit dieser Argumentation einher – kaum vorstellbar, dass China dann noch als neutraler Vermittler zwischen den beiden Parteien vermitteln könnte. Dabei ist Peking bemüht, sich nach außen den Anschein einer gewissen Neutralität zu geben, beispielsweise indem in staatlichen Medien über eine mögliche Vermittlerrolle Chinas im Konflikt diskutiert wird. Diese Artikel sind klar an ein internationales Publikum gerichtet: Sie sind oftmals in Englisch, die Autoren sind häufig Mitglieder der „Chinesischen Einheitsfront", einer Organisation, die die Ziele und Narrative der Kommunistischen Partei Chinas im Ausland verbreiten soll.

Ein Blick in die sozialen Netzwerke: Bisher durften aus Moskau noch Anzeigen bei Facebook geschaltet werden, die pro-russische anti-europäische und anti-NATO Propaganda enthielten. Inzwischen dürfen staatliche Medien aus Russland keine Anzeigen beim meta-Konzern mehr schalten – dafür werden Anzeigen desselben Inhalts dort von chinesischen staatlichen Medien verbreitet. Mindestens 21 solcher Anzeigen wurden allein im letzten Monat geschaltet. Die Zielgruppe der Posts sind vor allem Menschen in Russlands Nachbarländern. Der Propaganda-Schulterschluss erreicht auch die eher klassischen Medien beider Länder: Die staatlichen Medien „Voice of Russia“ und die chinesische „People’s Daily“ haben seit 2014, „Russia Today“ und „Xinhua“ seit 2015 ein Abkommen zum Austausch und gegenseitiger Nutzung von Medieninhalten.

Zudem vermeidet nicht nur die russische Führung, sondern auch die chinesische im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt das Wort Krieg tunlichst. Die russische Invasion wird in China nicht als solche verurteilt, vielmehr wird gemäß der russischen Sprachregelung von einer „Operation“ gesprochen. Russlandkritische und ukrainefreundliche Posts werden sofort aus den chinesischen sozialen Medien gelöscht und die entsprechenden Nutzerinnen und Nutzer gesperrt.

Gegen eine vermeintliche Neutralität Chinas im Ukraine-Krieg spricht zudem, dass Russland die Volksrepublik laut US-amerikanischen Geheimdienstquellen um die Lieferung von Waffen gebeten haben soll – und China Medienberichten zufolge zugestimmt hat.

Die genauen Motive für Pekings Unterstützung für Putin kennt wahrscheinlich nur Präsident Xi Jinping. Denkbar sind aber eine Reihe von Motiven: Beide Staatschefs nutzen das Narrativ eines feindlichen, imperialistischen Westens. Xi könnte zudem die russische Invasion in der Ukraine als Testballon für seine Pläne für eine erzwungene Vereinigung der Insel Taiwan mit der Volksrepublik betrachten. Oder vielleicht möchte China Putin auch einfach nur stützen, um einen Unruheherd in direkter Nachbarschaft zu vermeiden.  

Klar ist, dass Xi und Putin nach ihrem Treffen im Februar, bei dem Putin als Ehrengast der Olympischen Winterspiele in Peking angereist war, ein gemeinsames Statement veröffentlicht haben, indem sie bekräftigen „[…] dass die neuen zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Russland und China den politischen und militärischen Allianzen aus der Zeit des Kalten Krieges überlegen sind. Die Freundschaft zwischen den beiden Staaten hat keine Grenzen, es gibt keine "verbotenen" Bereiche der Zusammenarbeit […]“. Wie weit diese „grenzenlose Freundschaft“ tatsächlich geht, und was die „Zusammenarbeit ohne verbotene Bereiche“ alles beinhaltet, das werden die nächsten Wochen zeigen. Die jüngsten Entwicklungen lassen schlimmes erahnen.