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Menschenrechte in Gefahr: Georgiens demokratische Zukunft steht auf dem Spiel

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Landesweite Proteste in Georgien

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Pavel Bednyakov

Katrin Bannach im Gespräch am 17. März. Jetzt anmelden!

In Georgien liegt Aufruhr in der Luft. Seit dem 28. November 2024 demonstrieren täglich Menschen gegen den Kurswechsel des Landes. An diesem Datum kündigte de-facto Premierminister Irakli Kobakhidze an, dass Georgien die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU bis Ende 2028 aussetzen und das Land auf jegliche Budgetzuschüsse der EU verzichten werde. Die Demonstranten werfen der Regierung vor, sich von europäischen Werten und demokratischen Prinzipien zu entfernen und stattdessen eine autoritäre Politik nach russischem Vorbild zu verfolgen.

Wer sich gegen die Regierung stellt, riskiert Verhaftung, Misshandlung, Haft oder eine hohe Geldstrafe. Die von der FNF veröffentlichten Berichte der Anwälte von Verhafteten legen ein trauriges Zeugnis über den Missbrauch staatlicher Gewalt ab. Journalisten, Aktivisten und Oppositionelle geraten zunehmend ins Visier des Regierungsapparates. Sie bekommen reihenweise Vorladungen vor Gericht. Manche werden von maskierten Polizisten auf offener Straße verschleppt.

Die Lage erinnert an die dunklen Zeiten Anfang der 90er Jahre, als Georgien nach dem Zerfall der Sowjetunion in politischer Instabilität versank. Es war eine Zeit, die von bewaffneten Konflikten und wirtschaftlichem Niedergang geprägt war. Heute geht es um nicht weniger als die Zukunft eines Landes, das einst den Weg nach Europa eingeschlagen hatte.

„Lass sie [sich] in die Hose machen" – diese zynischen Worte stammen vom Polizeichef von Batumi und richteten sich am 12. Januar an die inhaftierte Journalistin Mzia Amaghlobeli. Sie ist Gründerin der unabhängigen Medienplattformen Batumelebi und „Netgazeti und seit einem wohl inszenierten Zwischenfall mit der Polizei politische Gefangene. Mzia Amaghlobeli wird vorgeworfen, den Polizeichef von Batumi geschlagen zu haben. Dieses Ereignis führte zu ihrer Inhaftierung und einer Anklage, die eine Haftstrafe von vier bis sieben Jahre vorsieht. Dieser Fall ist kein Einzelfall, sondern steht stellvertretend für die zunehmende Repression in Georgien gegen Demonstranten, Journalisten und Oppositionelle. Aus Protest gegen die Ungerechtigkeit griff Amaghlobeli für 37 Tage zur extremsten Form des Widerstands, dem Hungerstreik. Am 4. März begann vor dem Stadtgericht Batumi der Prozess gegen sie. Der Richter entschied, dass sie in Haft bleiben muss.

Gesetzesverschärfungen bedrohen Bürgerrechte

Im Jahr 2024 verabschiedete die georgische Regierung Gesetze, die die demokratische Entwicklung des Landes ernsthaft infrage stellen. Dazu gehören das „Gesetz über die Transparenz ausländischen Einflusses“, das zur Stigmatisierung von NGOs und unabhängigen Medien genutzt wird. Es erinnert an das russische "Agentengesetz", das zur systematischen Unterdrückung der Zivilgesellschaft geführt hat.

Dieses sogenannte Agentengesetz wird bis heute nur teilweise umgesetzt. Für viele Stiftungspartner, die auf internationale Finanzierung angewiesen sind oder sich für demokratische Werte einsetzen, bedeutet es gleichwohl, dass sie momentan in einer rechtlichen Grauzone operieren. Am 24. Februar gab es jetzt einen Neuaufschlag: Die de-facto Regierung brachte einen Gesetzentwurf mit dem Titel „Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten“ ins Parlament ein: Noch ist es eine wortwörtliche Übersetzung des in den USA geltenden FARA-Gesetzes, auch bekannt als das Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten (Foreign Agents Registration Act).

FARA wurde 1938 in den USA als Reaktion auf die wachsende Propaganda aus dem Ausland verabschiedet, insbesondere aus Nazi-Deutschland. In den letzten Jahren gab es verstärkt Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen FARA, insbesondere im Zusammenhang mit russischem und chinesischem Einfluss sowie bei politischen Beratern und Lobbyisten. FARA richtet sich also gegen ausländischen Einfluss aus Ländern, die als politische Konkurrenten oder Feinde gelten. Die georgische de-facto Regierung will es gegen westliche Förderer von Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien einsetzen. Das zeigt, in wem sie ihre Feinde sehen. 

Die georgische de-facto-Regierung argumentiert, dass niemand etwas gegen die Einführung eines in den USA geltenden Gesetzes haben könne. Doch ist der Kontext in Georgien ein anderer: Der Anwendungsbereich von FARA in den USA wird durch seit Jahrzehnten angewandte Rechtsprechung erheblich eingeschränkt. Deshalb beeinträchtigt es die Arbeit von institutionell unabhängigen Medien und NGOs dort nicht. Im Rechtssystem Georgiens wäre der Geltungsbereich von FARA nicht auf diese Weise eingeschränkt. Oppositionspolitiker befürchten deshalb zu Recht, dass die Regierung dieses Gesetz zu repressiven Zwecken einsetzen wird. Denn gleichzeitig wurde eine Änderung im Strafgesetzbuch vorgenommen, die bei Verstößen gegen das neue Agentengesetz bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe vorsieht.

Letztes Jahr wurde auch das Gesetz zum „Schutz familiärer Werte und Minderjähriger verabschiedet“: Dieses Gesetz schränkt LGBTIQ+-Rechte drastisch ein und legitimiert Hasspropaganda.

Seit Anfang 2025 versucht de-facto Regierung die anhaltenden Proteste mit Hilfe weiterer repressiver Gesetze zu bekämpfen. Die am 6. Februar beschlossenen Änderungen des Gesetzes über Versammlungen und Demonstrationen beschneiden die freie Meinungsäußerung erheblich. So erhalten beispielsweise Demonstranten bei den allabendlichen Kundgebungen vor dem Parlament wegen der „Blockade strategischer Objekte“ zum Teil mehrfach hohe Geldstrafen.

Auch die Rundfunkgesetze werden geändert und werden die Pressefreiheit weiter erheblich einschränken. Dabei möchte die Regierung selbst bestimmen, was als objektive Berichterstattung gilt und welche journalistischen Ethikstandards angewendet werden. So soll es z.B. verboten werden, Regierungshandeln zu kommentieren, wenn keine Regierungsvertreter anwesend sind. Damit wird de facto die staatlichen Kommunikations-Kommission zur Zensurbehörde. Zudem soll die „ausländische Finanzierung“ von Medien verboten werden.

Diese Gesetze zielen darauf ab, die Zivilgesellschaft zu schwächen, die Pressefreiheit einzuschränken und oppositionelle Stimmen zum Schweigen zu bringen. Statt den Weg in die EU zu ermöglichen, dürften diese Gesetze Georgien endgültig von diesem Ziel abbringen. Die aktuellen Entwicklungen werfen die beunruhigende Frage auf: Wird Georgien das nächste Belarus oder Aserbaidschan? In diesen ehemaligen Sowjetrepubliken herrschen heute autoritäre Regime, politische Repressionen sind an der Tagesordnung, und die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt. Doch die unermüdlichen Proteste der Bevölkerung, die entschlossen ist, für Freiheit, Gerechtigkeit und die europäische Zukunft des Landes zu kämpfen, sowie die anhaltende Unterstützung der internationalen Partner lassen hoffen, dass der Kampf für die Demokratie in Georgien noch nicht verloren ist.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
Leiter Kommunikation, Pressesprecher
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