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Wirtschaft
Südasiens Teeindustrie post-COVID-19

Tea plantation with worker
Tea plucking in a plantation © nomadsoulphotos canva

Südasien und Tee sind untrennbar miteinander verbunden. Die Anbauregionen im indischen Darjeeling, Assam und Nilgiri bzw. Ceylon Tea aus Sri Lanka sind bekannt für einzigartige Aromen, hohe Qualität und besonderen Geschmack. Indien und Sri Lanka zählen zu den weltweit größten Teeproduzenten und Teekonsumenten, Pakistan ist der weltgrößte Tee-Importeur. Während 80% der indischen Teeproduktion auch innerhalb Indiens verbraucht wird, ist Sri Lanka nach Kenia und China der weltgrößte Tee-Exporteur. 11% der Gesamtexporte bzw. 2% des Bruttosozialprodukts Sri Lankas ist Tee.

Tee ist nach Wasser das am meisten konsumierte Getränk. Der weltweite Konsum steigt und Schätzungen gehen je nach Teesorte von einem jährlichen Umsatzwachstum von ca. 5-10% bis zum Jahr 2025 aus. Befeuert wird der steigende Verbrauch durch Forschungen und Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Vorzügen des Teetrinkens. Vor allem in den Regionen Asien-Pazifik, Nordamerika und Europa wächst die Anhängerschaft. Einerseits favorisiert eine finanziell starke und gesundheitsbewusste jüngere Bevölkerung in Nordamerika und Europa Tee gegenüber anderen Genussmitteln, aber auch in den teilweise wirtschaftlich viel schwächeren Regionen Asiens ist Tee das Getränk der Wahl.

Social Media Poster for tea industry business dialogue
Restart Asian Economies: Ideas and Action for Tea Industry © FNF South Asia

In einer Veranstaltung in der Serie Restart Asian Economies diskutierten Dilhan C. Fernando, CEO, Dilmah Tea, Sri Lanka, und Rudra Chatterjee, Geschäftsführer, Luxmi Tea, Indien, die immense wirtschaftliche Bedeutung der Tee-Industrie für die Länder in der Region Südasien. Die indische Teebranche beschäftigt ca. 3,5 Millionen Menschen, der Großteil hiervon sind Frauen. Fast 5% der gesamten Bevölkerung Sri Lankas arbeitet in der Tee-Industrie. Mit COVID-19 ist 2020 der Tee-Export aus Indien und Sri Lanka jedoch stark eingebrochen und um jeweils fast ein Fünftel im Vergleich zu den Vorjahren gesunken. Der monatelange nationale Lockdown in Indien begann zeitgleich mit der ersten Ernte des Jahres, dem sogenannten First Flush, in Darjeeling und Assam. Darjeeling – aber auch Nepal – waren hierbei besonders betroffen, da 40% der jährlichen Einnahmen aus der ersten Ernte stammen und somit komplett verlorengingen. Assams Teebauern hatten den Vorteil, dass in Assam der Second Flush wirtschaftlich bedeutsamer ist. Jedoch war auch vom Second Flush nur ca. die Hälfte der Ernte verwertbar. Die Regierung Sri Lankas erklärte die einheimische Tee-Industrie zu einer essentiellen Branche und so konnte die in Sri Lanka klimatisch bedingte kontinuierliche Ernte - alle 7 bis 14 Tage - fortgesetzt werden.

COVID-19 hat das Leben der Menschen in der südasiatischen Teeindustrie grundlegend verändert. Neu ist die enge Verzahnung mit Telekommunikation und Digitalisierung. Nur mittels Technologie war es während der Lockdowns möglich, den Mitarbeitern die Lohnfortzahlung zu sichern und in Kontakt zu bleiben. Die Teepflücker verbringen ihr gesamtes Leben auf den Plantagen und sind relativ abgeschottet von der Außenwelt. Trotzdem waren die Familien, die komplett vom Arbeitgeber und den Tee-Ernten abhängen, verunsichert. Während der Lockdowns organisierten die Arbeitgeber alle Lebensmittellieferungen und Besuche von Ärzten.

Unternehmer und Manager treffen jetzt Entscheidungen mittels Videokonferenzen und Konferenzschaltungen – das ist jedoch in der Teebranche auch schwierig, da man die Qualität der Ernten nicht riechen, fühlen oder schmecken kann. Eine wichtige Neuerung und Verbesserung sind e-Auktionen für die Tee-Ernten, die es seit mehreren Jahren bereits gab, die sich aber jetzt erst durchsetzen können. Unternehmer betonen die ungewöhnliche Situation, in der die Tee-Produktion fortgesetzt ist, Nachfrage besteht, aber die Logistik schwierig ist. Ein Problem ist bspw. der Anstieg der Frachtkosten und die Nichtverfügbarkeit von Containern. Nach Unternehmeraussagen hingen und hängen Container fest und es ist teilweise sogar schwierig sie zu lokalisieren.

Durch die Lockdowns weltweit erhöhte sich die Nachfrage und verdoppelte sich sogar in manchen Ländern. COVID-19 hat die Konsumenten dazu gebracht, über Tee und seine gesundheitlichen Auswirkungen nachzudenken. Die Menschen haben die Kunst des Teekochens entdeckt und kaufen Tee online. Die beiden Experten in der Veranstaltung der Naumann-Stiftung betonen, dass es allgemein seit vielen Jahren ein großes Angebot an mittelmäßigem Tee auf dem Markt gibt und dass die meisten Menschen keinen Unterschied schmecken. Neue Regionen und Plantagen sind entstanden, vor allem in Afrika. Die Anbauflächen in Kenia weisen ein hohes Wachstum auf. Seit mehreren Jahren gibt es weltweit jedoch eine Discount- und Deal-Kultur. Der Preis bestimmt die Kaufentscheidung. Es ist ein täglicher Kampf, qualitativ hochwertigen Tee zu verkaufen, da die Einhaltung ethischer Standards und Umweltschutzbedingungen bei der Produktion hohe Kosten verursachen. Die Käufer fordern Charakter, Geschmack, Aroma, Vielfalt, aber schauen letztendlich auf den Preis.

Eine Besonderheit in der Teebranche ist weiterhin, dass die Produzenten vielfach keine eigenen Marken besitzen, sondern ihren Tee an größere Unternehmen verkaufen. Dies erschwert die Vermarktung und PR. Die Produzenten qualitativ hochwertiger Tees können dies nicht an den Endverbraucher kommunizieren, da sie von den Aufkäufen der Teemarken abhängen.

Eine weitere Schwierigkeit und nichttarifäres Handelshemmnis für die südasiatischen Teeproduzenten sind die vorgeschriebenen Standards und Qualität-Tests in den Abnehmerländern. Für die Einfuhr von Lebensmitteln nach Deutschland gelten nationale und EU-weite Vorschriften. Der deutsche Importeur haftet in vollem Umfang für die Verkehrsfähigkeit der eingeführten Produkte und somit erfolgen durch den Importeur kontinuierliche Qualitätstests in speziellen Laboren in Deutschland, mithin eine hohe Marktbarriere für kleinere Teeproduzenten. Die Produzenten befürworten, dass entsprechende Testlabore in Indien oder in Sri Lanka geschaffen werden, um den Export zu vereinfachen. Die lokalen Hersteller haben nicht die erforderlichen Kapazitäten um zu testen ob der Tee den Standards des jeweiligen Abnehmerlandes genügt. Die zu schaffenden Testlabore müssen jedoch sicher und nachhaltig sein.

Die lebhafte Expertendiskussion in der Naumann-Veranstaltung hat die besondere Bedeutung der Teebranche aufgezeigt. COVID-19 hat sehr spezielle und schwierige Herausforderungen verursacht, aber gleichzeitig eine höhere Nachfrage und vielleicht auch ein höheres Qualitätsverständnis bei den Konsumenten erzeugt.