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Restart 21
Messen melden sich zurück

OBD Social Media Poster
OBD Social Media Poster © FNF South Asia

Nach einem Stillstand von fast 15 Monaten mit kurzer Unterbrechung im Herbst 2020 finden jetzt wieder weltweit verstärkt Messen statt. Kaum eine Branche war so abrupt und stark betroffen von der Corona-Pandemie. International anerkannte Experten diskutierten Anfang Oktober 2021 bei der Veranstaltung „Restart Asian Economies: The Comeback of Trade Fairs in South Asia“ über die aktuelle Situation der weltweiten Messebranche und gaben auch einen Ausblick auf die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Auf die herausragende Bedeutung von internationalen Messen wies Jochen Witt hin. „Diese Events bringen nicht nur Angebot und Nachfrage zusammen“, sagte der Präsident der JWC GmbH, einer auf die Messewirtschaft spezialisierten deutschen Management Consultingfirma. Auf diesen Veranstaltungen könne die Industrie mit Innovationen ihre Leistungsstärke und ihre Effizienz demonstrieren. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Länder, die sich zunächst abgeschottet und dann doch für internationale Messen geöffnet hätten, von diesem Schritt profitierten. „Die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie ist durch die externen Impulse gestiegen“, so Witt, der bis zum Jahr 2007 die Koelnmesse als CEO geführt hatte. Die Veranstaltungen böten zudem eine exzellente Möglichkeit, um Partnerschaften zwischen regionalen und internationalen Playern zu schließen, etwa im Vertrieb oder in der Produktion. Last but not least würden Hotellerie, Gastronomie, Transportgewerbe, Handel sowie Handwerk von einer florierenden Messewirtschaft indirekt enorm profitieren.

Welche Bedeutung Regierungen der Messewirtschaft für die eigene wirtschaftliche Entwicklung beimessen, verdeutliche Witt am Beispiel von China. Dort würden aktuell 3,3 Millionen Quadratmeter neue Ausstellungsflächen errichtet, das seien mehr als die aktuell gesamte deutsche Fläche. Ob digitale Events eine dauerhafte Alternative sein könnten? Da musste der Experte aus Deutschland nicht lange überlegen. „Virtuelle Formate sind kein Ersatz für Live-Messen.“ Wenn sich viele Beteiligte miteinander austauschen wollten, sei Präsenz unerlässlich.

In Indien würden sich die Messen aktuell als Präsenz-Formate zurückmelden, beobachtet Sambit Kumar Mund, Senior General Manager bei der Hyderabad International Trade Expositions Ltd.. Bei den Konferenzen jedoch würden sich hybride Formate durchsetzen, an denen Sprecher aus der ganzen Welt teilnehmen könnten. In Hyderabad habe man bei den Messen aktuell die Hälfte des Vor-Corona-Volumens erreicht, noch dominierten aber inländische Aussteller und Besucher.

Die Pandemie habe den Menschen gezeigt, dass sie nicht mehr bei jedem Event physisch präsent sein müssten, unterstrich Witt. Gleichzeitig hätten die Airlines ihre Kapazitäten drastisch reduziert und noch sei gar nicht klar, ob überhaupt bei den Geschäftsreisenden wieder das Vorkrisenniveau erreicht werde. Witt glaubt zwar an eine langsame Erholung der Messewirtschaft, diese werde sich aber nur graduell einstellen und dann abhängig von der Branche und der Region. Zunächst würden sich wegen der noch geltenden Reiseeinschränkungen die inländischen Formate erholen. Die Zeit der großen globalen Messen ist aus Sicht Witts jedoch vorbei. „Der Trend geht zu regionalen und kontinentalen Formaten. Und die Unternehmen werden stärker selektieren, an welchen Events sie teilnehmen wollen.“

Zu den großen Herausforderungen werde es künftig zählen, wie die Messewirtschaft noch besser einen messbaren Mehrwert für Aussteller und Besucher schaffen können. Um das Messegeschäft wiederzubeleben, komme man den Ausstellern aktuell bei den Standgebühren entgegen, berichtet Sambit Kumar Mund aus Indien. Es werde auch experimentiert, indem zum Beispiel nur lokale Mitarbeiter eines Ausstellers vor Ort bei einer Messe präsent seien. Kunden, die mit Führungskräften des Unternehmens sprechen wollten, könnten dafür auf der Messe digitale Tools nutzen. 

Für ihn sei, so Witt, eine Messe immer physisch und niemals rein digital. Aber man könne die Erreichbarkeit einer Messe natürlich durch digitale Tools ergänzen und so einen USP für Aussteller und Besucher schaffen. Das Highlight bleibe die Messe, die zum Beispiel einmal im Jahr stattfindet. Daneben würden auf weiteren kleineren Events, vor Ort oder virtuell, zusätzliche Inhalte geliefert. „So kann man neue Zielgruppen akquirieren und die mittelfristig als Folge der Pandemie noch zu erwartenden Verluste kompensieren.“

Sambit Kumar Mund unterstrich zudem, wie wichtig es sei, die erforderlichen Sicherheits- und Hygienevorschriften strikt einzuhalten. „Eine Messe darf sich keinesfalls zu einem Corona-Hotspot entwickeln. Sonst wäre die Erholung der Messewirtschaft sofort dahin.“ Bislang sei das in Indien geglückt.

Wie sich Branchen, die wie etwa die Automobilindustrie sehr stark von haptischen Erlebnissen während einer Show leben würden, in Zeiten des Abstands attraktiv präsentieren können, wollte Moderator Waqar Rizvi wissen. Aus Sicht von Witt ist das kein Problem. Die geltenden 2-G- bzw. 3-G-Regeln kombiniert mit den Sicherheits- und Hygienekonzepten vor Ort würden einen normalen Verlauf einer Show ermöglichen. Das habe der jüngste Caravan Salon, die weltgrößte Messe für Camping und Caravaning, in Düsseldorf bewiesen. Mit 185.000 Besuchern seien die Erwartungen der Veranstalter sogar übertroffen worden.

Wie Sambit Kumar Mund treibt auch Witt das Thema Kosten um. Es könne nicht angehen, dass ein Aussteller auf hohen Kosten sitzenbleibe, wenn die Messe plötzlich abgesagt werde, nachdem das Unternehmen aber bereits in den Stand kräftig investiert habe. Eine mögliche Lösung: In Italien habe eine Messe Standard-Ausstellungsstände bereitgestellt. Für den Fall einer Absage hätten die Aussteller keine oder nur geringe Voraufwendungen für den Messeauftritt gehabt.

Bleibt als große Herausforderung noch ein massives Personalproblem. Denn zahlreiche Mitarbeiter haben sich während der Pandemie andere Jobs suchen müssen. Das gilt für das Kerngeschäft, aber auch für die Dienstleister, die dafür sorgen, dass eine Messe erfolgreich durchgeführt werden kann. Die Beschäftigten müssen die Organisatoren jetzt zurückholen oder neu gewinnen.