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Mali
Wagner-Söldner mischen in Mali mit

Lage im Land unübersichtlich
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Timbuktu, Mali. The Tuareg Rebellion of 2012 was an early stage of the Northern Mali conflict; from January to April 2012. © Shutterstock


Der Bundestag entscheidet demnächst, ob die Bundeswehr in Mali bleibt. Im Interview mit der Volksstimme analysiert der Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Westafrika die aktuelle Sicherheitslage und die Rolle Deutschlands in der Konfliktregion.
 

Volksstimme: Laut Mandat unterstützt die Bundeswehr die Missionen von UN und EU in Mali mit bis zu 1100 Soldaten. Mit welchem Erfolg?

Jo Holden: Auf den ersten Blick – und anhand der jetzigen Lage – ist es schwer als Erfolg auszumachen. Warnen will ich aber vor der pauschalen Aussage, dass dies alles gar nichts bringt. Wir müssen differenzieren: Die Bundeswehrsoldaten sind dort im Rahmen der UN-Stabilisierungsmission Minusma, die es seit 2013 gibt. Das ist zu trennen von den aktuellen Problemen der malischen Politik, mit ihren zwei Militärputschen 2020 und 2021. Auch wenn die Lage aus militärischer Sicht nicht erbaulich ist, müsste man die Gegenfrage stellen: Wo wäre Mali, wenn es die UN-Mission nicht gäbe? Das Land würde sicherheitsmäßig wahrscheinlich noch schlechter dastehen, eventuell wäre es auch ganz auseinandergefallen – mit Konsequenzen, die weit über die Region hinausgehen würden.

Was bedeutet die Sperrung von Bundeswehr-Flügen durch Malis Militärregierung für den Einsatz?

Diese Reaktion der malischen Militärs macht die ehedem verfahrene politische Lage natürlich noch schwieriger. Die Militärs sind international isoliert, sie versuchen nun innenpolitisch die nationalistische Karte zu spielen. Dazu gehört, dass man mit solchen Aktionen wie der Sperrung des Luftraums in populistischer Weise die eigene Souveränität bezeugt. Wichtig ist, sich davon nicht provozieren zu lassen, sondern hier den Dialog zu suchen. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Aktion nicht vom malischen Volk ausgeht, sondern wir es mit einer zunehmend erratischen Militärregierung zu tun haben, die sich an die Macht geputscht hat und die über keinerlei demokratische Legitimität verfügt.

Was ist Deutschlands Rolle?

Es geht um einen Beitrag zur Stabilisierung und Friedenssicherung eines Landes, was wahrscheinlich sonst auseinanderfallen würde. Hinter der Frage zur Sinnhaftigkeit des Einsatzes in Mali steht aber die mehr übergeordnete Frage, ob Deutschland es sich leisten kann, in solchen Fällen immer den Kopf in den Sand zu stecken? Deutschland spricht von globaler Verantwortung für das Klima und Stärkung des Multilateralismus. Dazu gehört aber auch, weltweit Verantwortung bei Friedenssicherung mit zu übernehmen. Die Situation in Mali hat zudem unmittelbare Auswirkungen auf den ganzen Sahel und die EU-Nachbarländer des Mittelmeeres. Es ist immer sehr einfach zu sagen, diese Konflikte sind weit weg und sie gehen uns nichts an – aber wenn dann Staaten im Chaos versinken und es zu Flüchtlingsproblemen gewaltigen Ausmaßes kommt, sind wir auf einmal doch betroffen – nur ist es dann meistens zu spät, um noch präventiv tätig zu werden.

Wo sind denn konkrete Fortschritte in Mali?

Es wurde keine greifbare nationale Friedenslösung erreicht, das stimmt. Es gibt weiter terroristische Anschlage, und ethnische Gewalt vermischt sich mit einfachem Banditentum. Die Sicherheitslage hat sich nicht so extrem verschlechtert, dass das Land vor dem militärischen Kollaps steht, aber sie hat sich sicherlich auch nicht verbessert. Wahrscheinlich müssen wir es als Erfolg sehen, dass das Land nicht völlig auseinandergefallen ist. So minimalistisch dies anmutet, so ist es doch von extremer Bedeutung.

Die Waffen dürfen die deutschen Soldaten nur zur Selbstverteidigung einsetzen. Die Terroristen wird das freuen.

Die Bundeswehr hat ein UN-Mandat, das nicht sehr robust ist. Es dient der Sicherung und Überwachung und hat keinen Kampfauftrag. Man könnte sagen, das Mandat ist sehr schwach für die jetzige Lage in Mali. Dazu kommt der EU-Einsatz, an dem deutsche Soldaten beteiligt sind. Es ist eine reine Ausbildungsmission für die malische Armee.

Und wer kämpft gegen die Rebellen?

Für die multinationalen Truppen übernimmt seit der Abwicklung der französischen Operation Barkahne seit 2021 die Operation Takuba diese Rolle, eine multinationale militärische Task Force. Sie soll mit Kampftruppen die malische Armee im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen unterstützen. In der Task Force sind neben Frankreich, Truppen aus Dänemark, Schweden, Tschechien und Estland. Länder, die man vielleicht nicht so im Afrika-Einsatz erwartet. Aber es sind sehr aktive Spezialkräfte. Hinzu kommen Kräfte aus den G-5-Sahelstaaten. Deutschland stellt keine Truppen für Takuba.

Ein ziemlich bunt gemischtes Kontingent…

In der Tat, dazu kommt nun der Einsatz der russischen Söldnertruppe „Wagner“. Sie sind gerade erstmals in Zentral-Mali in Erscheinung getreten. Ihre Präsenz ist ein Schlag ins Gesicht der UN, und der Aufschrei der internationalen Gemeinschaft war groß. Über diese Wagner-Gruppe wird viel spekuliert: dass Moskau hier ein Standbein in Afrika aufbauen oder sich Rohstoffe in Mali sichern will. Ich teile diese Ansichten weniger, sondern sehe dies mehr als ein russisches Störmanöver, einfach, weil sich hier eine weitere Gelegenheit bot, den „Westen“ vorzuführen und die existierende multilaterale Ordnung in Frage zu stellen. In jedem Fall hat sich die malische Militärregierung mit dem Einkauf von Wagner international keinen Gefallen getan und sich nur noch weiter isoliert.

Wie reagieren die Nachbarstaaten?

Mali steht seit Anfang Januar unter harten Sanktionen der Ecowas, der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, und ist derzeit völlig abgeschlossen von den Nachbarstaaten. Wahlen erst in fünf Jahren abzuhalten, wie es die malischen Militärs vorgeschlagen hatten, konnte die Ecowas nicht akzeptieren. Mali ist hoch importabhängig und kann derartige Sanktionen nicht lange durchhalten. Neben der Schließung der Grenzen wurden auch die malischen Konten bei der westafrikanischen Zentralbank eingefroren. Der Staat kann jetzt bald seine Löhne nicht mehr bezahlen. Auch das wird für die malische Seite Grund genug sein, den Dialog wieder zu suchen. Das Ergebnis jeglicher Verhandlungen muss jedoch ein geordneter Übergang zu Wahlen und eine demokratisch legitimierte Regierung sein.

Bis zum 31. Mai muss der Bundestag über eine deutsche Mandatsverlängerung entscheiden. Bedenken gibt es in den Ampel-Parteien und der CDU, AfD und Linke sind klar dagegen. Womit rechnen Sie?

Ich persönlich hoffe, dass das Mandat verlängert wird. Die globale Verantwortung und der Multilateralismus, die wir uns in Deutschland gerne auf die Fahne schreiben, fordern uns auch selbst; besonders bei der Unterstützung einer UN-Friedensmission in einem Land wie Mali, dessen Stabilisierung von überregionalem Interesse ist. Es wäre aber vielleicht sinnvoll, den Einsatz zu überprüfen und möglicherweise anders zu gestalten, um ihn der veränderten Lage in Mali anzupassen.

Wann, denken Sie, könnte Mali stabilisiert sein?

Hier müssen wir einen langen Atem beweisen. Ein Zeithorizont unter zehn Jahren ist kaum vorstellbar. Dauerhafte Stabilität kann aber nur erreicht werden, wenn sich parallel zur Sicherheitslage die Lebensgrundlagen der Bevölkerung verbessern. Dies sind auch gewaltige entwicklungspolitische Herausforderungen, die sehr viel Zeit brauchen.

Das Interview, geführt von Steffen Honig, wurde erstmals am 25. Januar 2022 in der Volksstimme veröffentlicht und ist hier zu finden.