EN

Namibia
Trauer um die Gegenwart, Auseinandersetzung mit der Vergangenheit

Sargträger tragen den mit einer Flagge bedeckten Sarg des verstorbenen namibischen Präsidenten Hage Geingob während seiner Trauerfeier in Windhoek, Namibia

Sargträger tragen den mit einer Flagge bedeckten Sarg des verstorbenen namibischen Präsidenten Hage Geingob während seiner Trauerfeier in Windhoek, Namibia.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Esther Mbathera

Namibia trauert um seinen Präsidenten Hage Geingob, der Anfang Februar im Alter von 82 Jahren verstorben ist. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reiste nach Windhuk, um an den Trauerfeierlichkeiten für den Vater der Unabhängigkeit Namibias teilzunehmen. Namibia und Deutschland verbindet eine schwierige geschichtliche Vergangenheit.

Namibia trauert um seinen Präsidenten Hage Geingob, der am 4. Februar im Alter von 82 Jahren verstorben ist. Erst im Januar war seine Krebserkrankung öffentlich bekannt geworden.  Am vergangenen Samstag fand ein Staatsbegräbnis statt, das das Land in Trauer und Besinnung zusammenführte.

Unter den Trauergästen war auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der durch seinen Staatsbesuch die komplexe und verflochtene Geschichte zwischen den beiden Nationen unterstrich und eine direkte Verbindung zu Deutschlands kolonialer Vergangenheit – eine Zeit geprägt von Unterdrückung und Brutalität – herstellte.

Während Namibia den Verlust eines starken Staatsoberhauptes betrauert, schwebt über all dem die Frage: Wie können Deutschland und Namibia die dunklen Schatten der Vergangenheit anerkennen und gleichzeitig eine stärkere und gerechtere Partnerschaft aufbauen?

Namibias Präsident Hage G. Geingob, zweiter von links, wird von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei der Ankunft zu einem EU-Afrika-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel begrüßt,

Namibias Präsident Hage G. Geingob, zweiter von links, wird von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei der Ankunft zu einem EU-Afrika-Gipfel im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel begrüßt.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Olivier Hoslet

Der Kampf um Unabhängigkeit und der Traum von einem starken Namibia

Mit dem Tod von Hage Geingob verliert Namibia nicht nur seinen Präsidenten, sondern auch einen der wichtigsten Väter der Unabhängigkeit des Landes. Das Engagement des Unabhängigkeitskämpfers für seine Heimat prägte sein Leben und genauso wird er in Erinnerung bleiben. Als großer Staatsmann gestaltete er nach der Befreiung des Landes die namibische Verfassung maßgeblich mit und setzte sich unermüdlich für die Rechte der Unterdrückten ein.

Seit den 1960er Jahren war Geingob, der dem Stamm der Damara angehörte, in der SWAPO aktiv, der Partei, die seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1990 Namibia regiert. Im Unabhängigkeitskampf übernahm er führende Rollen innerhalb der Partei. 2014 wurde er mit seinem Traum von einem geeinten und wirtschaftsstarken Namibia zum dritten Präsidenten seit der Unabhängigkeit gewählt. Eine überwältigende Mehrheit von 87% der Stimmen spiegelte das große Vertrauen wider, das die Bevölkerung in ihn setzte. Im Jahr 2019 wurde er mit immer noch großer Mehrheit wiedergewählt.

Geingob sah zuletzt insbesondere in der Entwicklung und dem Ausbau von grünem Wasserstoff die Zukunft Namibias. Er trieb Kooperationen mit Deutschland und der EU voran, um das Land zu einem wichtigen Akteur in der globalen Energiewende zu machen und gleichzeitig Arbeitsplätze und Wohlstand für sein Volk zu schaffen. Denn trotz seiner Verdienste und seines hohen Ansehens musste Geingob in seiner zweiten Amtszeit Rückschläge hinnehmen. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die Misswirtschaft in einigen Bereichen der Regierung trüben sein Vermächtnis. Im Jahr 2021 kamen zudem Korruptionsvorwürfe gegen ihn selbst auf, die derzeit noch untersucht werden. Nichtsdestotrotz hat Hage Geingob Namibia zweifellos vorangebracht und wichtige Fortschritte wie beispielsweise Sozialprogramme für Ältere und die Förderung von erneuerbarer Energie erzielt.

Stabilität und Demokratie in Zeiten der Trauer

Unmittelbar nach dem Tod von Hage Geingob übernahm Vizepräsident Nangolo Mbumba bereits am Tag des Ablebens des Präsidenten gemäß der namibischen Verfassung die Regierungsgeschäfte. Er kündigte an, das Amt bis zum Ende der verbleibenden Amtszeit ausüben zu werden. Die Präsidentschaftswahl soll am 27. November dieses Jahres stattfinden. Die zügige Vereidigung Mbumbas am Todestag Geingobs unterstreicht, wie stabil und gefestigt die Demokratie Namibias ist.

Die dunklen Schatten der Kolonialherrschaft

Von 1884 bis 1915 war das heutige Namibia unter dem Namen Deutsch-Südwestafrika eine deutsche Kolonie. Diese Zeit war geprägt von brutaler Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt gegen die einheimische Bevölkerung, insbesondere gegen die Volksgruppen der Herero und Nama. Zwischen 1904 und 1908 begingen deutsche Kolonialtruppen systematische Gräueltaten an den Herero und Nama, die nach mehr als 100 Jahren durch die Bundesregierung endlich im Jahr 2021 als Völkermord anerkannt wurden. Zehntausende Menschen wurden getötet, vertrieben oder in Konzentrationslagern interniert, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen lebten.

Die deutsche Kolonialherrschaft hinterließ tiefe Spuren in Namibia. Die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Landes wurde stark gehemmt. Bis heute leiden die Nachkommen der Opfer unter den Folgen des Völkermords.

„Wir sind bereits weit gekommen, wollen jedoch noch weiter gehen“, betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Trauerrede und sprach damit die, aufgrund ihrer schwierigen Vergangenheit, komplexe Beziehung zwischen Deutschland und Namibia. Steinmeier würdigte insbesondere die Bereitschaft von Namibias ehemaligem Präsidenten Hage Geingob, Deutschland trotz allem, was in der Vergangenheit passiert war, „die Hand zu reichen“. Geingob habe auf Versöhnung und Zusammenarbeit gesetzt und damit viel zu den langwierigen Wiedergutmachungsverhandlungen zwischen beiden Ländern beigetragen.

Der steinige Weg der Versöhnung

„Der namibisch-deutsche Völkermordsfall muss aufgeklärt werden“, appellierte der namibische Oppositionsführer McHenry Venaani im Rahmen der Trauerfeier und forderte Steinmeier direkt auf, die Verhandlungen zwischen den beiden Staaten weiter zu verfolgen.

In den vergangenen Jahren haben sich Deutschland und Namibia um Versöhnung bemüht. Die Anerkennung des Völkermords durch die deutsche Bundesregierung war ein wichtiger Schritt in diesem Prozess. Im Zuge dessen wurde auch ein bis heute nicht unterschriebenes Abkommen als gemeinsame Erklärung verfasst. Deutschland verpflichtet sich in diesem Abkommen, insgesamt mehr als eine Milliarde Euro in ein Programm „zum Wiederaufbau und zur Entwicklung“ zu investieren. Das Abkommen vermied aber gezielt Entschädigungszahlungen an die betroffenen Völkergruppen. Die Mittel sollen primär in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama eingesetzt werden. Diese Vereinbarung stößt insbesondere bei der namibischen Zivilgesellschaft auf Kritik, da die Stämme der Herero und Nama durch diese Vereinbarung keine rechtlich bindenden Entschädigungsansprüche hätten. Seit letztem Jahr sind auch Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen in die Debatte involviert. Steinmeier schloss seine Rede mit den Worten, dass es „höchste Zeit“ sei, sich endlich beim namibischen Volk zu entschuldigen und dass er auf einen baldigen Abschluss der Verhandlungen hoffe.

 

Genesis Cleveland, LL.M. Berkely, arbeitet als Senior Consultant an Projekten im südlichen Afrika.