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Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt per Videokonferenz an einem außerordentlichen BRICS-Gipfel teil, während Chinas Präsident Xi Jinping auf dem Bildschirm zu sehen ist.

Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt per Videokonferenz an einem außerordentlichen BRICS-Gipfel teil, während Chinas Präsident Xi Jinping auf dem Bildschirm zu sehen ist.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mikhail Klimentyev

Die Erweiterungsrunde der BRICS-Gruppe Anfang des Jahres um fünf neue Mitgliedstaaten wirft Fragen nach den politischen und wirtschaftlichen Folgen auf. Was versprechen sich jeweils die bisherigen Mitglieder von der Erweiterung? Was die neuen? Was bedeutet die BRICS-Erweiterung für den Westen, und wie kann eine liberale Antwort hierauf aussehen?

Mit Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sind Anfang des Jahres fünf weitere Staaten dem BRICS-Bündnis beigetreten. Hierbei handelte es sich erst um die zweite Erweiterungsrunde nach Südafrika 2010. Das Bündnis wurde 2009 von den namensgebenden Ländern Brasilien, Russland, Indien und China gegründet.

Die BRICS-Gruppe umfasst nun knapp 46 Prozent der Weltbevölkerung (wobei alleine China und Indien einen Anteil von 86% an BRICS haben) sowie 36 Prozent des globalen BIP (davon alleine China 65% an BRICS) und 25 Prozent des Welthandels, gemessen an den Exporten. Die neuen Mitglieder verstärken damit die bereits dominante Rolle als Lieferanten im Energie- und Rohstoffbereich, insbesondere bei Erdöl, Magnesium, Graphit. Diese globale Bedeutung der BRICS-Gruppe dürfte künftig noch zunehmen: So haben rund 30 weitere Staaten ein Interesse an einem Beitritt bekundet.

BRICS nicht beigetreten ist Argentinien. Das Land hatte sich beim Gipfel im August 2023 in Johannesburg ebenfalls noch um eine Mitgliedschaft beworben. Als eine seiner ersten Amtshandlungen zog der neue Präsident Javier Milei den Antrag zurück. Dieser Rückzug Argentiniens entsprach der neuen außenpolitischen Zielsetzung, die unter dem bisherigen Präsidenten Alberto Fernández gewachsene finanzpolitische und wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren und nicht mit Russland zu kooperieren, nachdem sich Javier Milei wiederholt und eindeutig auf Seiten der Ukraine positioniert hat.

Der argentinische Präsident Alberto Angel Fernandez ist auf einem Bildschirm zu sehen, als er am Donnerstag, den 24. August 2023, in Johannesburg, Südafrika, vor dem 15. BRICS-Gipfel spricht.

Der argentinische Präsident Alberto Angel Fernandez ist auf einem Bildschirm zu sehen, als er am Donnerstag, den 24. August 2023, in Johannesburg, Südafrika, vor dem 15. BRICS-Gipfel spricht.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Kim Lubrook

Im Folgenden wollen wir beleuchten, welche Erwartungshaltung die bisherigen und neuen Mitgliedstaaten an BRICS jeweils haben. Anschließend soll dargestellt werden, welche Gemeinsamkeiten und Differenzen sich hieraus ergeben, was dies für den Westen und seine politische und wirtschaftliche Positionierung bedeutet und welche Handlungsempfehlungen sich aus liberaler Perspektive ergeben.

BRICS
© picture alliance/dpa | Sergei Bobylev

Was versprechen sich die bisherigen Mitgliedstaaten von BRICS?

Brasilien

Brasilien, unter Führung von Präsident Lula da Silva, will BRICS primär als Plattform für die Bündelung der Interessen des „globalen Südens“ nutzen. Dadurch soll insbesondere in den Vereinten Nationen und den Bretton Woods-Institutionen Weltbank und IWF der Einfluss Brasiliens und seiner Partner gestärkt werden. Diese Zielsetzung hat da Silva mit seiner Reise Mitte Februar in die beiden neuen afrikanischen BRICS-Mitgliedstaaten Ägypten und Äthiopien, einschließlich eines Treffens am Sitz der Arabischen Liga in Kairo und einer Rede bei der Afrikanischen Union in Addis Abeba, unterstrichen. Sie passt ebenfalls zur brasilianischen Agenda der G20-Präsidentschaft, die das Land in diesem Jahr zum ersten Mal innehat und als Sprecherrolle der Interessen des „globalen Südens“ nutzen will. Eine Reform der globalen Governance und eine stärkere Mitsprache und institutionelle Vertretung der Interessen des „globalen Südens“ stehen ganz oben auf der Prioritätenliste für den G20-Gipfel im November in Rio de Janeiro.

Zudem will Brasilien wirtschaftspolitisch engere bilaterale Beziehungen zu anderen BRICS-Staaten knüpfen, sowohl für Investitionen in Brasilien (insbesondere aus China), als auch für die Sicherung von Absatzmärkten, zum Beispiel für landwirtschaftliche Maschinen in Afrika. Brasilien verspricht sich von BRICS auch neue Finanzierungslösungen. So verfügt die BRICS-Gruppe seit 2015 mit der New Development Bank mit Sitz in Shanghai über eine eigene Entwicklungsbank, geleitet von Dilma Rousseff, die von 2011-2016 brasilianische Präsidentin und zuvor bereits da Silvas Stabschefin war.

Hingegen verfolgt Brasilien mit BRICS ausdrücklich nicht das Ziel, sich von den Vereinigten Staaten und Europa abzugrenzen. Im Gegenteil sieht Brasilien BRICS als Teil der Lösung seiner Diversifizierungsstrategie und Offenheit in alle Richtungen. So ist das Land bestrebt, seine Bedeutung als größtes und wirtschaftsstärkstes Land Südamerikas, seinen Ressourcenreichtum und seine klimapolitische Bedeutung auch für einen stärkeren politischen Einfluss auf die Vereinigten Staaten und Europa zu nutzen.

 

Russland

Russland hat in diesem Jahr die BRICS-Präsidentschaft inne, und so lädt Präsident Putin im Oktober zum Gipfel nach Kasan ein.

Russland verfolgt mit der BRICS-Mitgliedschaft zwei strategische Leitziele, die beide das Potenzial haben, die bisherige, vom Westen dominierte Weltordnung empfindlich zu treffen. Einerseits geht es dem Kreml darum, nach dem Ausfall Europas als Hauptabnehmer des einzigen marktfähigen russischen Exportartikels, nämlich fossiler Energie in Form von Erdgas und Erdöl, neue Absatzquellen zu erschließen. Mit Blick auf China und Indien hat Wladimir Putin auf diesem Weg auch bereits signifikante Abnehmer gewonnen. Wenig zielführend dürfte es seitens des Westens sein, an China und Indien als größte aufstrebende Schwellenindustrieländern des Ostens deswegen Appelle zu richten, keine Energie von Russland zu importieren. Im Vordergrund stehen für beide Länder wirtschaftliche Interessen. Immer noch stehen beide vor der Aufgabe, Millionen von Menschen aus bitterer Armut zu befreien. Der Aufstieg in die Mittelklasse ist auch in Asien, wie zuvor in den westlichen Industriestaaten, bislang untrennbar mit einem größeren Energiebedarf verbunden.

Noch wichtiger als Absatzpolitik ist dem Kreml andererseits aber im geopolitischen Systemwettbewerb die Chance, sich als BRICS-Führungsmacht zum Gegenpol des Westens aufzuschwingen und sich als Anwalt des „globalen Südens“ mit – aus Sicht des Kreml – moralischer Legitimation aufzuladen. Offenbar hat Putin erkannt, dass sein Überfall auf die Ukraine weltweit Fragen über die moralische Integrität des russischen Herrschaftsmodells hat aufkommen lassen. So macht sich Russland aufkommende Konflikte wie den zwischen Israel und Hamas oder die prekäre Situation in der Sahel-Zone zu Nutze, um sich durch Desinformation und Propaganda als Anwalt des „armen Südens“ gegen den „westlichen Kapitalismus“ zu profilieren. Dies gelingt umso leichter, da auch mancher andere BRICS-Mitgliedstaat keineswegs von lupenreinen Demokraten, sondern ebenfalls autokratisch, geführt wird. Russland erzielt unstrittig Erfolge in seiner Propagandaoffensive, den weltweiten Konflikt zwischen Autokratie und Demokratie in einen Konflikt zwischen Süd und Nord umzumünzen, in dem der (westliche) Norden – so das Narrativ des Kreml – nicht etwa Hort von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten ist, sondern vermeintlicher „Unterdrücker“ der Bevölkerungsmehrheit auf dem Planeten.

 

Indien

Die Interessen Indiens an BRICS sind so vielfältig wie ihre Mitgliedschaften in internationalen Institutionen. Indiens Perspektive auf BRICS ist geprägt von einem sogenannten „Multi-Alignment“, also einer außen- und sicherheitspolitischen Perspektive, die sich nicht strikt einem einzigen geopolitischen Machtzentrum anschließt, sondern sich durch Partizipation in verschieden geführten Foren auszeichnet. Hierbei steht das „Multi-Alignment“ der Modi-Regierung in Anlehnung an die indische Politik des „Non-Alignment“ des Ost-West-Konfliktes.

Die Politik des „Multi-Alignments“ gibt Indien die Chance, verschiedene außenpolitische Rollen einzunehmen und somit verschiedene Strategien zu verfolgen. Innerhalb der BRICS-Gruppe findet dies Ausdruck in Indiens Anspruch, ein Gegengewicht zu Russland und China darzustellen und folglich diesen Machtblock politisch und ökonomisch auszubalancieren, um damit dessen Einfluss einzudämmen. Dieser Balanceakt spiegelt sich innerhalb von BRICS wider in Konfrontation zu China, insbesondere im „globalen Süden“. Hier streiten Indien und China um die Gunst verschiedener Entwicklungsländer, wobei Indiens Selbstanspruch als Führungsmacht des „globalen Südens“ bisher nicht erfüllt wurde.

Der Charakter des indischen Multi-Alignments zeigt sich darüber hinaus in Indiens Rolle als Brückenbauer zum Westen innerhalb von BRICS. So ist Indien als Mitglied des Quadrilateral Security Dialogues ein enger Partner der USA, Japans und Australiens im indo-pazifischen Raum und setzt sich zum Ziel, den steigenden Einfluss Chinas im Indo-Pazifik zu begrenzen. Indien sieht China als latente Bedrohung, nicht als echten Verbündeten. Die divergierenden Interessen der BRICS-Mitgliedstaaten – etwa zwischen Rohstoffproduzenten und Rohstoffimporteuren wie Indien und China – werfen letztendlich die Frage auf, inwiefern die BRICS-Staaten überhaupt ausreichende Mittel und Ressourcen haben, um ein kollektives Interesse mit gemeinsamen Kapazitäten zu verfolgen. Das aktuell bereits konfliktgeprägte Interessengefüge wird durch die jüngste Erweiterungsrunde voraussichtlich noch stärker werden. Indien unterstützte hierbei den Beitritt aller neuen Mitglieder, insbesondere jedoch den Beitritt der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens. So betonte Premierminister Narendra Modi auf dem BRICS-Gipfel im August 2023, die Expansion und Modernisierung der BRICS sei ein Zeichen dafür, dass sich die Institutionen der Welt an den Wandel der Zeit gewöhnen müssen.
 

Der indische Premierminister Narendra Modi nimmt an einer Pressekonferenz im Rahmen des 15. BRICS-Gipfels im Sandton Convention Centre teil.

Der indische Premierminister Narendra Modi nimmt an einer Pressekonferenz im Rahmen des 15. BRICS-Gipfels im Sandton Convention Centre teil.

© picture alliance/dpa | Sergei Bobylev

China

Peking dominiert BRICS. Zwar ist China seit kurzem nicht mehr das bevölkerungsreichste, aber mit Abstand das wirtschaftlich stärkste Land der BRICS-Gruppe. Die chinesische Volkswirtschaft ist größer als die von Russland, Indien, Südafrika und Brasilien zusammen. Auch auf der internationalen Bühne hat China mit Abstand das größte Gewicht. Die Dominanz Chinas innerhalb der Gruppe hat sich durch die Erweiterung nicht verändert. Im Gegenteil: Länder wie Äthiopien, Ägypten oder Iran sind wirtschaftlich und zum Teil auch finanziell von China abhängig. Das könnte sich durch engere Beziehungen aufgrund von BRICS noch verstärken.

Es ist im Sinne Chinas, dass in der erweiterten BRICS-Gruppe die eher antiamerikanisch eingestellten Länder nun deutlich in der Mehrheit sind. Denn Peking bleibt gegenüber den USA und dem Westen insgesamt auf Konfrontationskurs. Sollte sich der Konflikt mit den USA weiter zuspitzen oder die Lage in der Taiwanstraße eskalieren, sieht China in der BRICS-Gruppe eine Art „Versicherung“ gegen internationale Isolation. Als solche hat sie sich bereits für Russland erwiesen.

Neben der Stärkung der eigenen Position verfolgt China mit der BRICS-Erweiterung ein weiteres, längerfristiges Ziel: unabhängiger vom US-Dollar und den amerikanischen Clearing- und Zahlungssystemen wie SWIFT zu werden. China hat bereits das Cross-Border Interbank Payment System (CIPS) aufgebaut, ein eigenes System für den internationalen Zahlungsverkehr. Motivation hierfür ist, dass die USA den SWIFT-Ausschluss als Sanktionsinstrument nutzen. Zwar wird Chinas Alternative CIPS bislang kaum genutzt, der Großteil des internationalen Handels wird weiterhin in US-Dollar abgewickelt. Aber ein erster Erfolg innerhalb der BRICS-Gruppe war die Übereinkunft, den Handel künftig in den eigenen Währungen abzuwickeln. Da China der größte Handelspartner aller BRICS-Länder ist, wird dadurch im internationalen Zahlungsverkehr auch potentiell mehr in chinesischen Renminbi bezahlt werden als in US-Dollar.

 

Südafrika

Südafrika, das kleine „S“ an den großen BRICS Gründungsstaaten Brasilien, Russland, Indien und China, erhielt 2010 die Einladung zur Teilnahme an dem Staatenbündnis und nahm im folgenden Jahr erstmals an einem BRICS-Treffen in China teil.

Durch die frühe Anbindung an BRICS versprach sich Südafrika eine Stärkung insbesondere seiner wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen großen Schwellenländern. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 405 Milliarden USD im Jahr 2022 ist Südafrika neben Nigeria die stärkste Volkswirtschaft in Subsahara-Afrika, im Vergleich zu den anderen BRICS-Staaten, deren BIP zwischen 1,92 Billionen USD (Brasilien) und 17,91 Billionen USD (China) liegt, jedoch ein Zwerg.

Das fünfte Treffen der BRICS-Staaten im Jahr 2013 in Durban, Südafrika, stand unter dem Motto „BRICS und Afrika – Partnerschaften für Integration und Industrialisierung“. Südafrika verstand sich als Tor zum afrikanischen Kontinent mit seinem großen Potenzial für wirtschaftliche Entwicklung aufgrund seiner wachsenden Verbrauchermärkte und seiner reichlich vorhandenen Rohstoffe. Das Land versprach sich durch die nähere Anbindung zu wichtigen globalen Akteuren eine Förderung der Entwicklung des Kontinents.

Inzwischen spielen neben den wirtschaftlichen jedoch auch die politischen Interessen von Südafrikas Regierung eine große Rolle bei der Anbindung an das Bündnis. Führungspersonen des seit 1994 regierenden African National Congress (ANC) wurden noch in der Sowjetunion ausgebildet und sind ideologisch stark davon geprägt. Die Partei versteht sich immer noch als Befreiungsbewegung – Befreiung von Apartheid, Kolonialisierung und Einflussnahme vom sogenannten „Westen“. Im Umfeld des 15. BRICS Gipfels, der 2023 in Johannesburg, Südafrika, stattfand, war Multipolarismus das große Schlagwort. Südafrikas Regierung sieht sich als Vorreiter für ein Afrika, das immer selbstbewusster eigene Meinungen und Verhaltensweisen propagiert, die zum Teil im krassen Gegensatz zu den von der multilateralen Weltgemeinschaft allgemein akzeptierten stehen. Durch den Beitritt Ägyptens und Äthiopiens hat Südafrika bei diesem Ziel nun einen weiteren Meilenstein erreicht.

Was versprechen sich die neuen Mitgliedstaaten von BRICS?

Ägypten

Ägypten erhofft sich vom Beitritt zur BRICS-Gruppe sowohl ökonomische als auch geostrategische Vorteile. Als größtes und bevölkerungsreichstes Land im Nahen Osten und vor dem Hintergrund seiner geographischen Lage an der Schnittstelle zwischen Afrika und Asien sowie dem Mittelmeer und Rotem Meer, inklusive der Welthandelsroute Suez-Kanal, ist Ägypten in besonderem Maße von geopolitischen Entwicklungen betroffen.

So speist sich der Beitritt zu BRICS auch aus Ägyptens traditionellem Streben nach geostrategischer Multipolarität und einem möglichst hohen Maß an außenpolitischer Autonomie, mit Analogien zur Führungsrolle Ägyptens in der Bewegung der Blockfreien Staaten zu den Hochzeiten des Ost-West-Konflikts.

Des Weiteren erhofft sich das hoch verschuldete Ägypten, das sich inmitten einer profunden Wirtschafts- und Finanzkrise befindet, vom Beitritt zur BRICS-Gruppe positive wirtschaftliche Auswirkungen.

Die BRICS-Mitgliedschaft soll Ägypten den Zugang zu günstigen Finanzierungsmöglichkeiten und neuen Investitionen erleichtern, insbesondere im Bereich der Infrastruktur und der wirtschaftlichen Entwicklung. Zu erwähnen sind hier insbesondere die Erwartungen an den technologischen Austausch und den Kapazitätsaufbau durch die Zusammenarbeit mit den BRICS-Mitgliedern im Bereich der erneuerbaren Energien.

Das ägyptische Militärregime erhofft sich auch stärkere politische Unterstützung und Zustimmung von den anderen BRICS-Mitgliedsländern in regionalen Konflikten (z.B. Libyen, Sudan, Nil-Länder) und geopolitischen Herausforderungen, ein Aspekt, der durch den aktuellen Nahostkonflikt noch stärker an Gewicht gewonnen hat.

 

Äthiopien

Äthiopien kommt als Kernland am Horn von Afrika und wegen seiner Nähe zum Roten Meer und zum Mittleren Osten eine zunehmende geostrategische Bedeutung zu. Darüber hinaus ist die Hauptstadt Addis Abeba Sitz der Afrikanischen Union. Das Land mit einer Bevölkerung von ca. 120 Millionen hat jährliche Wachstumsraten von über 5 Prozent und strebt schon vor diesem Hintergrund nach einem weiteren Ausbau seiner stark wachsenden Wirtschaft. Gleichzeitig steht selbst ein Beitritt zur WTO noch in weiter Ferne.

Dass die Entscheidung zur Aufnahme in dieser BRICS-Runde bei einer Konkurrenz von insgesamt rund 30 Beitrittsinteressenten auf Äthiopien fiel, hängt sicherlich nicht zuletzt mit den engen wirtschaftlichen Beziehungen zum BRICS-Schwergewicht China zusammen. So hat China im Rahmen seiner Infrastrukturinitiative „Belt and Road“ in Äthiopien stark investiert, u.a. in eine Bahnstrecke zum Seehafen im benachbarten Djibouti und eine Metro in der Hauptstadt. Selbst das Bürogebäude der Afrikanischen Union wurde von der chinesischen Regierung gebaut.

Äthiopien leidet unter hoher Inflation und hoher Staatsverschuldung. Das Land verspricht sich von BRICS einen Ausbau der Wirtschaft mit neuen Partnern unter den Mitgliedstaaten. Die Deutsche Welle zitiert den äthiopischen Finanzminister Ahmed Shide, der sich in einem Interview gegenüber dem chinesischen Staatssender CGTN wie folgt äußerte: „Äthiopiens BRICS-Mitgliedschaft ist vor allem ein sehr wichtiger diplomatischer Gewinn für uns. Äthiopien wird weiter mit seinen bisherigen Partnern zusammenarbeiten, das ist wichtig zu wissen. Aber Äthiopien wird auch die Beziehungen mit neuen Partnern wie den BRICS-Staaten massiv ausbauen, deren Wirtschaft rapide wächst." Weniger hilfreich ist in diesem Kontext der schwelende Konflikt mit Ägypten um die Positionierung zu Somalia und die Nutzung des Nils.

 

Iran

 

Auch für Iran stehen offensichtliche wirtschaftliche und geopolitische Interessen hinter der Motivation, dem BRICS-Bündnis beizutreten. Vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Iran und dem Westen erhofft sich Iran von BRICS, das es als Gegengewicht zur westlich dominierten Ordnung sieht, eine Verschiebung der Machtbalance zu eigenen Gunsten und damit einhergehend eine Reduktion der internationalen Isolation. Eng damit verknüpft ist die Hoffnung, anhand der Allianz auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der westlichen Sanktionen abzumildern. Durch eine Partnerschaft mit den BRICS-Ländern erhofft sich das Regime in Teheran stärkere Investitionen und technologisches Know-how, insbesondere im Bereich der Energie und des Infrastrukturausbaus. Der durch eine Mitgliedschaft bedingte Zugang zu neuen Märkten weckt darüber hinaus Erwartungen auf wirtschaftliche Erholung und Diversifizierung.

Durch die Mitgliedschaft könnte auch die ins Stocken geratene und durch China unterstützte, wenn nicht initiierte Annäherung oder Verständigung mit Saudi-Arabien wieder neuen Schwung erhalten und die Rolle Irans als wichtige Regionalmacht noch stärker hervorheben. Besonders aktuell ist dieser Aspekt im israelisch-palästinensischen Konflikt, bei dem Iran alle drei Terrorakteure (Hamas, Hisbollah und die Huthi-Rebellen) aktiv finanziell unterstützt. Gleichzeitig trägt es zur iranischen Destabilisierungspolitik gegenüber Jordanien bei, wenn durch die BRICS-Mitgliedschaft Ägyptens, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate Nachbarn Jordaniens bzw. Schlüsselländer der Region im gleichen Bündnis agieren. Bestehende lokale und regionale Rivalitäten wie z.B. mit Saudi-Arabien lassen sich so – aus iranischer Perspektive – besser kontrollieren oder eindämmen.
 

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi spricht während der Außerordentlichen Gemeinsamen BRICS-Tagung in Teheran, Iran, am 21. November 2023.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi spricht während der Außerordentlichen Gemeinsamen BRICS-Tagung in Teheran, Iran, am 21. November 2023.

© picture alliance / Anadolu | Iranian Presidency / Handout

Saudi-Arabien

Saudi-Arabien strebt eine engere Zusammenarbeit mit den BRICS-Ländern an, um seine wirtschaftliche Diversifizierung voranzutreiben und seine Abhängigkeit vom Öl zu verringern. Als führender Ölexporteur sieht Saudi-Arabien den Beitritt zu BRICS als Möglichkeit, seine Wirtschaft auf breiterer Basis zu entwickeln und neue Handelsmöglichkeiten zu erschließen. Darüber hinaus könnte die Mitgliedschaft in der BRICS-Gruppe Saudi-Arabien dabei unterstützen, seine regionalen Ambitionen zu stärken und eine größere Rolle in der geopolitischen Arena zu spielen.

Durch BRICS kann die „auf Eis“ gelegte Annäherung mit dem bisherigen großen Rivalen Iran indirekt wieder aktiviert, das eigene Gewicht als Regionalmacht gestärkt und das Ansehen auf der internationalen politischen Weltbühne verbessert werden. Saudi-Arabien ist vor allem in der arabischen Welt auf eine Führungs- und Vermittlerrolle erpicht und erhofft sich durch die Mitgliedschaft eine größere Unterstützung durch die VAE und Ägypten. Im Zuge seiner ehrgeizigen Agenda „Saudi Vision 2030“ strebt Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman eine radikale Modernisierung und Diversifizierung des Landes in ungeahnter Geschwindigkeit an, die sich auch in einer aggressiveren Innen- und Außenpolitik bemerkbar macht. Damit will sich Saudi-Arabien auch unabhängiger von den USA machen, dem langjährigen engen und strategischen Partner.

 

Vereinigte Arabische Emirate

Die Motive für den Beitritt der VAE sind primär ökonomischer Natur. Eine BRICS-Mitgliedschaft eröffnet die Chance auf einen erweiterten Zugang zu den großen und schnell wachsenden Märkten der BRICS-Gruppe. Dies kann neue Möglichkeiten für bilaterale Handelsabkommen und Investitionen schaffen und den VAE helfen, ihre wirtschaftliche Diversifizierung weg vom Öl voranzutreiben. Darüber hinaus verspricht sich das Land von der zunehmenden „Entdollarisierung“ und der Förderung von Handel in lokalen Währungen innerhalb der BRICS-Gruppe zu profitieren. Dies könnte dazu beitragen, die Abhängigkeit von westlichen Währungen zu verringern und die Widerstandsfähigkeit der VAE gegenüber wirtschaftlichen Sanktionen und Schwankungen auf den Devisenmärkten zu stärken.

Durch die Mitgliedschaft in der BRICS-Gruppe versprechen sich die VAE außerdem einen Zugang zu finanziellen Ressourcen und technologischem Know-how, um ihre Infrastruktur zu modernisieren und ihre wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Insbesondere die Zusammenarbeit mit China und Indien kann den VAE helfen, ihre bilateralen Handelsbeziehungen zu stärken und neue Märkte zu erschließen. Auch dürften die VAE durch ihre Beteiligung an BRICS in Form einer aktiveren Rolle bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten und nachhaltiger Entwicklung in der Region profitieren. Dies bietet den VAE die Möglichkeit, ihre finanziellen Ressourcen effizienter einzusetzen und gleichzeitig ihre diplomatischen Beziehungen zu anderen BRICS-Mitgliedern zu vertiefen.

Während die ökonomischen Vorteile einer Mitgliedschaft auf der Hand liegen, bringt eine Mitgliedschaft der VAE politisch gesehen mehrere Probleme, wenn nicht Hindernisse mit sich. Die VAE haben derzeit enge Beziehungen zu westlichen Ländern, insbesondere den USA, und sind wichtige Partner in Fragen der Sicherheit und des Handels. Diese Allianzen der VAE könnten im Widerspruch zu Bemühungen von Teilen der BRICS-Gruppe stehen, sich in einem geopolitischen Wettbewerb als Gegengewicht zu westlich dominierten Institutionen und politischen Systemen zu positionieren. Des Weiteren sind die Emirate Teil einer Region, die von zahlreichen Konflikten und Spannungen geprägt ist, darunter der Konflikt im Jemen, die Spannungen mit dem Iran und der Konflikt in Libyen. Eine Politik der Nichteinmischung oder Neutralität in diesen regionalen Konflikten durch die BRICS-Gruppe könnte im Widerspruch stehen zu den Interessen der VAE an einer aktiven Rolle zur Lösung regionaler Probleme.

Was bedeutet die Erweiterung für die künftige politische und wirtschaftliche Rolle von BRICS?

Wie die obige Einzelbetrachtung der Interessen der BRICS-Mitgliedstaaten zeigt, weisen diese neben einigen Gemeinsamkeiten auch erhebliche Divergenzen auf. Innerhalb der BRICS-Gruppe manifestieren sich zudem einige bestehende Konflikte, wie zwischen Indien und China im Himalaja und zwischen Ägypten und Äthiopien um den Staudamm am Nil, sowie religiöse Spannungen wie zwischen Iran und Saudi-Arabien, ohne dass die BRICS-Organisation hierfür bisher Lösungsansätze entwickeln konnte. Generell fehlt eine gemeinsame Ausrichtung oder ein Grundsatzmanifest. Gemeinsam ist den BRICS-Staaten lediglich das Interesse, als politische und insbesondere auch wirtschaftliche Groß- und Mittelmächte stärker in den globalen multilateralen Organisationen, insbesondere in den Vereinten Nationen und Bretton-Woods-Organisationen, wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds, vertreten zu sein oder, wie zum Beispiel mit der New Development Bank, Alternativstrukturen aufzubauen.

Gemeinsam ist den BRICS-Staaten auch das Interesse an einer stärkeren bilateralen wirtschaftlichen Kooperation bzw. an Dreiecksgeschäften zur Förderung und Sicherung von Absatz- und Beschaffungsmärkten unter Einschluss von Finanzierungslösungen zur Bereitstellung von Infrastrukturkapital und Liquiditätshilfen. Hierbei ist die Zielsetzung von BRICS, unabhängiger von der bisher dominanten Rolle der westlichen Finanz- und Kapitalmärkte zu werden. Durch die Einrichtung einer eigenen BRICS-Währung als Alternative zum Dollar, einer stärkeren Abwicklung des Intra-BRICS-Handels in den eigenen Währungen sowie einer stärkeren Kapitalausstattung der New Development Bank als eigener Förderbank von BRICS sollen neue Zahlungsströme und -mittel geschaffen werden.

Fraglich ist, ob dieses Ziel sinnhaft oder überhaupt durchführbar ist. Angesichts der dominanten Rolle des Dollars als Weltwährung und des – wie selbst das Beispiel Euro zeigt – längeren Prozesses zum Aufbau einer neuen Währung, die das Vertrauen der internationalen Partner genießt, erscheint eine weitgehende finanz- und währungspolitische Abkopplung vom Westen kurz- bis mittelfristig unrealistisch. Auch die Kapitalausstattung der New Development Bank ist mit 100 Milliarden USD im Vergleich zu anderen Förderinstituten noch begrenzt. Darüber hinaus zeigt auch das Beispiel Eurozone, wie schwer eine währungspolitische Koordination ohne wirtschaftspolitische Richtlinien umzusetzen ist. Dies gilt umso mehr für wirtschaftlich, geographisch und politisch so diverse Akteure wie die BRICS-Gruppe.

Diese erheblichen Unterschiede spiegeln sich auch bei den politischen und wirtschaftlichen Interessen innerhalb der BRICS-Gruppe wider. So verfolgen einige Staaten, wie insbesondere China, Russland und Iran, eine explizit gegen die westlichen Institutionen und Werte gerichtete Zielsetzung im geopolitischen Systemwettbewerb. Durch die Mitgliedschaft in der BRICS-Gruppe wird zudem versucht, wirtschaftliche und/oder politische Sanktionen einfacher zu unterlaufen. Andere Staaten, wie beispielsweise Brasilien, Indien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, versprechen sich von BRICS eine stärkere Diversifizierung, bleiben dem Westen allerdings verbunden.

Eine liberale Antwort auf BRICS

Eine formelle Kooperation zwischen multilateralen Institutionen und der westlichen Staatengemeinschaft mit der BRICS-Gruppe ist nach derzeitigem Stand nicht vorstellbar. Dies zum einen aufgrund der Heterogenität der Interessen innerhalb der BRICS-Gruppe sowie insbesondere der von einigen BRICS-Staaten ausdrücklich gegen die Institutionen und Werte des Westens gerichteten Interessen. Zum anderen würde eine interinstitutionelle Zusammenarbeit erschwert durch den derzeit noch fehlenden organisatorischen Unterbau von BRICS. So verfügt das Bündnis bisher weder über einen festen Sitz noch über ein Sekretariat, sondern operiert auf Basis rotierender Präsidentschaften der Mitgliedstaaten.

Anzustreben ist aus liberaler Perspektive vielmehr, einzelnen BRICS-Staaten wie zum Beispiel Brasilien und den afrikanischen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer stärkeren Einbindung in die globale Governance der multilateralen Organisationen zu geben. Lippenbekenntnissen des Westens müssen hier dann auch Taten folgen. Gleichzeitig sollte den BRICS-Staaten mit Anspruch auf eine stärkere Beteiligung auch klar werden, dass mehr Mitspracherechte einschließlich Vertretung in den multilateralen Entscheidungs- und Führungsgremien immer auch mit mehr Verantwortung einhergehen müssen. Die kritische Menschenrechtssituation in den meisten BRICS-Staaten passt hierzu ebenso wenig wie aggressive Rhetorik und deplatzierte Geschichtsinterpretationen wie zum Beispiel jüngst des brasilianischen Präsidenten Lula mit seinem Holocaust-Vergleich im Gaza-Konflikt. Zu einer regelbasierten liberalen Außenpolitik gehört auch, die universelle Gültigkeit von Menschen- und Freiheitsrechten politisch klar zu adressieren.

Zudem ist wichtig, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Westen und einzelnen BRICS-Staaten, die sich nicht offen gegen den Westen und seine Werte stellen, auszubauen, um sie zu Verbündeten statt Gegnern zu machen. Viele BRICS-Staaten, insbesondere bei den Neumitgliedern, sind dem Bündnis nicht aus ideologischer Überzeugung beigetreten und auch nicht, weil sie sich von BRICS wirtschaftliche Vorteile versprechen (so wichtig und legitim dies auch ist). Vielmehr wollen sie dem Westen demonstrieren, dass sie Alternativen haben, wenn dieser ihnen politisch und wirtschaftlich keine angemessenen und attraktiven Angebote macht. Dann droht die Gefahr, dass ein Vakuum entsteht, das von anderen Staaten, wie insbesondere China, nur zu gerne aufgefangen würde.

In diesem Zusammenhang sollte zum Beispiel das seit 22 Jahren verhandelte Handelsabkommen zwischen der EU und Mercosur endlich abgeschlossen werden. Auch die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Indien müssen zügig zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden – wie es die EFTA-Gruppe gerade vorgemacht hat. Ganz Europa muss erkennen, dass die wachsende politische und wirtschaftliche Bedeutung des „globalen Südens“ ein Faktum ist. Es ist im geopolitischen und wirtschaftlichen Eigeninteresse Europas, hier neue strategische und auf eine längerfristige Zusammenarbeit ausgerichtete Partnerschaften einzugehen. Hierzu gehört auch, die nationale Souveränität der BRICS-Staaten zu achten und Handelspolitik nicht zu benutzen für Belehrungen, Auflagen oder gar Sanktionen gegen vermeintliche Verstöße von überzogenen westlichen Vorstellungen von Umwelt- oder Sozialstandards, die über völkerrechtlich vereinbarte Prinzipien und unstrittige angemessene Mindeststandards hinausgehen (z.B. Verbot von Kinderarbeit).

Ein solcher Ansatz bietet Europa die Chance, internationale Verbündete zu gewinnen. Politisch für eine regelbasierte globale Ordnung, Demokratie und Freiheit. Wirtschaftlich für mehr Wohlstand durch Handel, Investitionen und resiliente Lieferketten in Form neuer Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie benötigter Rohstoffe (z.B. seltene Erden). Gleichzeitig bieten sich den Partnerländern Chancen für echte „Win-win-Situationen“, insbesondere wenn die EU endlich auch ihren Agrarprotektionismus beendet.

Hier liegt auch der geopolitische Anspruch Europas im Unterschied zu China mit dessen oftmals schnellen und aufgrund der finanziellen Begleitung kurzfristig vermeintlich verlockenden Investitionsofferten. Das Risiko der Enteignung im Falle von Zahlungsausfällen und geringe lokale Beschäftigungseffekte durch den überwiegenden Einsatz chinesischer Arbeitskräfte stehen im Gegensatz zu den enormen finanziellen Unterstützungen des Westens durch IWF, Weltbank und andere Förderinstitute. Bei diesen steht eben gerade die partnerschaftliche Stärkung der längerfristigen wirtschaftlichen Entwicklung des jeweiligen Landes selbst im Vordergrund und nicht einseitig der Abzug von Ressourcen wie häufig bei chinesischen Investitionen.

BRICS-Erweiterungsrunde als Weckruf für den Westen

Abschließend lässt sich feststellen, dass BRICS angesichts der Heterogenität in der Zusammensetzung und der Interessen sowie des noch schwachen organisatorischen Unterbaus bisher keine Bedrohung für den Westen darstellt. Dennoch sollte es als Warnzeichen für den Westen verstanden werden, dass sich auch jenseits der ideologischen Rivalen China, Russland und Iran viele mit dem Westen verbundene Mittelmächte nach alternativen bzw. ergänzenden Staatenbündnissen umsehen. Doppelmitgliedschaften in Staatenbündnissen sollten hierbei grundsätzlich möglich sein, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass BRICS sich als eine Interessenvertretung des „globalen Südens“ versteht, aber nicht als eine – insbesondere politisch – feindselig gegen den Westen gerichtete Gruppe im geopolitischen Systemwettbewerb. Es bleibt abzuwarten, in welche dieser beiden Richtungen sich BRICS primär entwickelt. Der Westen muss aber auch selbst durch politische und wirtschaftliche Angebote an grundsätzlich kooperationswillige BRICS-Staaten aktiv werden. Dies gilt umso mehr, als die BRICS-Gruppe künftig weiter wachsen dürfte angesichts des Beitrittsinteresses von Dutzenden weiterer Länder in allen Erdteilen.

Die jüngste Erweiterungsrunde von BRICS sollte daher ein Weckruf für den Westen sein und nicht als „Non-Event“ ignoriert werden. Die Hoffnung, dass die “Superstars“ innerhalb von BRICS (insbesondere China und Indien) sich gegenseitig blockieren und so die Vielfalt der Stimmen und Interessen der einzelnen Mitglieder einen stärkeren politischen und wirtschaftlichen Einfluss der BRICS-Gruppe verhindern, mag mittel- bis längerfristig trügen.