EN

Covid-19
Handel mit zusätzlichen Risiken

Wie sich die Pandemie auf Händlerinnen im informellen Sektor auswirkt
Eine informelle Händlerin bietet ihre Waren auf einem Gehweg in Kapstadt an.
Eine informelle Händlerin bietet ihre Waren auf einem Gehweg in Kapstadt an. © Shutterstock

Informelle grenzüberschreitende Händlerinnen (WICBTs) sind eine Stütze der afrikanischen Wirtschaft. Schätzungen zufolge sind zwischen 50 und 60 Prozent des gesamten innerafrikanischen Handels informell – und in den meisten Regionen machen Frauen etwa 70 Prozent der in diesem Sektor tätigen Händler aus. Die Händlerinnen unterstützen nicht nur ihre Familien und Kommunen, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wirtschaft ihrer Länder. Dies lässt sich sowohl am Volumen der gehandelten Waren und Dienstleistungen als auch an der Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze messen.

Doch trotz ihrer zentralen Rolle sind die Händlerinnen stark gefährdete Mitglieder der Gesellschaft, ihre Tätigkeiten werden rechtlich nur unzureichend geschützt. Besonders deutlich wurde dies während der COVID-19-Pandemie, als der informelle grenzüberschreitende Handel fast gänzlich zum Erliegen kam. Ein Teil dieses Handels wurde über alternative Wege wie Online-Plattformen weitergeführt. Auffangen ließen sich die Verluste dadurch nicht. Das fehlende Einkommen schadete nicht nur der Wirtschaft, sondern beeinträchtigten auch die Menschenrechte der Händlerinnen und ihrer Angehörigen erheblich.

Frauen sind Grenzbehörden und Zwischenhändlern ausgeliefert

Der informelle grenzüberschreitende Handel ist für schwache Volkswirtschaften wie die von Simbabwe besonders wichtig. Sie sind auf ihre Nachbarländer angewiesen, um größere Märkte zu erschließen und einen besseren Zugang zu Waren zu erhalten. Im Gespräch mit der Southern Africa Cross Border Traders' Association (SACBTA) äußerte sich eine simbabwische Händlerin aus dem Kunsthandwerk, die ihre Produkte in Kapstadt an Touristen verkauft: Wie so viele WICBTs ist sie die Alleinverdienerin ihrer Familie. Während des Lockdowns versuchte sie, ihr Geschäft am Laufen zu halten und stellte ihre Produkte weiter her. Da die Waren und deren Preise jedoch für Touristen bestimmt sind, konnte sie diese nicht in Simbabwe verkaufen. Durch das fehlende Einkommen war sie nicht länger in der Lage, ihre Familie finanziell zu versorgen.

Der Southern Africa Trust hat eine Reihe von Berichten über die Folgen der COVID-19-Pandemie auf informelle grenzüberschreitende Händler im südlichen Afrika verfasst und Studien in Sambia, Simbabwe, Malawi und Eswatini durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass viele informelle Händlerinnen während der Pandemie nicht nur ihr Einkommen verloren und ihr Geschäftskapital aufgebraucht hatten, sondern auch nicht durch die nationalen Sozialversicherungssysteme aufgefangen wurden. Da sie keiner formalen Beschäftigung nachgehen, hatten sie – technisch betrachtet – ihren Arbeitsplatz nicht verloren.

Die in Eswatini durchgeführte Studie belegt zudem, dass selbst nach Wiedereröffnung der Grenzen die Zollverfahren und Einreisebestimmungen zu hohen Kosten führten – auch weil sie sich aufgrund der Covid-Regularien regelmäßig änderten. Etwa 93 Prozent der Händlerinnen in Eswatini klagten über Kosten für Zollgebühren, die selbst die Ausgaben für den Wareneinkauf übertrafen. So sind noch mehr Menschen gezwungen, Grenzen auf informellen Wegen zu überqueren, wodurch sie Gewalt, sexuellem Missbrauch, Bestechung und Beschlagnahmung durch Grenzbehörden und Zwischenhändler ausgesetzt sind.

Gleichstellung schwindet, Gewalt nimmt zu

Die Nachwirkungen des Einkommensverlusts im informellen grenzüberschreitenden Handel in Afrika sind verheerend. Da viele Kinder nicht mehr zur Schule gehen können, ist laut SACBTA die Zahl der Kinderehen und Teenagerschwangerschaften in Malawi stark angestiegen. Ähnliche Zahlen sind in Simbabwe zu verzeichnen, ebenso wie eine Zunahme von Mädchen, die sich auf Sexarbeit einlassen. Auch in Südafrika ist die Zahl der Teenagerschwangerschaften so hoch wie nie zuvor. Durch die häusliche Isolierung sind Frauen und Kinder oft mit ihren Peinigern gefangen, die Berichte über geschlechtsspezifische Gewalt sind in ganz Afrika seit Beginn der Pandemie sprunghaft angestiegen. Die schwindende Gleichstellung und die Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine besorgniserregende Folge der COVID-19-Pandemie.

Informeller Handel wird von internationalen Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), in Regionalabkommen wie der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone und sogar von subregionalen Gremien wie der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) als wichtiger Beitrag zur Wirtschaft anerkannt. Zu oft versäumen es die Regierungen der Länder jedoch, politische Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der informell Beschäftigten zu entwickeln.

Ein Grund könnte das Interesse der Regierung daran sein, dass alle Gewerbetreibenden auch als solche registriert sind, um Steuern erheben zu können. Für Kleinunternehmer gibt es jedoch wenig Anreiz, für die Registrierung zusätzliche Bürokratie, Gebühren und Reisekosten auf sich zu nehmen, mangelt es doch ohnehin schon an Zeit und Geld. Angesichts des Umfangs der informellen Wirtschaft ist es unwahrscheinlich, dass nationale Regierungen bei einer Registrierung echte Vorteile bieten könnten. Im Fall des grenzüberschreitenden Kleinunternehmertums würde dies außerdem eine Koordinierung zwischen den jeweiligen Regierungen über die Ausgestaltung dieser Vorteile nötig machen.

Pandemie als kostspielige Lektion

Der informelle Handel wird daher auf absehbare Zeit weiter bestehen und sollte von den Regierungen unterstützt werden. Es ist evident, dass die informelle Wirtschaft zur Verringerung von Armut, Geschlechtergefällen, Kinderschwangerschaften und geschlechtsspezifischer Gewalt beiträgt. Es braucht Maßnahmen, die die Bedeutung des informellen Sektors anerkennen und Frauen, die den Großteil des grenzüberschreitenden Handels ausmachen, schützen.

Der fehlende Zugang zu sozialer Sicherheit, finanzieller Entlastung und fairen Grenzpraktiken ist ein Symptom für ein umfassenderes Problem: das Versäumnis von Regierungen, bei der Umsetzung von Covid-Maßnahmen schutzbedürftige Menschen wie Frauen, Jugendliche und informell Beschäftigte zu berücksichtigen. Die Pandemie war eine kostspielige Lektion dafür, dass Politik, Gesetze und Schutzmaßnahmen stets durch die Brille der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft betrachtet werden müssen.


Lauren Jimmy arbeitet im Bereich für Entwicklung und Alumni-Beziehungen der Universität Stellenbosch in Südafrika. Sie hat einen Master-Abschluss in internationalem Handelsrecht und schrieb ihre Abschlussarbeit über regionale Handelssysteme in Afrika.