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Südafrika
Die Hoffnung schwindet

Cyril Ramaphosa

Am 9. Februar 2023 um 19 Uhr wird der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa im Rathaus von Kapstadt seine sechste Rede zur Lage der Nation halten

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Denis Farrell

Am 9. Februar 2023 um 19 Uhr wird der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa im Rathaus von Kapstadt seine sechste Rede zur Lage der Nation halten. Die Rede gilt jedes Jahr als beliebtes Ereignis im politischen Kalender vieler Südafrikaner. Der Präsident reflektiert über das Land, seine Erfolge und Herausforderungen. Die Pläne und Prioritäten für das kommende Jahr werden bekannt gegeben. In der Regel ist dies ein Moment der Hoffnung.

Man mag fragen, warum Ramaphosa seine Rede im Rathaus von Kapstadt und nicht im Parlament selbst vorträgt. Die schlichte Antwort ist, dass das Parlament in Trümmern liegt. Es wurde im Januar 2022 durch ein von einem Obdachlosen gelegtes Feuer zerstört. Das Parlament ist ohne Heimat und ohne Aussicht auf Wiederaufbau. Es ist symbolisch für den Zustand des Landes insgesamt.

Als Ramaphosa im Jahr 2018 erstmals die Bühne als Präsident betrat, versprach er einen „neuen Aufbruch“. Am Donnerstag wird er sich an eine krisengeschüttelte Nation wenden, die nur wenig Hoffnung hat und sich nur noch provisorisch zu helfen weiß.

Energieversorgungsunternehmen ESKOM

Das staatliche Energieversorgungsunternehmen ESKOM steht kurz vor dem Zusammenbruch und ist führungslos. Die Südafrikaner sitzen täglich im Dunkeln und müssen sich im Winter auf mindestens acht Stunden Stromausfall pro Tag einstellen. Die wirtschaftlichen Folgen sind katastrophal. Zwar versprechen Funktionsträger regelmäßig, dass dieser Zustand in zwei Jahren (!) behoben sein wird, wenn alles nach Plan läuft – doch leider ist noch gar kein Plan vorhanden und die Erfolgsquote bei der Umsetzung solcher Vorhaben sehr gering.

ESKOM ist nur eines von vielen staatlichen Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken und sowohl einen strategischen Plan als auch umfassende Finanzmittel benötigen. Die Fluggesellschaft, die Eisenbahn, die Post und die Häfen – um nur einige zu nennen – kämpfen darum, ihre Dienstleistungen trotz eines enorm defizitären Geschäfts aufrechtzuerhalten. Die Südafrikaner warten verzweifelt auf Antworten des Präsidenten, in denen er und sein Team Lösungen für das Chaos vorstellen.

Am stärksten ist der Verfall auf kommunaler Ebene zu spüren. Dienstleistungen wie Müllabfuhr, Straßenbeleuchtung, befestigte Straßen, öffentliche Verkehrsmittel und sauberes, sicheres Trinkwasser werden zum Luxusgut. Die Infrastruktur ist porös. Wer es sich leisten kann, verzichtet freiwillig auf staatliche Dienstleistungen – private Anbieter für Gesundheit, Sicherheit, Bildung und Verkehr boomen.

Kluft zwischen Arm und Reich immer größer

In einem Land mit tiefen wirtschaftlichen Gräben wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Wer auf staatliche Dienstleistungen angewiesen ist, trägt ein signifikant größeres Risiko, schlecht oder gar nicht versorgt zu werden.

Die Hoffnung schwindet, dass die derzeitige Regierung in der Lage ist, Lösungen für die zahlreichen Probleme zu finden. Immer mehr Südafrikaner werden des politischen Systems überdrüssig. Nach sechs Jahren Amtszeit wissen die Südafrikaner, dass Ramaphosa ein Talent dafür besitzt, zuzugeben, was alles schiefgelaufen ist. Er spart nicht mit Details. Man hat das Gefühl, er habe verstanden. Darauf folgt oft ein Plan.

Ramaphosa begann am Anfang seiner Amtszeit mit einem Drei-Punkte-Plan, der schrittweise auf etwa zehn Punkte erweitert wurde. Im Jahr 2023 wird er vielleicht den Zwölf-Punkte-Plan erreichen. Wahrscheinlich werden auch noch weitere Kommissionen und Ausschüsse gebildet. Was auch immer Ramaphosa behauptet – es ist unwahrscheinlich, dass er das Vertrauen der einfachen Südafrikaner in seine Führung wiederherstellen kann.

Ramaphosas Partei, der African National Congress (ANC), hat bei vergangenen Wahlen stetig an Wählerstimmen eingebüßt. Die größte Oppositionspartei, die Democratic Alliance, hatte bei den jüngsten Wahlen ebenfalls Verluste zu verzeichnen. Die Wählerschaft ist zersplittert. Sie unterstützt entweder kleinere Parteien oder zieht sich gänzlich aus der politischen Partizipation zurück.

Die kommenden Wahlen

Auf kommunaler Regierungsebene sind Koalitionen ein wachsender Trend. Dies mag die politische Zukunft auf Provinz- und nationaler Ebene sein. Zum ersten Mal in der demokratischen Geschichte Südafrikas könnte bei den kommenden Wahlen auf nationaler Ebene keine einzelne Partei eine Mehrheit von mehr als 50 % + 1 erhalten. Die Oppositionsparteien könnten aus dieser Chance Kapital schlagen, indem sie sich gemeinsam auf einen post-ANC-Moment vorbereiten. Dies scheint nach heutigem Stand jedoch unwahrscheinlich zu sein – zu zerstritten sind die Parteien untereinander.

In etwas mehr als 14 Monaten werden die Südafrikaner erneut an die Urnen treten, um die Regierungen auf nationaler und Provinzebene zu wählen. Die Rede des Präsidenten am Donnerstag soll den Grundstein für seine neue Wahlkampagne legen.

Die Südafrikaner können nur hoffen, dass zumindest einige Punkte der vielen vorgestellten Pläne in Erfüllung gehen werden. Sie brauchen dringend positive Impulse aus der Politik – und mehr Strom würde auch nicht schaden. Vielleicht erfährt das Land am Donnerstag auch, wann das Parlament wieder ein Zuhause haben wird.

Wayne Alexander ist Projektmanager im Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Kapstadt.