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Studie

Strategische Entkopplung: Der Abbau des wirtschaftlichen Einflusses von Russland in Deutschland

Der Eckpfeiler der russisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen war der Import kostengünstiger russischer Energie für den Betrieb der deutschen Schwerindustrie, die dann Produkte mit hoher Wertschöpfung sowie hochentwickelte Technologie zurück nach Russland exportierte. Während der bilaterale Handelsumsatz bereits vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine rückläufig war, investierten deutsche Unternehmen bis Ende 2021 mehr als 21 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland nach Zypern und den Niederlanden der drittgrößte Investor in Russland. Obwohl die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) Russlands in Deutschland vergleichsweise gering sind, konzentrieren sie sich auf einige wenige strategische Wirtschaftssektoren wie die Energieversorgung (hauptsächlich Erdölraffinerien sowie Transport, Speicherung und Vertrieb von Erdgas).

Viele deutsche Unternehmen sind weiterhin in Russland tätig und es sind immer noch mehrere tausend russische Firmen in verschiedenen deutschen Märkten aktiv. Angesichts der nachgewiesenen Erfolgsbilanz Russlands beim Missbrauch von Unternehmensnetzwerken für außenpolitische Ziele, unter anderem durch den Einsatz strategischer Korruption, stellen diese Unternehmensnetzwerke Risiken für die Wirtschaft und die Investitionssicherheit dar. Diese Risiken dürften zukünftig weiter zunehmen, da der Kreml versucht, Sanktionen zu umgehen, indem er verschleiert, wer der endbegünstigte Eigentümer seiner Unternehmen ist.

Ende 2022 gab es in Deutschland 1713 Unternehmen mit russischem Endbegünstigtem. Die russische Unternehmenspräsenz in Deutschland ist stark auf rund 40 größere Unternehmen konzentriert, die in den Bereichen Erdölraffinerie, Erdgasversorgung und -vertrieb, Fertigung von Metall- und Kunststoffprodukten, Glasproduktion und Verkehr tätig sind. Diese Unternehmen beschäftigen Tausende von Mitarbeitenden und verfügen über strategische Vermögenswerte im Wert von Milliarden. EU-Sanktionen haben die Fähigkeit dieser Unternehmen eingeschränkt, weitere strategische Vorteile zu erlangen und mehr Vermögenswerte in bestimmten Branchen in Europa zu erwerben. Dennoch bleibt ihr Potenzial für böswilligen Einfluss durch den Missbrauch ihrer lokalen Unternehmensnetzwerke und/oder verdeckte Operationen hoch.

Der Krieg des Kremls in der Ukraine führte zu einer Desillusion im Hinblick auf Jahrzehnte der deutschen Außenpolitik gegenüber Russland. Das Ausmaß und die Brutalität des russischen Einmarschs haben nach dem anfänglichen Schock eine entschiedene Reaktion der deutschen Gesellschaft und der deutschen Regierung hervorgerufen. Infolgedessen hat Deutschland schnell Notfallmaßnahmen für wirtschaftliche Sicherheit und Entkopplung im Energiesektor eingeführt, EU- und G7-Sanktionen gegen Russland in bislang unbekanntem Ausmaß unterstützt und Technologie- und Warenkontrollen durchgeführt. Im nächsten Schritt muss Deutschland daran arbeiten, nationale und europäische Institutionen für wirtschaftliche Sicherheit weiter zu stärken.

Als erste Verteidigungslinie muss sich Deutschland erfolgreich von Russland abkoppeln, um sicherzustellen, dass Moskau in Zukunft seine strategischen Instrumente nicht mehr einsetzen kann. Die nächsten Schritte der Entkopplung und Risikoreduzierung Deutschlands in seinen wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland sollten darin bestehen, dass die deutschen Unternehmen ihr Engagement auf dem russischen Markt kontinuierlich und schrittweise abbauen, indem sie ihre Aktivitäten in Russland einstellen und Joint Ventures und Unternehmenspartnerschaften mit russischen Unternehmen auslaufen lassen. Darüber hinaus besteht die dringende Notwendigkeit, die in Deutschland aktiven informellen russischen wirtschaftlichen und politischen Netzwerke kontinuierlich zu erfassen und ihren Einfluss abzubauen. Deutschland und die EU müssen institutionelle Abwehrmechanismen aufbauen, um strategische Korruptionsversuche und Angriffe auf die technologische Basis Europas abzuwehren.

Deutschlands wirtschaftliche Sicherheitsstrategie erfordert ausgefeilte Mechanismen zur Überprüfung und Unterbinden offener und verdeckter russischer strategischer Investitionen in Europa, die mit Kreml-nahen staatlichen Unternehmen und oligarchischen Netzwerken in Verbindung stehen. Diese Überprüfung muss durch Maßnahmen zur Gewährleistung der Transparenz hinsichtlich der Gesellschafterverhältnisse von Unternehmen innerhalb der EU, die Stärkung der europäischen Infrastruktur zur Bekämpfung von Geldwäsche und Bemühungen zur Verringerung des verborgenen wirtschaftlichen Einflusses des Kremls in Europa ergänzt werden. Auf EU-Ebene ist ein gemeinsamer EU-Mechanismus zur Durchsetzung von Sanktionen erforderlich, der spezifische Vorgaben für nationale Zollbeamte beinhaltet, um den endbegünstigten Eigentümer von EU-Unternehmen zu ermitteln, die sanktionierte Waren und Dual-Use-Güter verkaufen. Auch der endbegünstigte Eigentümer von Käufern in Drittländern sollte ermittelt werden.

Dieser Text stellt einen Auszug aus der Publikation dar. Die komplette Studie können Sie hier lesen und herunterladen.