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Sri Lanka
Sri Lanka vor Präsidentschaftswahlen

Die Wahlen stehen unter dem Eindruck der Anschläge an Ostern 2019 sowie der Verfassungskrise Ende 2018
Unterstützer des Kandidaten Premadasa in Colombo
Unterstützer des Präsidentschaftskandidaten Sajith Premadasa bei einer Wahlkampfkundgebung in Colombo, der de facto Hauptstadt von Sri Lanka © picture alliance / AP Photo

Am 16. November 2019 sind die Wähler in Sri Lanka aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Die Wahlen stehen dabei unter dem Eindruck der Anschläge an Ostern 2019 sowie der Verfassungskrise Ende 2018. Insgesamt stehen 35 Kandidaten zur Wahl, darunter eine Frau und erstmalig kein amtierender Premierminister oder Präsident. Nachdem eine (nunmehr zerrüttete) Koalition aus der United National Party (UNP) von Premierminister Ranil Wickremesinghe und der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) von Präsident Maithripala Sirisena im Jahr 2015 sowohl die Regierungsmacht als auch das Präsidentenamt übernommen hat, wurde die Macht des Präsidenten deutlich eingeschränkt. Dies war vor allem eine Reaktion auf die Amtszeit von Mahinda Rajapaksa, der zuvor 10 Jahre lang mit autokratischem Gusto regiert hatte.

Vier Kandidaten haben Chancen das Rennen zu machen. Nach einigen parteiinternen Querelen ernannte die größere der beiden Regierungsparteien, die UNP (die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitet mit Vorfeldorganisationen der Partei zusammen), Sajith Premadasa zu ihrem Kandidaten. Das Nachsehen hatte Premierminister Wickremesinghe. Premadasas Kandidatur wird unterstützt von Parteien ethnischer und religiöser Minderheiten wie der Tamil National Alliance, dem Sri Lanka Muslim Congress, und der Tamil Progressive Alliance.

Die Sri Lanka Podujana Party (SLPP) stellte Gotabaya Rajapaksa als Präsidentschaftskandidaten auf. Der frühere Staatssekretär im Verteidigungsministerium ist der Bruder des SLPP-Vorsitzenden und früheren Präsidenten Mahinda Rajapaksa. Gotabaya Rajapaksa hat abgesehen von wenigen Parteien am Rand des politischen Spektrums kaum Unterstützer. Er ist vor einem kalifornischen Gericht angeklagt, in die Ermordung des Journalisten Lasantha Wickramatunga verwickelt zu sein. Viele Wähler, die sich nach der Verfassungskrise und den Osteranschlägen nach Stabilität und nach einem ‚starken Mann‘ sehnen, der das Land führt, scheinen aber bereit zu sein, über diese Anschuldigungen hinwegzusehen. Als Indiz für die Popularität der Rajapaksas können die Kommunalwahlen 2018 gedeutet werden. Bei den Wahlen gelang es der SLPP 40 Prozent der Stimmen auf sich zu vereinen. Auch wenn die Macht des Präsidenten heute deutlich stärker beschränkt ist als vor 2015, fürchten nicht wenige Menschen die autoritären Instinkte der Rajapaksas und eine Aushöhlung des Rechtsstaates. Beiden Brüdern werden Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkriegs vorgeworfen (darunter Folter und Entführungen), Opfer waren vor allem Angehörige der tamilischen Minderheit. Ebenso ist zu befürchten, dass Sri Lanka sich unter einem Präsidenten Rajapaksa China wieder deutlich annähern wird. Noch heute leiden die öffentlichen Finanzen des Landes unter der finanziellen Last, die von China finanzierte Großprojekte aus der Zeit Mahinda Rajapaksas verursacht haben. Die Journalistin Thisaranee Gunasekara bringt die Befürchtungen auf den Punkt: „Vorsätzlich totalitär, von väterlicher Natur, bereit Gewalt anzuwenden, der Vormacht der Mehrheit Vorschub leistend, zutiefst abergläubisch unter einem technokratisch-futuristischen Mantel, ein Meister der Klientelpolitik – an kaum einem Ort in Sri Lanka wird man sich einem Präsidenten Gotabaya entziehen können.“

Die SLFP regiert nach wie vor in einer Koalition mit der UNP. Im Oktober 2018 allerdings setzte Präsident Sirisena Premierminister Wickremesinghe ab und ernannte seinen früheren Verbündeten Mahinda Rajapaksa zum Premierminister. Im Dezember erklärte der Oberste Gerichtshof die Absetzung für verfassungswidrig, Wickremesinghe kehrte in das Amt zurück. Das Verhältnis zwischen den beiden Koalitionspartnern ist seit jeher zerrüttet. Die SLFP stellt keinen eigenen Kandidaten auf. Ein Großteil der Partei unter Führung der früheren Präsidentin Chandrika Bandaranaike Kumaratunga unterstützt nun trotzdem den UNP-Kandidaten Premadasa. Eine Minderheit in der Partei steht allerdings hinter Gotabaya Rajapaksa.

Neben Premadasa und Rajapaksa tritt der populäre frühere General Mahesh Senanayake auf einer Plattform zivilgesellschaftlicher Organisationen an. Die marxistisch-leninistische Janata Vimukti Peramuna (JVP) schickt den populären und rhetorisch begabten Anura Kumara Dissanayake ins Rennen. Beiden Kandidaten werden ebenso gute Chancen eingeräumt.

Eine Besonderheit ist das Wahlrecht. Die Wähler wählen ihre drei präferierten Kandidaten in Rangordnung der Präferenz. Gelingt es keinem der auf Rang eins gewählten Kandidaten, eine absolute Mehrheit der Stimmen zu erreichen, werden die Stimmen von Rang zwei hinzugerechnet. Reicht auch dies nicht für eine absolute Mehrheit entscheiden die Stimmen auf Rang drei darüber welcher Kandidat das Rennen macht.