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Russland-Afrika Gipfel
Kein Zeichen von Aufbruch und Annäherung

Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa

Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ramil Sitdikov

Die von Russland seit den 2000er-Jahren immer offener praktizierte repressive Innen- und revanchistische Außenpolitik sowie die Durchsetzung eines autokratischen Herrschaftssystems haben zum politischen und wirtschaftlichen Bruch mit den westlichen Demokratien geführt. Der Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 leitete endgültig eine allumfassende „Zeitenwende“ des liberalen Westens gegenüber Russland ein, die durch ein umfassendes wirtschaftliches Sanktionsregime ergänzt wurde. Russland hat im März 2023 seinerseits eine neue außenpolitische Doktrin verabschiedet, die die westlichen Demokratien als Hauptfeinde bezeichnet. Den Einfluss des Westens gelte es weltweit einzudämmen – China, Indien, Afrika und Lateinamerika dagegen wurden als außenpolitische Hauptrichtungen definiert. Die in diese Doktrin gegossene russische Strategie wurde in den vergangenen Jahren in bi- und multilateralen Formaten ausgetestet. Das Ziel ist es, die geopolitischen Ambitionen Russlands, wieder als ein wichtiger Akteur in einer multipolaren Welt anerkannt zu werden, umzusetzen und politische Einflusssphären zu schaffen. Darüber hinaus sollen neue Märkte anstelle der sanktionierten erschlossen werden.

Ein solches Format war der im Oktober 2019 aus der Taufe gehobene erste Russland-Afrika-Gipfel mit Wirtschaftsforum in Sotschi. An der Konferenz nahmen 54 afrikanische Länder teil, davon 45 mit ihren Staats- und Regierungschefs. Russland konnte dabei an die historisch guten Beziehungen zwischen den afrikanischen Staaten und der Sowjetunion anknüpfen. Die Sowjetunion hatte den antikolonialen Befreiungskampf in Afrika sowie die Bildung der neuen unabhängigen Staaten politisch, militärisch und wirtschaftlich unterstützt. Neben diesen traditionellen Verbindungen zu alten Verbündeten wurden neue Partner vor allem unter den entstandenen autoritären Regimen gesucht. Mit diesen verabredete die russische Regierung eine enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit, auch unter Einsatz privater russischer Söldnerarmeen wie der Wagner-Gruppe. In für Russland geostrategisch wichtigen Ländern wie Syrien griffen russische Armeeverbände in den Bürgerkrieg ein, um das Assad-Regime an der Macht zu halten. In Mali, der Zentralafrikanischen Republik, Libyen und anderen afrikanischen Ländern kämpften hingegen russische private Söldnertruppen mit inoffizieller Unterstützung des russischen Staates, um sowohl korrupte Regime zu stützen und in Konflikte einzugreifen als auch private Wirtschaftsinteressen militärisch abzusichern. Durch diese irregulären Kampfverbände wurden in mehr als zehn afrikanischen Staaten Gräueltaten an der Zivilbevölkerung verübt.

Neue Impulse für russisch-afrikanische Wirtschaftsbeziehungen

Bereits das erste Gipfeltreffen war darauf ausgerichtet, den völlig unterentwickelten russische-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen neue Impulse zu verleihen. Der Außenhandelsumsatz Russlands mit dem gesamten afrikanischen Kontinent belief sich im Jahr 2019 auf lediglich 20 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Der weltweite Gesamtaußenhandelsumsatz Afrikas im gleichen Jahr betrug mehr als eine Billion US-Dollar. Es wurden gemäß Abschlusserklärung des ersten Gipfeltreffens Wirtschaftsverträge und - abkommen über 800 Milliarden Rubel (ca. 12,5 Milliarden US-Dollar) geschlossen, die jedoch weder quantitativ noch qualitativ den Warenaustausch in den Folgejahren befördert haben. Anstelle einer Steigerung des Handelsvolumens musste eine Schrumpfung um zwei Milliarden auf nur noch 18 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 gegenüber 2019 konstatiert werden. Davon entfielen 7,7 Milliarden US-Dollar allein auf den Handel mit Ägypten.

Auf dem ersten Gipfeltreffen war vereinbart worden, dass weitere Konferenzen im Abstand von drei Jahren durchgeführt werden und das nächste Treffen 2022 in Addis Abeba stattfinden sollte. Die mit dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eingetretene veränderte weltpolitische Lage hat diesen Plan inhaltlich und organisatorisch grundlegend verändert. Das zweite Gipfeltreffen findet nun erst nach vier Jahren statt – und nicht etwa in Afrika, sondern erneut in Russland. Am 27. und 28. Juli kommen die afrikanischen Vertreterinnen und Vertreter mit der russischen Regierung in St. Petersburg zusammen.

Zurückhaltung der afrikanischen Staaten

Für das ursprünglich von russischer Seite auf vier Tage angesetzte Forum fanden sich keine Unterstützer und nur wenige Inhalte, so dass es auf zwei Tage reduziert wurde. Präsident Putin ist vom Internationalen Strafgerichtshof zum Kriegsverbrecher erklärt worden, wodurch Möglichkeiten, ins Ausland zu reisen, für ihn stark eingeschränkt sind. Nahmen am ersten Gipfel 2019 noch alle afrikanischen Länder und davon die überwiegende Mehrzahl auf höchster Staats- und Regierungsebene teil, so sind in diesem Jahr nur noch 43 Staaten und davon lediglich 24 auf höchster Ebene vertreten. Diese Zurückhaltung ist bemerkenswert und für Russland ernüchternd, hatte man aufgrund des Abstimmungsverhaltens afrikanischer Staaten bei den Vereinten Nationen über den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine einen größeren Einfluss auf dem Kontinent erwartet. https://news.un.org/en/story/2023/02/1133847

Russland wollte auf dem Gipfeltreffen die afrikanischen Partner auf seine politische Agenda einschwören. So sollten sich die Staaten zu einer multipolaren Welt ohne regelbasierte Ordnung und die Dominanz der USA bekennen. Das Verhalten der afrikanischen Regierungen zeigt: Russland kann die Geister nicht bändigen kann, die es rief. Denn die afrikanischen Staaten nahmen den Aufruf zur Verteidigung nationaler und regionaler Interessen, zur Souveränität und territorialen Integrität ernst und reisen mit Fragen an die Gastgeber an. Der Krieg in der Ukraine und der jüngste Ausstieg Russlands aus dem internationalen Getreideabkommen sind eine schwere finanzielle und soziale Belastung für viele afrikanische Staaten. Neben dem rasanten Anstieg der Energie- und Transportpreise steigen nun voraussichtlich auch wieder die Getreidepreise, was angesichts der sowieso schon angespannten wirtschaftlichen Lage einiger afrikanischer Staaten vor Ort zu vermehrten sozialen Spannungen führen könnte.

Afrikanische Partner fordern Fortsetzung des Getreideabkommens

Die russische Ankündigung, dass es die fehlenden ukrainischen Getreidelieferungen selbst übernehmen werde, überzeugt viele Regierungsvertreter ebenfalls nicht. Von der unter dem Getreideabkommen gelieferten Gesamtmenge von 32,9 Millionen Tonnen wurden laut den Vereinten Nationen – und entgegen den russischen Aussagen – 67 Prozent an Entwicklungsländer geliefert. Mehr als die Hälfte davon war Mais. Die ukrainischen Getreidelieferungen sind wesentlich diversifizierter als die russischen und können deshalb von Russland, das vorwiegend Weizen liefert, nicht kompensiert werden. Zugleich hat Russland aufgrund der Kriegskosten einen außerordentlich angespannten Staatshaushalt und setzt stark auf steigende Weizenpreise infolge der Angebotsverknappung durch die Aussetzung des Getreideabkommens. Auch aus diesem Grund bombardiert und vernichtet Russland die ukrainischen Getreidesilos. So soll der Weizenpreis von aktuell 230 US-Dollar pro Tonne auf 260 US-Dollar verteuert werden. Dies stößt auf große Unzufriedenheit unter den afrikanischen Partnern, deren Minister aus Ägypten, Kenia und Sambia sich im Vorfeld des Gipfels bereits kritisch geäußert haben und Russland aufforderten, das Getreideabkommen fortzusetzen. Darüber hinaus drängen die Afrikaner die russische Führung dazu, den afrikanischen Friedensplan für die Ukraine auf dem Gipfel ernsthaft einzubeziehen und zu diskutieren.

Russland will Position im Wirtschaftsbereich konsolidieren

Das Gipfeltreffen und das Wirtschaftsforum sind ein weiterer Versuch Russlands, seine Positionen im Wirtschaftsbereich Afrikas zumindest zu konsolidieren. Bisher konnte es den wichtigsten afrikanischen Haupthandelspartnern EU, China und den USA keine attraktiven wirtschaftlichen Angebote entgegensetzen. Traditionell beschränkt sich der Handel auf Lebensmittel, Waffen, Rohstoffe und Düngemittel sowie neuerdings auch Atomkraftwerke.

Auch will die russische Regierung künftig das Thema Bildung und Ausbildung in ihre afrikanische Agenda einbinden. Ziel ist es, junge Generationen in den afrikanischen Staaten wieder enger an Russland zu binden. Für das Gipfeltreffen hat Russland daher Angebote vorbereitet, die die Einrichtung russischer Schulen und Universitätsfilialen in afrikanischen Ländern zur Vorbereitung auf ein Hochschulstudium in Russland vorsehen sowie die Anzahl von Stipendien für afrikanische Studenten ausweiten. Mit der Behauptung, dass Russland ein konsequenter Verfechter traditioneller Werte sei und diese speziell von der russisch-orthodoxen Kirche vertreten werden, will man die traditionellen Werte in afrikanischen Bevölkerungen adressieren und eine Kooperation im religiösen Bereich fördern.

Der zweite Russland-Afrika-Gipfel wird auf Wunsch der russischen Regierung mehrere Abschlusserklärungen verabschieden, darunter eine politische Deklaration über die internationalen Beziehungen, einen Aktionsplan zur Entwicklung der Zusammenarbeit bis zum nächsten Gipfel sowie einzelne Erklärungen zu den Themen Terrorismusbekämpfung, Weltraumforschung und Informationssicherheit.

Es bleibt abzuwarten, welche Richtung das russisch-afrikanische Verhältnis unter den neuen geopolitischen Bedingungen einschlagen wird. Das diesjährige Gipfeltreffen wird dafür Anhaltspunkte bieten, aber noch keine endgültigen Antworten liefern.