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Wirtschaft und Krise
Moldau: Wenn Strom zur täglichen Herausforderung wird

Maia Sandu

Moldawiens Präsidentin Maia Sandu

© picture alliance / EPA | DUMITRU DORU

Präsidentin Maia Sandu beschreibt in einem Interview für G4Media die Lage als dramatisch: „Es ist für uns eine tägliche Herausforderung, die notwendige Stromversorgung für den nächsten Tag zu sichern“. Zuletzt hatte sie dafür den rumänischen Ministerpräsidenten Nicolae Ciucă sowie den Präsidenten Klaus Iohannis in Bukarest getroffen, die ihr beide versprachen, Lösungen zu finden, um die von Rumänien gelieferte Strommenge weiter zu erhöhen. Sandu versicherte, Moldau sei auch bereit, den europäischen Marktpreis dafür zu zahlen. Andererseits möchte sie dann bei der nächsten Geberkonferenz in Paris, die zusammen mit Deutschland und Rumänien für Moldau veranstaltet wird, finanzielle Hilfen finden, um den teureren Strom aus der EU zum verkraftbaren Preis an die Bevölkerung bringen zu können. Gerade die bereits zugesagten Hilfen, auch seitens der Europäischen Union, stehen noch nicht bereit, und es herrscht viel Unklarheit, weshalb sie auch nach Paris reist. Dabei appelliert sie auch an die Herzen der Rumänen: Mit etwas Mühe seitens der rumänischen Verbraucher etwas zu sparen, würde die eingesparte Menge ausreichen, um den geschätzten Stromverbrauch der Republik Moldau sogar zu übertreffen. Tatsächlich ist das Nachbarland mit seinen 20 Millionen Einwohnern zehnmal größer als die Kleinrepublik.

30 Jahre russische Abhängigkeit

Die Notlage ist auf Russlands direkten und indirekten Einfluss zurückzuführen. Zum einen konnte Moldau wegen der russischen Raketenanschläge auf die Energieinfrastruktur in der Ukraine seit dem 11. Oktober von dort keinen Strom mehr beziehen. Dies machte immerhin 30 Prozent der Importe aus. Mit Hilfe Rumäniens, einer Soforthilfe von 10 Millionen Euro und über einen Dringlichkeitserlass der rumänischen Regierung wurde in kurzer Zeit das Stromdefizit zum subventionierten Vorzugspreis ausgeglichen.

Daraufhin aber drosselte Russlands Gasvertriebsunternehmen Gazprom die vertraglich festgelegten Mengen auf 50-70 Prozent der Lieferungen. Als Vorwand wurden angebliche Lieferstörungen in der Ukraine genannt. Da Moldau keine eigenen Produktionskapazitäten besitzt, kauften alle moldauischen Regierungen der letzten 30 Jahre 70 Prozent des Strombedarfs vom Stromerzeuger in Ciurugani, der Gas in Strom umwandelt. Das Kraftwerk liegt im separatistischen und mit russischen Truppen besetztem Transnistrien und funktioniert mit dem von Russland an die Moldau geliefertem Gas. Entsprechend kündigte die selbst ernannte separatistische Regierung an, ab dem ersten November nur noch die Hälfte der Strommengen an Moldau liefern zu können. Es wurde sogar damit gedroht, die gesamten Lieferungen auszusetzen. Dies scheint eher unwahrscheinlich, zumal der Mikrostaat überwiegend von den Steuern lebt, die dieses Kraftwerk abwirft und von Moldau bezahlt werden. Sollte Russland den Gashahn ganz zudrehen, würde der Staat de facto fast keine Einnahmen mehr generieren und sich in seiner Existenz bedroht sehen.

Hinzu kommt noch ein weiterer, von Russland ersonnener Kreislauf: Das sich in privater Hand und von lokalen Oligarchen geführte Kraftwerk hat für das von Gazprom gelieferte Gas nie gezahlt. Dafür hat Gazprom über einen Trick die Schuld dem moldauischen Staat zugeschoben. Lokal wird das Gas über den staatlichen Betreiber Moldovagaz transportiert. Gazprom besitzt dabei die Hälfte der Aktien und Transportnetze von Moldovagaz. Die Gesamtschuld dürfte sich indes auf ca. 7 Milliarden Euro belaufen. Damit scheint der aus Transnistrien bezogene Billigstrom auf einmal gar nicht mehr so billig zu sein.

Positive Aussichten

Spätestens mit dieser Krise scheint Moldau das Problem ernsthaft anpacken zu wollen. Maia Sandu sprach in Bukarest in diesem Kontext „vom Kampf Moldaus zur freien Welt zu gehören“. Die Befreiung aus der russischen Energieabhängigkeit scheint nun wesentlicher Teil dieses Kampfes zu sein. Die gemeinsamen Infrastrukturprojekte mit Rumänien stehen nun oben auf der Prioritätenliste der Regierung. Auch Ministerpräsidentin Gavriliță sprach davon, dass die Brücken zu Rumänien reell über Straßen, neue Brücken und über Energieinfrastruktur gebaut werden müssen. Diese Projekte, obwohl seit Jahren durchgeplant, wurden von prorussischen und korrupten Regierungen aus beiden Staaten während der letzten dreißig Jahre eher auf die lange Bank geschoben als umgesetzt. Sollten sie nun endlich im Eilverfahren angeschoben werden, wird es mindestens noch zwei Jahre dauern, bis sie auch konkretisiert werden können. Immerhin: Der politische Wille zu einem echten Aufbruch zwischen Rumänien und Moldau scheint sich erstmals zu festigen. Aber noch fehlt die Umsetzung. Bis dahin aber bangt man in der moldauischen Hauptstadt Chişinău, welche weiteren Pläne zur Unterwanderung des Staatsgefüges Russland wohl noch aushecken wird. Schon heißt es, man bereite sich selbst auf die Situation vor, wenn Russland den Gashahn ganz zudreht.