Pressemitteilung
Studie warnt vor Überwachung im Übermaß – Überwachungsmaßnahmen in Bayern viermal so häufig wie in NRW

Überwachungsbarometer für Deutschland- Ein Modellkonzept
Überwachungsbarometer für Deutschland
Überwachungsbarometer für Deutschland © FNF

Erstmals wird mit dem Überwachungsbarometer die Freiheitsbelastung aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wissenschaftlich ermittelt und übersichtlich dargestellt. Erste Anwendungen zeigen ein Übermaß an Überwachung, so werden die Menschen in Bayern viermal mehr überwacht als in NRW, kritisiert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D. und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Berlin/25.01.2022 Das Freiburger Max-Planck-Institut (MPI) hat im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit das Modellkonzept eines „Überwachungsbarometers“ entwickelt. Dafür wurden die aktuellen Sicherheitsgesetze und Überwachungsmaßnahmen ausgewertet. „Das Überwachungsbarometer liefert eine Blaupause für eine mögliche Umsetzung der Überwachungs-Gesamtrechnung. Die in der Studie ausgewerteten Daten zu Überwachungsmaßnahmen zeigen teils unglaubliche Auswüchse von Überwachung. Die Menschen sind in Bayern nicht viermal sicherer als anderswo in Deutschland, werden aber viermal so häufig überwacht“, kommentiert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die untersuchten Überwachungsszenarien lassen an vielen Stellen ein Übermaß an Überwachung erkennen. Allein die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg waren im Jahr 2019 für ein Drittel aller Anordnungen von Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ) verantwortlich.

Genauso finden viele Datenzugriffe und -übermittlungen schon so automatisiert statt, dass ihre Wirksamkeit gar nicht mehr hinterfragt wird. Heimliche Abfragen von Bankkonten durch Behörden beispielsweise stiegen innerhalb der letzten 10 Jahre fast um das 10-fache. 2018 waren es annähernd 1 Million Kontoabfragen pro Jahr. „Um die Debatte zu Sicherheitsgesetzen endlich wieder zu versachlichen, brauchen wir dringend eine solide Datengrundlage“, sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Von den 14 ermittelten Überwachungsszenarien können derzeit nicht alle ausgewertet werden. Denn in Deutschland existiert keine vollständige Datengrundlage über die Anwendung von Überwachungsmaßnahmen. Die Studienautoren fordern deshalb für die Forschung einheitliche Evaluations- und Datenzugangsklauseln in Sicherheitsgesetzen.

Eine Bestandsaufnahme und Auswertung der Sicherheitsgesetze ist nach Jahrzehnten konservativer Sicherheitspolitik bitter nötig, fordert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. „Mit dem Regierungswechsel im letzten Jahr ist endlich ein klarer Sinneswandel in der Sicherheitspolitik eingetreten. Sichtbarstes Zeichen dafür ist der Wille der Ampel-Koalition, eine Überwachungs-Gesamtrechnung durchzuführen.“ Laut Bundesverfassungsgericht darf die Überwachung in Deutschland kein Übermaß annehmen. Seit dem Urteil zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2010 wird deshalb in der Rechtswissenschaft eine Überwachungs-Gesamtrechnung gefordert.

Die Studie „Überwachungsbarometer für Deutschland. Ein Modellkonzept“ wurde im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit durch das Max-Planck-Institut (MPI) zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht (Freiburg i.Br.) erstellt. Sie ist unter folgendem Link abrufbar: https://freiheit.org/ueberwachungsbarometer.