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Pakistan
Pakistan vor den Parlamentswahlen: Soziale Medien und Künstliche Intelligenz als neue Wahlkampf-Plattformen

Pakistanische Arbeiter bereiten Wahlplakate der Partei Pakistan Tehrik-e-Insaf des inhaftierten ehemaligen Premierministers Imran Khan im Vorfeld der Parlamentswahlen in Karachi, Pakistan, vor

Pakistanische Arbeiter bereiten Wahlplakate der Partei Pakistan Tehrik-e-Insaf des inhaftierten ehemaligen Premierministers Imran Khan im Vorfeld der Parlamentswahlen in Karachi, Pakistan, vor

© picture alliance / EPA | SHAHZAIB AKBER

2024 wird ein weltweites Super-Wahljahr: Nicht nur die mächtigste Demokratie der Welt, die USA, bereiten sich auf Wahlen vor, sondern auch die größte Demokratie der Welt, Indien, und die 5. größte Demokratie der Welt: Pakistan.

Eigentlich hätten in Pakistan die anstehenden Parlamentswahlen bereits am 2. Oktober 2023 stattfinden sollen, aber die politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen haben immer wieder zu Verzögerungen geführt. Der neue Wahltermin, der jetzt als gesichert gilt, ist der 8. Februar 2024.

Als das Parlament am 12. August 2023 seine Legislaturperiode beendete, übernahm verfassungsgemäß eine technokratische Übergangsregierung die Amtsgeschäfte mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag, Neuwahlen innerhalb von 90 Tagen durchzuführen. Doch diesen Zeitplan hielten die Verantwortlichen nicht ein. Der intensive Machtkampf innerhalb der politischen Eliten Pakistans, der seit dem Misstrauensvotum gegen Ex-Premierminister Imran Khan und seine Partei PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaaf) im April 2022 tobt, verbunden mit der desolaten Wirtschaftslage und einer sich verschlechternden Sicherheitslage, haben immer wieder zu Verzögerungen geführt.

Nach seinem Machtverlust 2022 setzte Imran Khan alles daran, durch eine Mobilisierung der Straße und politische Schachzüge in den Provinzen Punjab und Khyber Pakhtunkhwa vorgezogene Neuwahlen zu erreichen, doch ohne Erfolg. Seine starke, aggressive Rhetorik gegen die Nachfolge-Regierung von Premierminister Shabaz Sharif und das einflussreiche Militär polarisierte die politische Lage hochgradig. Als Imran Khan am 9. Mai 2023 kurzfristig verhaftet wurde, führte das sofort zu gewaltsamen Ausschreitungen seiner Anhänger in zahlreichen Städten des Landes. Erstmals wurden von diesen Ausschreitungen auch militärische Einrichtungen betroffen.

Anhänger der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) versammeln sich während einer Kundgebung vor den Parlamentswahlen in Hyderabad, Pakistan

Anhänger der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) versammeln sich während einer Kundgebung vor den Parlamentswahlen in Hyderabad, Pakistan

© picture alliance / EPA | NADEEM KHAWAR

Blockade, Verhaftungen und Medienstille

Die Sicherheitsbehörden reagierten sofort und hart: Für eine Woche wurde das mobile Internet blockiert. PTI-Aktivisten, Sympathisanten und politische Führer, die mit den Ausschreitungen in Zusammenhang gebracht wurden, wurden verhaftet und unter Druck gesetzt, sich von Imran Khan und seiner Partei loszusagen. Die scharfe Reaktion der Behörden erreichte ihren Zweck: Als Imran Khan im August 2023 wieder verhaftet und wegen Korruption zu 3 Jahren Haft verurteilt wurde, regte sich kein Widerstand mehr auf der Straße oder in den etablierten Medien.

Imran Khan war inzwischen aus den etablierten Medien verbannt worden. Radio und TV führen keine Live-Sendungen über ihn und die PTI mehr durch. Öffentliche Veranstaltungen kann seine Partei nicht abhalten.

Imran Khan auf digitalem Stimmenfang

Das Medien-Team seiner Partei weiß jedoch darauf zu reagieren. Bereits bei den Wahlen von 2018, die seine Partei mit ca. 31% der Stimmen gewann, hatte die PTI einen modernen Wahlkampf geführt, der stark auf den Einsatz sozialer Medien setzte und damit v.a. die jungen Wähler erfolgreich ansprach. In der aktuellen Situation setzte die PTI wiederum auf einen intelligenten Einsatz digitaler Medien. Obwohl der inhaftierte Parteiführer Imran Khan nicht an den Wahlen selbst teilnehmen kann und sich eigentlich auch nicht politisch betätigen darf, ist er in den sozialen Medien seiner Partei doch sehr präsent – oder zumindest sein digitaler Avatar: im Dezember 2023 überraschte er die Öffentlichkeit mit einer digitalen Wahlveranstaltung, der ersten ihrer Art in Pakistan. Ein digitaler Video-Clip, der mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz produziert worden war, zeigte einen Avatar des Parteiführers, der zu einer Wahlversammlung zu sprechen schien. Die 4-minütige digitale Rede wurde live von zehntausenden Zuschauern auf verschiedenen Medienplattformen verfolgt. Auf Youtube erreichte das Video mehr als 1,4 Mio Views so meldet die Presse-Agentur Reuters.

Menschen beobachten eine virtuelle Wahlkampfkundgebung der Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) des inhaftierten ehemaligen Premierministers Imran Khan in einem Raum in Karatschi, Pakistan

Menschen beobachten eine virtuelle Wahlkampfkundgebung der Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) des inhaftierten ehemaligen Premierministers Imran Khan in einem Raum in Karatschi, Pakistan

© picture alliance / EPA | SHAHZAIB AKBER

Die PTI-Medien-Abteilung  teilte später mit, dass die digitale Rede unter Zuhilfenahme von Audio-Video-Aufnahmen seiner Stimme und Versatzstücken seines Redestils mit Künstlicher Intelligenz produziert wurde. Im Video wird eingeblendet, dass der Clip KI-gestützt auf Grundlage eines Skriptes erstellt wurde, das Imran Khan aus dem Gefängnis heraus selbst genehmigt habe. Damit hatte sich der charismatische, schillernde Parteiführer wieder international ins Gespräch gebracht – und damit auch Eingang in die etablierte Medienberichterstattung in Pakistan gefunden, die ihn und seine Partei eigentlich ignorieren sollte.

Imran Khan als Alternative zu den Klientelparteien

Imran Khan ist nach wie vor bei vielen Wählern in Pakistan sehr beliebt und gilt als Alternative zu den althergebrachten Klientelparteien. Auch bei Auslandspakistanern hat er einen großen Rückhalt. Diese Netzwerke ermöglichen es ihm und seiner Partei, beträchtliche Spenden einzuwerben und erleichtern den Zugang zu internationalen Medien. Der strategische Einsatz digitaler Medien ist ein ausgezeichnetes Instrument, um einerseits die weltweite Anhängerschaft zu mobilisieren und andererseits die Hürden der Zensur in Pakistan selbst zu umgehen und doch im Gespräch zu bleiben.

Nach der Veröffentlichung seiner KI-gestützten Wahlkampfrede auf Youtube hat seine Partei diese Strategie fortgesetzt: Am 7. Januar führte sie einen digitalen Fundraising-Telethon durch, der in Pakistan mit massiven Störungen im Internet begleitet wurde. Die internationale Internet-NGO NetBlocks berichtet über eine landesweite Störung bei den gängigen sozialen Medienplatformen X/Twitter, Facebook, Instagram und Youtube.

Für weitere Furore sorgte die Veröffentlichung eines Meinungsartikels von Imran Khan in dem renommierten englischsprachigen Magazin The Economist vom 4. Januar unter dem Titel „Imran Khan warnt, dass Pakistan´s Wahlen eine Farce werden können“. Wiederum steht die Frage im Raum, wie der Text entstanden ist, ob selbst verfasst oder KI-generiert. PTI-Stellen versichern, dass der Artikel von Imran Khan selbst verfasst sei. Daraus ergibt sich jetzt die Frage, wie der Artikel aus der Haft an die Presse gelangen konnte.

Auch wenn es unter den aktuellen Rahmenbedingungen in Pakistan nicht wahrscheinlich ist, dass seine Partei PTI einen nennenswerten Erfolg bei den anstehenden Wahlen erzielen kann, ist Imran Khan inzwischen ein politischer Machtfaktor geworden, mit dem langfristig zu rechnen ist.