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Freedom of Art
Kunst ist universell, genau wie die künstlerischen Probleme

Das Projekt Art Interrupted
Art Interrupted Greece
© Friedrich Naumann Foundation for Freedom

Die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Meinungsäußerung waren schon immer problematische und kontroverse Themen. In einer Zeit, in der der politische Druck auf die freie Meinungsäußerung zugenommen und die 2020 ausgebrochene Covid-19-Pandemie die ganze Welt erfasst hat, sind die Probleme im Bereich der Kunst und Kultur heute sichtbarer denn je. “Art Interrupted” wurde in erster Linie mit dem Ziel ins Leben gerufen, ein umfassendes Bild der Probleme in den verschiedenen Bereichen von Kunst und Kultur in Ost- und Südosteuropa zu vermitteln.

Freiheit: Was Kunst und Künstler für den Aufstieg brauchen

Wir leben in Zeiten, in denen sich Machthaber und ihre Verwaltungen weltweit von den Errungenschaften der Demokratie und der Freiheit abzuwenden scheinen. Zudem hält eine Pandemie die Welt fest im Griff. Es ist eine, in der Krisen und politische oder soziale Spannungen ein Freiheits-Tribut fordern. In diesen schwierigen Zeiten, in denen autoritäre Regime an Stärke gewinnen und einige Regierungen, die als Vorbilder für gut funktionierende Demokratien galten, die globale Krise nur nutzen, um sich auf Dauer zu etablieren und in der Verfassung verankerte Grundrechte einzuschränken, kann die Kunst kaum gedeihen.

Kunst und Künstler brauchen nur eines für den Aufstieg: Freiheit. Seit Beginn der menschlichen Existenz, d.h. seitdem Kultur die Menschheit prägt, hat die Kunstfreiheit unter Einschränkungen zu leiden, die ihr von Menschen, Gesellschaft und Verwaltungen vorgeschrieben werden. Selbst in Zeiten mit der größten Kunstfreiheit in der Geschichte, wurde das künstlerische Schaffen von denjenigen eingeschränkt, die zu blind waren, um zu verstehen, dass gerade Kunst unendlich viele Türen zu neuen Welten öffnen kann. Überall auf der Welt, selbst in den modernsten Gesellschaften von heute, kann die Phantasie angesichts von Tabus, Regeln, Gesetzen und manchmal direkten Verboten kaum überleben, auch wenn diese sich in ihrer Art und ihrem Kontext von denen der Vergangenheit unterscheiden. Die Kunst, die von Authentizität und Autonomie geprägt sein sollte, kann sich nicht völlig von politischen Eingriffen oder wertenden religiösen, rechtlichen und gesellschaftlichen Werten lösen.

Hinzu kommt, dass Künstler in den meisten Ländern mit Armut, fehlender sozialer Absicherung und Problemen zu kämpfen haben, die sich mangels eines regelmäßigen, angemessenen Einkommens ergeben. Die Anfang 2020 ausgebrochene Pandemie verschärfte nur die Probleme für freischaffende Künstler in den meisten Ländern. Vor allem Performance-Künstler waren buchstäblich für einen langen Zeitraum vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, weil ihre Heimatländer ihnen nicht die finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit boten, die für ein ungehemmtes und unabhängiges Schaffen Voraussetzung ist. Dies zeigte, dass die Kunstszene keineswegs institutionalisiert und organisiert war, was wiederum Diskussionen über das Verhältnis von Staaten und staatlichen Stellen zur Kunst auslöste.

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Art interrupted

Das Ende 2020 gestartete Projekt Art Interrupted zielt darauf ab, die Schwierigkeiten im Bereich der Kunst zu synthetisieren, ein breiteres Bewusstsein für die Probleme von Künstlern zu entwickeln und kollektive Lösungen für Probleme der Meinungsfreiheit in Ost- und Südosteuropa zu finden.

Das Projekt ist eine Folgemaßnahme zu einem Konzept, das während der vom Regionalbüro für Ost- und Südosteuropa der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit organisierten Konsultationen Future of Freedom entwickelt wurde. Die Konsultation „The Artist and the Tyrant” brachte Freiheitsverteidiger aus der Region, liberale Multiplikatoren, Künstler und Aktivisten aus den Bereichen bildende Kunst, Film, Literatur und Straßenkunst zusammen, um kreative und künstlerische Wege zu finden, die dem Autoritarismus entgegenwirken und das Schrumpfen demokratischer Räume verhindern können. Von einer nationalen Ausgabe in der Türkei gewann das Projekt regionale Dimension.

Zunächst wurde auf dem türkischen Webportal Gazete Duvar eine zehnteilige Videoreihe mit dem Titel „Art Interrupted“ („Askıda Sanat“) veröffentlicht. Die Serie, in der zahlreiche Themen wie die Auswirkungen der Pandemie auf Künstler, private Theatergruppen, die Stellung der Frauen in der Kunstszene, die Probleme der Kinobranche usw. aufgegriffen wurden, erreichte Hunderttausende von Menschen. Gazete Duvar ist wahrscheinlich die beliebteste Nachrichten-Website der unabhängigen, demokratischen Kräfte in der Türkei. Sie ist dafür bekannt, dass sie unbequeme Themen wie LGBTI-Rechte, Vergangenheitsbewältigung, ethnische Vielfalt und kulturelle Rechte behandelt, die vom Staat und der großen Mehrheit der Bevölkerung als Tabus angesehen werden.

Ende 2020 setzte das Projektteam mit direkter Unterstützung der FNF ein weiteres Projekt mit dem Titel „Art Interrupted: Further and Closer“ um, um dieses Thema auf internationaler Ebene zu diskutieren und Künstler aus verschiedenen Ländern über ihre Erfahrungen berichten zu lassen. In diesem Rahmen wurden die Nöte von Künstlern in vier Ländern, nämlich Georgien, Armenien, Griechenland und der Türkei, untersucht, die Ergebnisse in Berichte umgesetzt und ein Online-Rundtischgespräch mit 19 Teilnehmern aus diesen Ländern organisiert. Dieses Treffen, an dem Kunstexperten, Künstler, Akademiker und Vertreter gemeinnütziger Organisationen teilnahmen, ergab, dass Künstler in diesen Ländern sowohl mit standortspezifischen Problemen als auch mit gemeinsamen Erfahrungen zu kämpfen haben.

Im Rahmen des Projekts produzierten Filmemacher aus den o.g. vier Ländern jeweils einen kurzen Dokumentarfilm, der die Probleme aufzeigt, mit denen die Künstler in ihren Ländern in Bezug auf die Freiheit der künstlerischen Ausdrucksformen konfrontiert sind. Die Filmemacher wurden gebeten, eines der im Projekt „Art Interrupted“ genannten Probleme, das in ihrem jeweiligen Land weit verbreitet ist, am Beispiel eines Künstlers oder eines Falles darzustellen. Als Ergebnis vermitteln diese Dokumentationen ein ausgezeichnetes Verständnis der Probleme, mit denen Künstler in diesen vier Ländern konfrontiert sind.

Georgien

Die georgische Regisseurin Salome Sordia drehte den Dokumentarfilm „The Password“. Er basiert auf die Aussage des Performance-Künstlers Andro Dadiani. Da Dadianis Lebensstil und seine quere Identität von der Gesellschaft nicht gebilligt werden und dies auch zu seinem künstlerischen Ausdrucksstil passt, tritt er nur mit einer Gesichtsmaske auf und bezeichnet deren Verwendung eher als "proaktive Bildsprache“, nicht als “absolute Notwendigkeit“. Für Dadiani hat sich die Maske zu einem integralen Bestandteil seiner Kunst entwickelt, aber auch zur Darstellung einer Wahrheit, die er nicht vergessen darf und die sich wie folgt formulieren lässt: Die anhaltende soziale und politische Gewalt schafft diskret den besten Nährboden für Selbstzensur, und diese wiederum beeinflusst die eigene Kunst und die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks. Darüber sagt Dadiani Folgendes im Film: „Die Dinge, die ich ansprechen wollte, aber nicht offen diskutieren durfte, häuften sich im Laufe der Zeit und veranlassten mich, die Maske als Instrument der Selbstzensur einzusetzen und anzunehmen."

Türkei

In der Türkei wurde ein Dokumentarfilm über eine der einflussreichsten und tief verwurzeltsten Bands des Landes, Kardeş Türküler, gedreht. Die Band wurde in den frühen 1990er Jahren von einigen Studenten der Bogazici-Universität, einer der besten Universitäten der Türkei, gegründet. Diese Leute definierten sich selbst als „eine Idee, ein Thema, ein Satz“. Sie sind seit Anfang der 1990er Jahre in vielen Bereichen der Kunst wie Musik, Theater, Tanz und Folklore aktiv. Die türkischen Journalisten Sercan Meriç und Anıl Mert haben einen 12-minütigen Kurzfilm über Kardeş Türküler mit dem Titel „Hatırla“ (Remember) gedreht, in dem aktuelle und ehemalige Bandmitglieder über die historischen Hintergründe, die Ziele, die Kunstauffassung und die Perspektive der Band berichten. Ein weiteres Thema des Dokumentarfilms ist der jahrelange Kampf der Band, ihre Lieder in verschiedenen Sprachen, darunter Kurdisch, Armenisch und Griechisch, vortragen zu können, während man versuchte, Druck auszuüben und sie zum Schweigen zu bringen.

Armenien

Der nächste Dokumentarfilm, der von dem berühmten armenischen Dokumentalisten Tigran Paskevichyan produziert wurde und bei dem Eduard Paskevichyan Regie führte, trägt den Titel „Rock's Open Nerve: Lav Eli“. Er erzählt die Geschichte von Lav Eli, einer der ältesten armenischen Rockbands, die 1994 gegründet wurde und den Kampf und Widerstand der Bandmitglieder während der gesamten Karriere. Bei den Präsidentschaftswahlen 2008 in Armenien spielten Lav Eli eine aktive Rolle im Widerstand gegen den Wahlbetrug. Sie nahmen an Protesten teil und mussten in der Folge großen politischen Druck aushalten – die Geschichte der Musik kennt zahlreiche solcher Beispiele. Mher Manukian, Leadsänger und Gitarrist von Lav Eli, erzählt über die Hindernisse und die Zensur, der sie ausgesetzt wurden, wie z. B. das Presseembargo und die Absage ihres Auftritts bei den Armenian Music Awards in den USA. Die Band, die sich mehrmals aufgelöst und wieder zusammengefunden hat, hat hervorragende Arbeit im Namen der künstlerischen Freiheit geleistet, und das in einer Welt, in der Pandemie, Krieg und politische Zensur grassieren. Denn man wollte allen zeigen, wie Kunst als Instrument zur Erlangung von Freiheit eingesetzt werden kann.

Griechenland

In Griechenland, wo Kunst auch einen historischen Wert hat, spricht die Malerin und Illustratorin Maria Panagiotou über die Rolle des Künstlers als Brückenbauer zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, so wie es das kulturelle Erbe ihres Landes verlangt. In dem Kurzfilm, der die finanziellen Engpässe von Künstlern kommentiert, macht Panagiotou auf den Unterschied zwischen den zwei Arten von Kunstwerken aufmerksam. Die eine bezahlt die Rechnungen und die andere dient als Nahrung für die Seele. In dieser Dokumentation, bei der Eleftherios Asimakopoulos Regie führte, erzählt Maria Panagiotou persönlich von den Schwierigkeiten, die sie als freischaffende Künstlerin hatte, um sich über Wasser zu halten.

Art Interrupted will die großen und kleinen Hindernisse aufzeigen, mit denen Kunst und Künstler konfrontiert sind, und nach kreativen Lösungen suchen, um künstlerisches Schaffen mehr Freiheit einzuräumen,