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Treffen Sie Svetla Kostadinova aus Bulgarien
Svetla Kostadinova
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Svetla Kostadinova ist seit 13 Jahren Geschäftsführerin einer der wirtschaftlich einflussreichsten Denkfabriken Bulgariens

Svetla Kostadinova hat die außergewöhnliche Eigenschaft ruhig und seriös aufzutreten. Sie strahlt Respekt aus, noch bevor sie Sie mit ihrem Verstand beeindruckt. Sie ist die geschäftsführende Direktorin des Instituts für Marktwirtschaft (IME), einer wichtigen, wirtschaftlich einflussreichen Denkfabrik in Bulgarien seit fast 30 Jahren. Svetla genießt Respekt und Einfluss in Bulgarien, ohne darüber zu sprechen. Im Laufe der Jahre hat sie den politischen Diskurs des Landes maßgeblich beeinflusst.

Svetla Kostadinova
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Der unerklärliche Job

„Die erste Herausforderung, mit der ich konfrontiert wurde, ist noch heute Tatsache - wie erkläre ich meiner Mutter, womit ich mich beschäftige?”, lacht Svetla, als sie auf die Frage nach den Schwierigkeiten in ihrem Job antworten muss. Sie kam 2001 zum Institut für Marktwirtschaft (IME) und wurde 2007 dessen Geschäftsführerin. Inzwischen hat ihre Mutter Verständnis für den Job, aber es fällt ihr immer noch schwer, es ihren Freunden zu erklären. Svetla fügt hinzu, es sei nicht einfach den Leuten zu erklären, dass Organisationen wie das Institut Veränderungen herbeiführen und die öffentliche Meinung beeinflussen können. „Wir versuchen die öffentliche Meinung zu gestalten oder ein Gefühl zu schaffen, dass etwas getan werden muss, dass es nur einen bestimmten Weg für eine bestimmte Politik gibt“, sagt sie. „Viele Unternehmen oder Menschen betrachten NGOs nur als Lobbyisten oder Organisationen mit sozialen Aufgaben, die benachteiligten Gruppen helfen sollen“, fügt sie hinzu. Inzwischen setzen sich Svetla und ihr Team für Reformen der freien Marktwirtschaft ein und versorgen sowohl Journalisten als auch Politiker mit fachlichen Meinungen und gründlichen Analysen.

Zitat Svetla Kostadinova
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Eine führende Wirtschaftsexpertin

Svetla wurde in Varna, der drittgrößten Stadt Bulgariens am Schwarzen Meer, geboren. Sie begann dort ein Studium der Wirtschaftswissenschaften, doch nach zwei Wochen im ersten Semester beschloss sie, wegzuziehen. Sie zog in die Hauptstadt Sofia und absolvierte dort ihr Studium an der Wirtschaftsuniversität. Sie studierte Wirtschaft in Zeiten einer Wirtschaftskrise, die sie als „etwas chaotisch“ beschreibt. Damals erlebte Bulgarien Proteste, Hyperinflation und eine instabile politische Lage. „Meine Mutter appellierte an mich, ich solle die Stadt verlassen und heimkehren, denn wir würden in gefährlichen Zeiten leben", erinnert sich Svetla. Doch ob es jugendlicher Starrsinn, Ehrgeiz oder einfach ihr Instinkt war, Svetla blieb in Sofia und machte 2001 ihren Abschluss. „Es wäre schön, dachte ich mir, nach dem Studium in einer Bank zu arbeiten“, sagt sie. Bevor sie sich jedoch für einen Job bei einer Bank bewarb, erzählte ihr ein Freund vom Institut für Marktwirtschaft. Sie bewarb sich und so begann ihre Karriere als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Krassen Stanchev, Gründer und erster Direktor der Denkfabrik. Zwei Jahre später wurde sie Vollzeit-Ökonomin.

„Das war mein erster und einziger Job seit dem Studium, was zugleich gut und schlecht sein kann. Gut, weil [ich] die Dynamik verstehe und die Herausforderungen kenne, da ich nicht nur in der Organisation, sondern auch in meiner Heimat an der Entscheidungsfindung beteiligt bin. Es kann aber auch schlecht sein, weil das Fehlen anderer Erfahrungen mir nützliches Wissen für meine Arbeit vorenthalten kann”, erklärt sie.

Zitat Svetla Kostadinova
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

2007 wurde sie unter einer Gruppe von Bewerbern aus und von außerhalb der Organisation zur Direktorin gewählt, wobei der Vorstand des Instituts das letzte Wort hatte. „Mein jetziger Posten als Direktorin war von Anfang an nicht geplant, es hat sich einfach so ergeben”, sagt Svetla. Der frühere Direktor Krassen Stanchev musste sich von diesem Job distanzieren, so dass Svetla für ihn eingesprungen ist.

Sie erinnert sich, dass es anfangs schwierig war eine Führungsposition einzunehmen. „Es war im Januar 2007. Krassen war außerhalb des Landes, in Tadschikistan oder sonst wo, und ich war einfach hier. Neben meinen laugenden Aufgaben musste ich am Monatsende die Gehälter auszahlen", lächelt sie. Einerseits versuchte sie, ihre Forschungsarbeit zu machen und sich für eine freie Marktwirtschaftspolitik einzusetzen, andererseits beschäftigte sie sich mit Fundraising und Management. Nach einem Jahr Multitasking wurde ihr jedoch klar, dass sie sich auf Letzteres konzentrieren musste.

„Es war eine bewusste Entscheidung, nicht etwas, das mich überrumpelt hat. Ich habe versucht, meine Fähigkeiten im Fundraising, in der Konfliktlösung und im Umgang mit Menschen zu verbessern. Seitdem besteht meine einzige Aufgabe darin, ein angenehmes und motivierendes Umfeld für das Team zu schaffen, die besten Leute auszuwählen und sie nach Möglichkeit zu halten und sie das tun lassen, was sie am besten können - für ihre Ideen eintreten und dafür kämpfen", erklärt Svetla.

Wind of change

Da das Institut für Marktwirtschaft (IME) eine starke, prominente Rolle im öffentlichen Diskurs einnimmt, können wir uns sicher sein, dass Svetla Kostadinova als Leiterin einen großartigen Job macht. Eine der denkwürdigsten Errungenschaften der Denkfabrik, auf die sie besonders stolz ist, datiert aus dem Jahre 2009, fast vor einem ganzen Jahrzehnt. „Wir setzten uns für die Abschaffung des Mindeststammkapitals ein, das für die Gründung eines Unternehmens erforderlich war. Bis zu diesem Zeitpunkt besagte das Gesetz, dass man dafür 3000 Leva aufbringen musste... Es war keine hohe Hürde für die Gründung eines Unternehmens, es war viel mehr eine Verwaltungsangelegenheit, die zu überwinden war”, erzählt Svetla.

„Stellen Sie sich einen Studenten vor, der sich irgendwie 3000 Lewa leihen muss, um diese bei einer Bank zu deponieren, mit dem Kontoauszug, auf dem 3.000 Lewa ausgewiesen sind, ein Unternehmen gründen und dann die geliehenen 3000 wieder zurückzahlt. Das war schon eine Hürde für die Unternehmensgründung. Wir haben uns mehrere Jahre lang gegen diese Vorschrift eingesetzt, und alle, auch die Oppositionsparteien, hielten es für eine gute Idee“, sagt sie. Dann gab es 2009 Wahlen und die Bulgarische Sozialistische Partei, die bis dahin an der Regierung beteiligt war, gehörte zu den Verlierern. Svetla erinnert sich daran, dass die ersten drei Gesetzesvorschläge, die, ins neue Parlament eingebracht wurden, das unternehmerische Mindestkapital betrafen und es auf 1 Euro festlegten, was praktisch die Abschaffung bedeutete. „Fünf Jahre haben wir gebraucht, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass dies der logische Weg ist. Die Tatsache, dass drei sehr unterschiedliche politische Parteien [direkt nach den Wahlen] dieses Thema auf die Agenda des Parlaments setzten, zeigt nur, dass Dinge geschehen können, wenn man konsequent handelt, niemals aufgibt, verschiedene Argumente liefert und immer präsent ist. Natürlich nicht immer, aber sie passieren trotzdem”, sagt sie mit einem Lächeln.

Natürlich ist es sehr schwer, einen starken Einfluss auf die Politiker auszuüben, insbesondere bei zentralen Themen. Doch Erfolge, wie im Fall des Mindestkapitals, motivieren Svetla und ihr Team. „Das ist einer der Momente, wo man merkt, dass man das Richtige zum richtigen Zeitpunkt getan hat. Denn manchmal tun wir das Richtige und es passiert einfach nicht, die Ergebnisse bleiben aus... [In diesem Fall] gab es ein Zeitfenster, aber wir hatten unsere Hausaufgaben gemacht", sagt sie abschließend.

Zitat Svetla Kostadinova
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Der weibliche Fußabdruck

Als weibliche Führungskraft, die die Nachfolge eines Mannes antreten musste, unterscheidet Svetla nicht wirklich zwischen den Geschlechtern, wenn es um die berufliche Entwicklung oder der Übernahme von Führungspositionen geht. „Ich glaube nicht, dass es eine besondere Ermutigung braucht, und ich habe auch keine Entmutigung erlebt. In meiner Karriere wurde ich mit dem Phänomen der gläsernen Decke nie konfrontiert", sagt sie. „Soweit ich mich erinnern kann, ist laut Statistik der Unterschied in Bulgarien zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften einer der niedrigsten in der Europäischen Union. Vielleicht nicht der niedrigste, aber wir verzeichnen eine positive Bilanz“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin.

Svetlas Beobachtungen zufolge entscheiden sich weibliche Ökonomen vorwiegend für die akademische Welt und nehmen nicht sehr aktiv an öffentlichen politischen Diskussionen, teil. „Wenn man sich weibliche Politiker und Parlamentarier und ihre akademische Ausbildung ansieht, haben die meisten Frauen Rechtswissenschaften studiert“, sagt sie. Außerdem ist ein Großteil der in Wirtschaftswissenschaften ausgebildeten Frauen in der Unternehmenswelt tätig, im Gegensatz zu den NGOs.

Zitat Svetla Kostadinova
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

„Das ist schade, denn die wirtschaftliche Perspektive hilft bei der Mittelbeschaffung, der Interessenvertretung, der Kommunikation und der Organisation von Menschen” sagt Svetla. Sie stimmt zu, dass in den gemeinnützigen Organisationen mehr Frauen als Männer beschäftigt sind, und ihre Erklärung dafür ist, dass „sie sich mehr um andere kümmern. Zudem sind Frauen von Natur aus häufiger von Problemen betroffen".

„Beim Vergleich zwischen der Unternehmenswelt und dem gemeinnützigen [Sektor] zeigt sich, das beide mehr Engagement, Wissen, Fortschritt, Lernen aus Erfahrung, Offenheit und Aktualität fordern“, meint sie und fügt hinzu: „In diesem Sinne: Finde einfach das, was dich glücklich macht, und du wirst dein Bestes geben.“

 

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