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Mexiko
Frauenrechte auf dem Vormarsch in Lateinamerika

Mexiko entkriminalisiert Abtreibungen bundesweit
Demonstration in Mexiko-City

Demonstration in Mexiko-City zum Internationalen Tag für das Recht auf sichere Abtreibung

© picture alliance / AA | Daniel Cardenas

In der vergangenen Woche hat der mexikanische Supreme Court ein weitreichendes Urteil gesprochen und Abtreibungen im ganzen Land entkriminalisiert. Abtreibungen sind von nun an in ganz Mexiko in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen sicher und legal möglich.

Das Urteil im Detail

Das Urteil folgte auf eine Rechtsprechung aus dem Jahr 2021, welche die Kriminalisierung von Abtreibungen in dem an Texas grenzenden Bundesstaat Coahuila für verfassungswidrig erklärte. Mexiko-Stadt war der erste Bundesstaat, der Abtreibungen im Jahr 2007 entkriminalisierte. Weitere Staaten folgten. In 20 der 32 Bundesstaaten besteht allerdings bis heute der Straftatbestand der Abtreibungen. Der Kongress ist nun aufgefordert, den Strafbestand noch vor Ende des Jahres aus dem Strafgesetzbuch des Bundes zu streichen.

Dank des bundesweiten Urteils ist es Frauen und gebärenden Personen nun in allen Staaten Mexikos möglich, legale und sichere Abtreibungen in Gesundheitseinrichtungen des Bundes vornehmen zu lassen. Und nicht nur das: Bundeseinrichtungen sind verpflichtet, einen entsprechenden Eingriff zu ermöglichen und qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen. Weder die Frauen, noch die Personen, die den Eingriff vornehmen, dürfen bestraft oder belangt werden.

Außerdem gilt: Frauen, die in der Vergangenheit für eine vorgenommene Abtreibung verurteilt wurden, müssen in Folge des Urteils freigesprochen werden. Laut Angaben von mexikanischen Organisationen wie „Las Libres“, betrifft dies mehr als 200 Frauen in Mexiko, die in Verbindung mit dem Straftatbestand der Abtreibung verhaftet oder inhaftiert wurden.

Die „grüne Welle“ erfasst Lateinamerika

In den vergangenen Jahren wurden entsprechende Urteile oder Gesetze bereits in Argentinien, Kolumbien und Uruguay ausgesprochen und verabschiedet. Mit Mexiko hat nun ein weiteres Land die Rechte von Frauen gestärkt. Dies ist besonders vor dem Hintergrund seiner weithin katholischen und konservativen historischen Prägung bemerkenswert.

Die Kultur zwischen den Geschlechtern ist machistisch geprägt und Frauen müssen hart für ihre Rechte kämpfen. Laut offiziellen Angaben und Amnesty International wurden zwischen 2018 und 2020 landesweit über 11.000 weibliche Personen getötet. Das sind im Schnitt über zehn Frauen pro Tag. Die Anzahl von verzeichneten Sexualstraftaten belief sich im selben Zeitraum auf ca. 151.000, davon ca. 38.000 Vergewaltigungen. Außerdem gelten deutlich über 20.000 Frauen offiziell als verschwunden und die offiziellen Fälle von Gewalt im häuslichen Umfeld, die sich überwiegend gegen Frauen und Mädchen richten, belaufen sich auf über 600.000.

Die Frauenbewegungen in Lateinamerika kämpfen gegen die Ungleichberechtigung von Frauen, gegen Gewalt und auch gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Die „Marea Verde“, das Meer aus grünen Fahnen, Tüchern und Symbolen, verbreitete sich nach seinem Ursprung auf den Straßen von Buenos Aires im Jahr 2003 in vielen Städten in ganz Lateinamerika.

Das Urteil Mexikos ist nun ein weiterer Erfolg im mutigen Kampf für Menschen- und Frauenrechte auf dem Kontinent und könnte auf weitere Staaten in Lateinamerika wie Brasilien oder Chile ausstrahlen.

Der regionale Trend Lateinamerikas steht in deutlichem Kontrast zu den Entwicklungen in den USA. Hier wurde im vergangenen Jahr das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch nach 50 Jahren aufgehoben, indem der Supreme Court „Roe v. Wade“ kippte. Infolgedessen trafen erneut bundesstaatliche Gesetze in Kraft. In konservativen Bundesstaaten wie Missouri oder Texas wurden daraufhin zum Teil sehr restriktive Gesetze gültig. Das Institut Guttmacher, das zu Abtreibungsthematiken forscht, stuft derzeit 25 der 50 Bundesstaaten als restriktiv bis äußerst restriktiv ein.

Doch auch in Lateinamerika ist die Debatte um Abtreibungen kontrovers und emotional. So spricht sich beispielsweise der argentinische Präsidentschaftskandidat Javier Milei dafür aus, das argentinische Gesetz zur Legalisierung von Abtreibungen – das 2020 das erste solcher Gesetze in Lateinamerika war – rückgängig zu machen.

Unabhängig davon, wie sich die Debatte in den einzelnen Staaten in den kommenden Jahren entwickeln wird, eins ist klar: Die Aktivistinnen und Kämpferinnen in Lateinamerika werden weiter laut sein – für Gleichberechtigung, für Sicherheit und für Menschenrechte.