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Naher Osten
Schlagabtausch zwischen Israel und Iran: Perspektiven aus der Region

USA, Iran und USA

Zwischen Israel, dem Iran und den USA kam es im Juni zur gefährlichen Eskalation.

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Die Spannungen im Nahen Osten erreichten im Juni eine neue Dimension. Zwischen dem 13. und dem 24. Juni kam es zwischen Israel, dem Iran und schließlich den USA zur gefährlichsten Eskalation, die der Nahe und Mittlere Osten in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat – 12 lange Tage, in denen die Welt den Atem anzuhalten schien.

Ein Rückblick: Am 13. Juni startete Israel – vor Abschluss der fortgeschrittenen Verhandlungen zwischen dem Iran und den USA – einen Überraschungsangriff („Operation Rising Lion“) auf die iranischen Atom- und Raketenprogramme und auf weitere iranische Staats- und Regimeziele.

Der offenkundig überraschte Iran erwiderte den Angriff umgehend und nahm Israel mit Raketen und Drohnen unter Beschuss, die Zerstörungen vor allem in Ballungsräumen verursachten und das öffentliche Leben in Israel weitgehend zum Erliegen brachten. In der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens kam es zu Einschränkungen der Luftfahrt, diverse Länder evakuierten vorsorglich ihre Staatsbürger.

In der Nacht auf den 22. Juni traten dann auch noch die USA in den Krieg ein und griffen erstmals mit bunkerbrechenden Bomben die nuklearen Anlagen des Landes an, um diese auszuschalten oder zumindest einer möglichen weiteren Anreicherung von Uran vorzubeugen.

Nur zwei Tage später verkündete dann US-Präsident Donald Trump auf Social Media einen - offensichtlich von den USA erzwungenen Waffenstillstand - nach einem als symbolisch eingestuften und folgenlosen „Vergeltungsschlags“ des Iran auf eine US-Militärbasis in Katar. Die von Präsident Trump als „12-Tage-Krieg“ bezeichnete militärische Auseinandersetzung war damit beendet.

Zweifel an der Tragfähigkeit des Waffenstillstands sind weit verbreitet, nicht zuletzt, da dessen Modalitäten – zumindest öffentlich - unklar sind, womöglich gar nicht verschriftlicht wurden.

Auch der militärische Erfolg Israels und der USA ist unklar: Widersprüchliche Informationen darüber, ob die unterirdische Nuklearanlage in Fordo komplett zerstört wurde und ob das angereicherte Uran ebenfalls vernichtet oder aber vorher durch den Iran wegtransportiert wurde, führen bis in die Gegenwart zu hitzigen Debatten.

So führen Kritiker des Präventivkriegs argumentativ ins Feld, dass das militärisch erzielte Ergebnis im Resultat hinter dem unter Präsident Obama diplomatisch erzielten, und von Präsident Trump aufgekündigten, Iran-Deal zurückbleiben dürfte.

Die Furcht vor einer unbedachten Reaktion des iranischen Regimes und eine mögliche ausufernde Eskalation versetzten umliegende Staaten in eine Form der Schockstarre, da ein direkter militärischer Konflikt zwischen den USA und Iran weitereichende Folgen für die Region aber auch den Rest der Welt bedeuten könnte.  

Déjà-vu aus der Ära Bush: Die Menschen in arabischen Staaten der Levante fühlten sich kurzzeitig an Szenen kurz vor der völkerrechtswidrigen US-Invasion im Irak zurückerinnert, insbesondere nach Social Media Bekundungen aus den USA, dass ein Regimewechsel in Teheran ebenfalls denkbar sei. Die Anspannung lag greifbar in der Luft und für rund 48 Stunden fürchtete man sich vor einer völligen, unkontrollierbaren Eskalation der Situation, die die Sicherheit, Wirtschaft sowie die globale Ordnung für Jahrzehnte hätte verändern können. Israel, das sich seit rund 20 Monaten in einem direkten Krieg mit Proxys der Terror Achse des Iran befindet, empfand die Operation als notwendige Unterstützung für einen langfristigen Frieden mit dem feindlichen Iran.

Aber wie wird die komplexe Situation in den Ländern der Region beurteilt? Wie schätzen die Menschen die Rolle der USA langfristig und geopolitisch ein? Und ist ein tragfähiger Frieden möglich? 

Israel und der transatlantische Blick

Israel hatte als Kriegsziel die Zerstörung des iranischen Atomprogramms und die Schwächung der militärischen Bedrohung durch den Iran ausgegeben. Bis zuletzt blieb indes unklar, ob auch ein „Regimewechsel“ in Teheran als Kriegsziel definiert worden war.

Eine Blitzumfrage des Israel Democracy Institute, die noch vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstands durchgeführt wurde, zeigt, dass rund 70 Prozent der israelischen Bevölkerung den Angriff auf den Iran befürworten – ein Stimmungsbild, das weiterhin die öffentliche Diskussion prägt. Besonders unter jüdischen Israelis fällt die Zustimmung mit 82 Prozent deutlich aus, während 65 Prozent der arabischen Israelis den Angriff ablehnen. Letztere begründen dies unter anderem damit, dass Premierminister Netanjahu vor allem persönliche Motive und nicht sicherheitspolitische Überlegungen antreiben würden.

Dieser setzt weiterhin darauf, den Krieg als historischen Wendepunkt zu inszenieren – mit dem Ziel, sowohl die Abraham-Abkommen zu erweitern als auch den Konflikt in Gaza zu lösen. Er erklärte: „Ich kann mir eine massive Ausweitung der Friedensabkommen vorstellen. Ich sehe Kooperationen, die im Moment noch wie Fantasie erscheinen mögen.“

Diese optimistische Einschätzung wird derzeit auch von anderen geteilt. Der liberale Oppositionsführer Yair Lapid etwa äußerte sich ebenfalls positiv, fügte jedoch mahnende Worte hinzu: „Der Staat Israel und in der Tat die ganze Welt, befindet sich heute in einer weit besseren Lage als vor zwei Tagen (der US-Operation) und sicherlich besser als vor anderthalb Wochen. Gleichzeitig bringt ein solcher Krieg die Wirtschaft zum Stillstand und verursacht unzählige individuelle Härten“.

Die Skepsis seitens der israelischen Bevölkerung gegenüber Benjamin Netanjahu wächst allerdings gleichzeitig und man betrachtet den Erfolg gegen den Erzfeind Iran eher als Erfolg der Amerikaner als den von Netanjahus.

Auch die Rolle der USA wird von Stimmen im Nahen Osten evaluiert.

So war es US-Präsident Trump, der in dem ihm eigenen erratischen Politikstil erst die bedingungslose Kapitulation des Iran forderte, um wenige Tage später mit durchaus lobenden Worten Richtung Teheran den Waffenstillstand zu verkünden. Ohnehin hatte Trump sowohl militärisch als auch politisch erst die Kriegserfolge und anschließend den „Frieden“ für sich beansprucht. Seine Botschaft: Es sei ein Frieden durch Stärke.

Arkady Mil-Man vom Institute for National Security Studies (INSS) betont: „Wir befinden uns inmitten eines prägenden Ereignisses, das die geopolitische und sicherheitspolitische Architektur des Nahen Ostens neugestalten wird. Trumps Entscheidung, sich an Israels Operation zu beteiligen, zeigt, dass die USA ihre internationale Rolle beibehalten wollen. In diesem Stadium herrscht erhebliche Unsicherheit über das tatsächliche Ausmaß der Schäden und die Stabilität des iranischen Regimes.“

Die Golfstaaten und arabische Levante: Zwischen Deeskalation und Gefahr des Flächenbrandes

Die Golfstaaten haben ein klares Interesse daran, eine militärische Eskalation zwischen Israel und Iran zu vermeiden, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Länder wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate befinden sich mitten in einem tiefgreifenden Strukturwandel: weg vom Öl, hin zu diversifizierten Volkswirtschaften mit Schwerpunkten auf Tourismus, Finanzsektor und Technologie. Ein großflächiger Konflikt würde diese ambitionierten Pläne ins Wanken bringen; Investoren könnten abgeschreckt werden, Lieferketten und wichtige Sektoren wie Luftfahrt, Immobilien oder Logistik nachhaltig gefährdet sein. Hinzu kommt die konkrete Bedrohung für kritische Infrastruktur. Raketenschläge auf US-Stützpunkte in Katar oder der Schutz sensibler Ölanlagen im gesamten Golf machen deutlich, wie verletzlich die Region ist. Eine regionale Eskalation würde auch die mühsam aufgebaute Vermittlerrolle der Golfstaaten gefährden, etwa im Spannungsfeld zwischen Washington, Teheran und Tel Aviv. Stabilität hingegen eröffnet wirtschaftliche Chancen: mehr Handel, mehr Kooperation, weniger Militärausgaben. Für die Golfmonarchien ist klar: Stabilität ist kein Idealismus – sie ist ein handfestes Standortinteresse.  

Das kleine und politisch überschaubare haschemitische Königreich Jordanien versuchte ebenfalls unmittelbar, auf ein Konfliktende hinzuwirken, da es eine größere Eskalation und einen weiteren Krieg in der Region wirtschaftlich und vermutlich auch politisch nicht überleben würde. In einer offiziellen Erklärung unterstrich Jordaniens König die feste Unterstützung seines Landes für Katar im Falle äußerer Bedrohungen oder Versuche, die regionale Stabilität zu untergraben. Er betonte außerdem die Bedeutung gemeinsamer Anstrengungen und enger Zusammenarbeit der arabischen Staaten, um Sicherheit und Frieden im Golf zu gewährleisten. Der vor wenigen Monaten im Land verbotenen Muslimbruderschaft – einem ideologischen Rivalen des schiitischen Regimes im Iran -  käme mutmaßlich trotz der Divergenzen mit Teheran regionale Unruhe und die Destabilisierung pro-westlicher Staaten wir beispielsweise Jordanien entgegen.  

Libanon, seit dem im November 2024 geschlossenen Waffenstillstand mit Israel nach der militärischen Niederlage der Hisbollah ein „Nebenschauplatz“ in diesem Konflikt, wäre genau wie Jordanien und die Golfstaaten massiv von Auswirkungen eines eskalierenden Konflikts betroffen.  Aus Sorge vor dem drohenden Unheil kamen von Libanons noch junger, nach Jahren der politischen und wirtschaftlichen Katastrophen hoffnungsvoll ins Amt gekommenen Regierung unmittelbar deeskalierende Statements.  

Präsident Joseph Aoun bekräftigte in Absprache mit Premierminister Salam Libanons Bekenntnis zur Distanzierung und Nichteinmischung und warnte zugleich: „Eine Verwicklung in den Konflikt wäre verheerend für ein Land, das bereits unter wirtschaftlichem Zusammenbruch und politischer Lähmung leidet.“

Während das offizielle Beirut bemüht war, Gefahr vom Libanon abzuwenden, wurde der Kriegsverlauf im polarisierten Libanon genau verfolgt und der Waffenstillstand von Anhängern der Hisbollah als Ausdruck eines iranischen Sieges verklärt.

Der libanesische Abgeordnete Michel Helou, National Bloc, verdeutlicht, weshalb Irans gestreute Proxys in der Region trotz Schwächung so gefährlich sind: „Die Islamische Republik handelt in ihrem eigenen Interesse, während die Hisbollah gegen die Interessen Libanons agiert. Khameneis oberste Priorität ist der Erhalt des iranischen Regimes – während die Führung der Hisbollah bereit ist, sich selbst, ihre Kämpfer und ganz Libanon für Iran zu opfern“.

Während die Hisbollah massiv geschwächt aus dem Krieg mit Israel hervorgeht, bergen andere Player wie die Muslimbruderschaft nach wie vor die Gefahr, im Untergrund Hass gegen den Westen und Israel zu lehren und stabilere Systeme in der Region auszumerzen. Die von dschihadistischen Zellen ausgehende Gefahr für die Stabilität Jordaniens, des Libanon, Syriens und westlicher Interessen ist nach wie vorgegeben. Insgesamt wünschen sich die Führungen der arabischen Levante und der Golfstaaten ähnlich wie der Westen keinen Iran, welcher im Besitz von Nuklearwaffen ist oder durch zukünftig im Untergrund gestärkte Proxys die Region bedroht.

Die tiefgreifende Grundproblematik bleibt bestehen

Die Eskalation zwischen Israel, Iran und den USA hat den Gaza-Krieg in der öffentlichen Wahrnehmung zeitweise überschattet. Dabei dürfte das Ausmaß der Zerstörung und des unermesslichen menschlichen Leids in Gaza – der Zivilbevölkerung und der Geiseln – nach 20 Monaten seinen bisherigen Tiefpunkt erreicht haben.

Nisaa FM, der erste arabische frauengeführte Radiosender im Nahen Osten mit Sitz in Ramallah, schätzt die Situation folgendermaßen ein: "Die Eskalation zwischen Iran und Israel droht, unsere Stimmen und unser Leid aus dem Gewissen der Welt zu löschen. Wir rufen zu erneuter internationaler Aufmerksamkeit für die humanitäre Krise in Gaza und im Westjordanland auf und zu echten diplomatischen Bemühungen, die die palästinensischen Rechte und die Würde in den Mittelpunkt stellen – nicht nur regionale Machtspiele.“

Der Mangel an Schutzräumen in einer kritischen Situation wie militärischer Auseinandersetzung zwischen den USA, Israel und Iran wirkt sich vor allem auf den palästinensischen Bevölkerungsteil in Israel aus. Dr. Amnon Ramon vom Jerusalem Institute for Policy Research (JIPR) erklärt, dass sich sowohl israelische als auch palästinensische Bewohner in Jerusalem – das weniger stark angegriffen wurde – vergleichsweise sicher vor den iranischen Raketen fühlten. Eine besondere Gefahr sieht er darin, dass es in Ost-Jerusalem an Schutzräumen und öffentlichen Bunkern mangele und Kontrollpunkte Palästinensern den Zugang zu Teilen der Stadt erschwerten, was im Ernstfall zu lebensbedrohlichen Situationen führen könnte. Verstummten die Proteste gegen die Regierung Benjamin Netanjahus während der militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran, wurden sie nun wieder von weitreichenden Bevölkerungsteilen aufgenommen, die ihrem Frust so Luft verschafften.

Avner Inbar vom liberalen Think Tank Molad stellt die Frage nach einem langfristigen Wandel in Israel in den Raum: „Er [Netanjahu] wird großen politischen Gewinn aus einem Krieg ziehen, der weithin als erfolgreich gilt – aber wenn die iranische Bedrohung nicht mehr besteht, werden die Israelis dann noch glauben, dass sie ihn brauchen?“. So könnte die Anspannung Richtung Iran zwar vorerst gebannt sein, der tiefgreifende Konflikt zwischen Israel und Gaza fortbestehen und weiter Schatten über die Region werfen und immer wieder aufflammen.

Nordafrika und der Zweig nach Europa

Tunesien hat in Reaktion auf die jüngste Eskalation der militärischen Spannungen zwischen Israel und dem Iran eine klare und konsequente Haltung eingenommen. Die tunesische Regierung verurteilte offiziell jede Form militärischer Aggression und betonte die Notwendigkeit, eine regionale Eskalation zu vermeiden. Tunesien bekräftigte seine Unterstützung des Völkerrechts, insbesondere der Grundsätze der Souveränität und der Nichteinmischung, und erneuerte seine Solidarität mit der palästinensischen Sache. Offizielle Erklärungen des Außenministeriums riefen zur Deeskalation und zur dringenden Aufnahme diplomatischer Dialoge auf, um weitere Instabilität im Nahen Osten zu verhindern, welche sich auch rasch auf den Nachbar Europa auswirken könnte.

Die öffentliche Meinung in Tunesien hat besonders in den sozialen Medien lautstark und emotional auf den Konflikt zwischen Israel und dem Iran reagiert. Ein Großteil der Online-Diskussionen äußerte starke Unterstützung für die Position Irans, oft eingebettet in eine allgemein anti-israelische und pro-palästinensische Haltung, die tief im kollektiven Bewusstsein Tunesiens verankert ist. Hashtags im Zusammenhang mit Palästina und dem Widerstand waren auf Plattformen wie Facebook und X weit verbreitet. Viele Tunesier betrachten den Konflikt im Kontext einer größeren regionalen Ungerechtigkeit und westlicher Doppelmoral, wobei häufig Kritik an Israel und seinen westlichen Verbündeten geübt wird. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen und einflussreiche Persönlichkeiten haben diese Haltung geteilt und damit Tunesiens traditionelle Ausrichtung auf als gerecht empfundene Anliegen in der arabischen und muslimischen Welt bekräftigt.
 

Ähnliche Reaktionen waren auch in anderen nordafrikanischen Ländern zu beobachten. In Marokko etwa überwog die Haltung, dass man eine weitere Eskalation oder gar Ausweitung des Konflikts durch Israel ablehnt – obwohl Iran als Unterstützer der Unabhängigkeitsbewegung in der Westsahara, der Frente Polisario, gilt, also quasi ein "Freund des Feindes" ist. Die Sorge vor einem Flächenbrand in der Region sowie der Wunsch nach Stabilität bestimmten maßgeblich die öffentliche und diplomatische Reaktion. Auch in anderen Teilen Nordafrikas spiegelt sich ein ähnliches Spannungsverhältnis wider: Kritik an Israel und Solidarität mit den Palästinensern, gepaart mit dem Wunsch, nicht in einen größeren regionalen Konflikt hineingezogen zu werden.

Fazit

Die noch nie vorher existierende direkte militärische Auseinandersetzung zwischen den USA, Israel und Iran hat die fragile Ordnung im Nahen Osten auf eine neue Belastungsprobe gestellt – mit weltweiter Aufmerksamkeit. Die Eskalation zeigte, wie schnell regionale Konflikte eine globale Dimension annehmen können und wie dünn das Eis ist, auf dem Diplomatie, Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität in der Region gebaut sind. Sie offenbarte aber auch, wie groß die Rolle der USA nach wie vor in der Region ist und dass der Iran und seine Proxys deutlich geschwächt sind. Der Einfluss Europas und Deutschlands ist in diesem Konflikt kaum erkennbar bzw. messbar. Trump symbolisierte dies sehr deutlich darin, den G7-Gipfel ohne Absprache mit europäischen Partnern früher zu verlassen.

Während Israel in der US-Unterstützung einen strategischen Sieg gegen seinen Erzfeind sieht, wachsen zugleich innenpolitische Zweifel an der langfristigen Führung Netanjahus und der Zukunft Israels, die ebenfalls von Ruhe mit den Palästinensischen Gebieten abhängt.

Die Golfstaaten und Nachbarländer wie Jordanien und der Libanon setzen hingegen alles daran, ein Übergreifen der Gewalt zu verhindern – nicht aus idealistischen Gründen, sondern aus nüchternem Eigeninteresse, das ebenfalls Europa zugutekommt: Wenn schon kein Frieden, so ist doch die Abwesenheit von Gewalt die Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung, politische Souveränität und gesellschaftliche Stabilität.

Gleichzeitig bleiben die wesentlichen Konfliktursachen ungelöst: Der israelisch-palästinensische Konflikt, das Leid in Gaza und die Destabilisierung durch Irans Proxys lassen erahnen, dass eine langfristige Konfliktlösung nicht durch Drohnenangriffe, einer sogenannten hard diplomacy erzwungen, sondern nur durch strukturelle Lösungen, politische Reformen und regionalen Dialog entstehen sollte. Ein solcher Lösungsansatz benötigt zeitnah einen Fahrplan, vor allem aber die Bereitschaft der beteiligten Akteure zum Dialog und Kompromissen. Der Nahe Osten steht an einer Weggabelung, ob er in eine Ära des Ausgleichs eintritt oder erneut in einen Kreislauf der Gewalt abrutscht, hängt zukünftig davon ab, ob Dialog mehr Gewicht bekommt als Drohnen.