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G20-Vorsitz
So will Indonesien seinen Vorrang in Südostasien ausbauen

Staats- und Regierungschefs des G20-Gipfels während eines Fototermins
Staats- und Regierungschefs des G20-Gipfels während eines Fototermins am Trevi-Brunnen, Rom, Italien 31. Oktober 2021. © picture alliance / Photoshot | -

Die „Gruppe der Zwanzig“ (G20) ist ein Zusammenschluss der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der EU. Der G20-Vorsitz wechselt jährlich und wurde am 31. Oktober von Indonesien übernommen. Wie wird Indonesiens Präsident Joko „Jokowi“ Widodo das Forum nutzen?

freiheit.org: Frau Dr. Besold, was bedeutet der G20-Vorsitz für Indonesien?

Almut Besold: Indonesien ist das einzige in der Wirtschaftsgruppe vertretene südostasiatische Land. Als Sprachrohr Südostasiens, als Vertreter von Entwicklungsmärkten und auch als ein durch den Klimawandel stark betroffener Staat hat Indonesien einen besonderen Status innerhalb der G20 inne. Indonesien wird die bevorstehenden zwölf Monate seines Vorsitzes nutzen, um sich – und das ist auch bitter nötig – insbesondere in der westlichen Welt bekannter zu machen, aber auch, um seinen Vorrang innerhalb Südostasiens zu untermauern.

freiheit.org: Welche Themen werden im Zentrum stehen?

Almut Besold: Der Inselstaat hat seine Präsidentschaft unter das Motto „Recover together – recover stronger“ gesetzt. Darunter lassen sich viele Themen fassen: Etwa das Überwinden der Covid-19-Pandemie, das Gemeinwohl weltweit, insbesondere aber auch das Wohl von Entwicklungsländern, Inselstaaten und instabilen Ländern, das vor nationale Interessen gestellt werden soll.

freiheit.org: Wie bereitet sich Indonesien darauf vor?

Almut Besold: Die fünf sogenannten Prioritätsstrategien – etwa Produktivitätssteigerung, eine widerstandsfähige und stabile Weltwirtschaft, nachhaltiges Wachstum, Stärkung der globalen kollektiven Führung – sind so noch sehr abstrakt. Um die Themen bearbeitbar zu machen, werden insgesamt 150 Treffen in der Zeit des Vorsitzes Indonesiens abgehalten. Das sind Konferenzen, Treffen auf Ministerialebenen, „sherpa-level“-Treffen (als Sherpas werden die Mitarbeiter der jeweiligen Regierungschefs verstanden) bis hin zu einfachen Arbeitsgruppentreffen. Die Ergebnisse all dieser Treffen werden im Bali-Gipfel Ende Oktober 2022 vorgestellt.

freiheit.org: Wie wird Präsident „Jokowi“ den G20-Vorsitz prägen?

Almut Besold: Ein für Präsident „Jokowi“ typischer Ansatz ist die Konfliktvermeidung. Als gebürtiger Javaner ist er überaus bemüht, die soziale Harmonie zu erhalten. Offene Konflikte sollen möglichst vermieden werden. In seiner Rede vor den Vereinten Nationen im September sagte er, Inklusivität sei die oberste Priorität der indonesischen Führung. Niemand solle zurückgelassen wird. Dieses Prinzip ist das Markenzeichen von Präsident „Jokowi“, der selbst seinen Kontrahenten Prabowo im Präsidentschaftswahlkampf 2019 nach verlorener Wahl mit einem Ministerposten versah.

freiheit.org: Wie sieht es mit Covid-19 in Indonesien aus?

Almut Besold: Am 13. März 2020 wurden die ersten pandemiebedingten Todesfälle in Indonesien bestätigt.  Danach stiegen die Infektionen kontinuierlich an. Die staatlichen Maßnahmen blieben vergleichsweise überschaubar. Erst mit der zweiten größeren Covid-19-Welle ab Juni 2021 kam es zu einer derartigen Notsituation, dass strikte Maßnahmen nicht nur ergriffen, sondern nun auch umgesetzt wurden. Die seit dem 13. Januar 2021 laufende Impfkampagne gewann zu Beginn nur langsam Fahrt, was den schwierigen geographischen Verhältnissen geschuldet ist: Indonesien als Inselstaat besteht aus zahlreichen zum Teil nur schwer erreichbaren Inseln. Auch standen schlicht zu geringe Mengen an Impfstoffen zur Verfügung.

freiheit.org: Ist es da realistisch, dass der G20-Gipfel kommendes Jahr wie geplant abgehalten werden kann?

Almut Besold: Es gibt Grund für Optimismus. Anfang November war fast jeder Dritte erwachsene Indonesier geimpft. Das klingt nach wenig, doch sind mit den bislang erfolgten 202 Millionen Impfungen fast doppelt so viele Menschen geimpft als in Deutschland – die Bevölkerung Indonesiens ist mit 270 Millionen Menschen auch deutlich größer. Das staatliche Gesundheitssystem hier ist gut organisiert und wird zudem – schwer vorstellbar in Deutschland – vom indonesischen Nachrichtendienst BIN massiv bei seinen Impfkampagnen unterstützt. Zwar gibt es derzeit noch Einschränkungen für Menschen, die nach Indonesien oder auch innerhalb des Landes reisen wollen: dreitägige Quarantäne, regelmäßiges Testen.

Trotzdem ist es aus wirtschaftlichen Gründen das dringendste Ziel Indonesiens, die Beschränkungen sukzessive abzubauen und mit den zahlreich zu erwartenden G20-Veranstaltungsgästen Indonesien auch dem Tourismus wieder zu öffnen.