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Frauenquote
Indiens Parlement führt Frauenquote ein

Women in rural India in Rajasthan

Women in rural India in Rajasthan

© Vikram Raghuvanshi via Canva Pro

Mit einem historischen Gesetz hat die indische Regierung den Weg für mehr Frauen in ihrer Volksvertretung frei gemacht. Im September 2023 entschieden beide Kammern des Parlaments, dass künftig ein Drittel aller Sitze des Unterhauses (Lok Sabha) und der Parlamente der Bundesstaaten an Politikerinnen gehen sollen. Ministerpräsident Narendra Modi von der hindunationalistischen Regierungspartei BJP, der das heute bevölkerungsreichste Land der Erde seit dem Jahr 2014 regiert und im kommenden Jahr auf eine Wiederwahl hofft, sprach von einem „historischen Schritt“, der sicherstelle, dass die Stimmen von Frauen künftig besser gehört würden. Aktuell sind Frauen im nationalen Parlament  mit einer Quote von rund 13 Prozent deutlich in der Minderheit. In einigen Bundesstaaten sitzt keine einzige Frau in der Länderkammer. Indien sorgt auch immer wieder weltweit für Schlagzeilen, weil Inderinnen oftmals extremer Gewalt ausgesetzt sind, sowohl in der Öffentlichkeitals auch in den eigenen vier Wänden. Hinzu kommen geschlechterspezifische Abtreibungen sowie die Benachteiligung bei der Ausbildung und im Job.

Die Reform kann jedoch erst in Kraft treten, wenn eine Volkszählung stattgefunden hat. Im Anschluss werden die Sitzzahlen je nach Bevölkerungsgröße der Bundesstaten angepasst. Experten rechnen damit frühestens 2029. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte hinter dem jetzt verabschiedeten Gesetz auch ein Machtkalkül des Premiers stecken: Im nächsten Jahr stehen nicht nur die nationalen Wahlen an, auch mehrere Regionalwahlen finden bereits davor statt. Mit dem Schritt zu mehr Gleichberichtigung und Sichtbarkeit von Frauen könnte die BJP ihren Rückhalt bei der weiblichen Wählerschaft stärken wollen.

In südasiatischen Staaten sind Frauen im politischen und wirtschaftlichen Leben deutlich unterrepräsentiert. Das ist umso erstaunlicher, da mit Sirimavo Bandaranaike und mit Indira Gandhi schon in den 60er Jahren Sri Lanka und Indien die weltweit ersten demokratisch legitimierten Premierministerinnen stellten. Beide Politikerinnen lenkten über viele Jahre die Geschicke ihrer Länder. Im heutigen Zweiten Kabinett Modis sind Frauen jedoch deutlich in der Minderheit: So leitet die ehemalige Verteidigungsministerin Nirmala Sitharaman heute das Finanzressort, immerhin eine in vielen Staaten klassische Männerdomäne. Die ehemalige Schauspielerin Smriti Irani steht dem Textilministerium vor. Anders als in Deutschland gelang es in Indien Draupadi Murmu bereits der zweiten Frau, Staatspräsidentin zu werden nach Pratibha Patil (2007 – 2012). Und an der Spitze des mit Abstand größten Finanzinstituts des Landes stand mit Arundhati Bhattacharya von 2013 bis 2017 eine weibliche CEO .

Die Idee einer Frauenquote für das indische Parlament ist keineswegs neu. Entsprechende Vorschläge hatte es erstmals 1996 gegeben. Konservative Abgeordnete hatten das Vorhaben jedoch erfolgreich blockiert.

Derzeit (seit 1989) hat die Lok Sabha (Volksversammlung) 545 Mitglieder und ist damit die weltweit in Relation zur Bevölkerungsgröße von 1,4 Milliarden kleinste Volksvertretung. Die zweite Kammer, das Oberhaus, das als Rajya Sabha („Staatenversammlung") bezeichnet wird, ist auf 250 Sitze begrenzt.  543 Abgeordnete werden alle fünf Jahre in einfacher in einfacher Mehrheitswahl in Ein-Personen-Wahlkreisen direkt gewählt (530 in den indischen Bundesstaaten, weitere 13 in den Unionsterritorien. Der Staatspräsident hat das Recht bis zu zwei Abgeordnete als Vertreter der angloindischen Minderheit direkt zu ernennen. Die Wahlkreisgrenzen setzt in unregelmäßigen Abständen die Delimitation Commission of India entsprechend den Bevölkerungsveränderungen neu fest.