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90. Geburtstag von Gerhart Baum
Zum 90. Geburtstag von Gerhart Baum

Gerhart Baum

„Der Einsatz für die Freiheit ist mitunter anstrengend“, hat Gerhart Baum in seinem Buch „Freiheit – Ein Appell“ geschrieben. Anstrengungen hat der aufrechte Liberale nie gescheut

© picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Mit seinem Eintreten für Menschenrechte zählt er zu den markantesten Stimmen der deutschen Liberalen. Seit dem Ausbruch des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine ist er in den Medien häufig gefragt. So hat er im April dieses Jahres zusammen mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine Strafanzeige wegen Kriegsverbrechen gegen den russischen Präsidenten Putin eingereicht. In den letzten Jahren ist der gebürtige Dresdener Gerhart Rudolf Baum zudem als unbestechlicher Beobachter und Kommentator der verfassungspolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik und darüber hinaus aufgetreten. In dieser Rolle kamen und kommen ihm, der heute sein 90. Lebensjahr vollendet, die eigene Erfahrung als „Verfassungsminister“ in schwieriger Zeit zugute.

Herkunft und politische Karriere

Baum flüchtete mit seiner russischstämmigen Mutter unmittelbar nach dem verheerenden Bombenangriff vom Februar 1945 aus Dresden nach Bayern. In Köln legte er das Abitur ab und studierte entsprechend der Familientradition – Großvater und Vater waren Rechtsanwälte – Jura. 1954 trat er in die FDP ein und engagierte er sich zunächst bei den Deutschen Jungdemokraten, deren Bundesvorsitzender er Mitte der 1960er Jahre war und über die er 1967 in den FDP-Bundesvorstand einzog. Er bekämpfte in Nordrhein-Westfalen vor allem die rechtsradikalen Tendenzen in der eigenen Partei. 1972 wurde er in den Bundestag gewählt und kurz darauf von Hans-Dietrich Genscher zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium ernannt. Als dessen Nachfolger Werner Maihofer 1978 das Innenministerium aufgab, wurde Baum sein Nachfolger an der Spitze dieses schwierigen Ressorts. Die größte Herausforderung lag darin, beim Kampf gegen Radikalismus und den Linksterrorismus der Roten Armee Fraktion (RAF) die Balance zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten zu bewahren.

Dies gelang Baum zweifellos, obwohl oder vielleicht gerade weil er diese Aufgabe aus einer dezidiert linksliberalen Position mit hoher Wertschätzung für rechtsstaatliche Prinzipien anging. Damit wurde er einerseits zur Leitfigur der Sozialliberalen in der FDP, andererseits zum bevorzugten Angriffsziel der CDU/CSU-Opposition. Diese erzwang nach dem Koalitionswechsel von 1982, gegen den sich Baum mit einer eindrucksvollen Rede im Deutschen Bundestag gewandt hatte, seinen Amtsverzicht; fortan konzentrierte er sich auf seine Rolle als Bundestagsabgeordneter.

Gemeinsam mit Burkhard Hirsch verstand er sich als das rechtsstaatliche Gewissen in Fraktion und Partei und scheute auch vor dem mehrfachen Gang zum Bundesverfassungsgericht nicht zurück. Diesen Weg behielt er auch nach dem Ausscheiden aus dem Parlament Ende 1994 bei. Bis heute mischt er sich in die wichtigen rechtspolitischen Debatten um Datenschutz und innere Sicherheit ein, wo sein Wort nach wie vor Gewicht besitzt.

Baums Menschenrechtsarbeit

Auch Baums Menschenrechtsarbeit im Ausland ist beeindruckend, spätestens seit er von 1992 bis 1998 Leiter der deutschen Delegation bei der UNO-Menschenrechtskommission in Genf war und Deutschland auf der Menschenrechtsweltkonferenz 1993 in Wien vertrat. Von 2001 bis 2003 arbeitete er zudem als UNO-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte im Sudan. In den letzten Jahren hat er, organisiert von der Naumann-Stiftung, unter anderem Reisen nach Russland unternommen, sich dort mit Menschenrechtsorganisationen wie „Memorial“ getroffen und sich für Alexej Nawalny eingesetzt.

Von Baums hohem Ansehen als Rechtsberater und -vertreter profitiert auch die Friedrich-Naumann-Stiftung für Freiheit immer wieder. Ausdruck dieser Verbundenheit ist der zu Baums 90. Geburtstag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger herausgegebene Sammelband mit rund fünfzig Beiträgen von Zeitgenossen, Weggefährten und Freunden unter dem Titel „In liberaler Mission. Gerhart Baum und die deutsche Demokratie“ veröffentlicht. Die Stiftung gratuliert Gerhart Rudolf Baum zu seinem Ehrentag und wünscht ihm von ganzem Herzen alles Gute. Sie dankt für seine Unterstützung zur Stärkung der liberalen Bewegung in der Vergangenheit und wünscht ihm und uns für die Zukunft noch viele weitere fruchtbare Jahre vertrauensvollen und bereichernden Zusammenwirkens.

In liberaler Mission
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