Theodor Heuss
Vor 75 Jahren wurde Theodor Heuss zum Bundespräsidenten gewählt
„Man muß das als gegeben hinnehmen: Demokratie ist nie bequem“. Der das sagte, wusste, wovon er sprach. Als Theodor Heuss den Satz 1951 in einer Rede über Macht und Grenzen der Kulturpolitik äußerte, blickte er selbst auf mehr als vier Jahrzehnte politischen Engagements für den demokratischen Liberalismus zurück. Mehr Tiefen als Höhen waren darunter, mehr Rückschläge als anhaltende Erfolge – und doch hielt er an seiner Überzeugung fest. An der Seite Friedrich Naumanns kurz nach der Jahrhundertwende hatte er die Chance zur politischen Mitgestaltung ergriffen. Angespornt von der Vorstellung, die innerlich zerrissene Gesellschaft des Kaiserreichs lasse sich mit Naumanns Gedanken einer Verbindung von „Demokratie und Kaisertum“ zusammenzuführen und zukunftstauglich gestalten, arbeitete er fortan unermüdlich an der Umsetzung. Doch das politische Geschäft war und ist schwierig. Den zersplitterten Liberalismus zu einen, war eine Herkules-Aufgabe, die erst nach dem Krieg 1948 mit der Gründung der FDP auf Bundesebene in Heppenheim gelang. Theodor Heuss hatte beträchtlichen Anteil daran, nicht zuletzt, weil er aus den Erfahrungen von Weimarer Republik und Nationalsozialismus die richtigen Lehren zog.
Ohne Zweifel zählt der leidenschaftliche Liberale zu den herausragenden Politikern der unmittelbaren Nachkriegszeit. Als liberaler Fraktionsvorsitzender hatte er im Parlamentarischen Rat nachdrücklich gewirkt und manchem Artikel des Grundgesetzes seinen Stempel aufgedrückt. Aber vor allem erwies er sich als ein geschickter Debattenredner, der zu überzeugen wusste, ohne den politischen Gegner zu desavouieren. Heuss besaß die Gabe zum Kompromiss, was ihn vielfach anschlussfähig machte. Sein Ansehen um den Wiederaufbau demokratischer Strukturen im Land reichte am Ende soweit, dass selbst die Sozialdemokraten sich vorstellen konnten, ihn als Bundespräsidenten an der Staatsspitze zu sehen. Als dies auch ins Kalkül Konrad Adenauers passte, wurde es ernst mit der Kandidatur. Am 12. September 1949 trat Theodor Heuss zur Wahl für das Amt des Bundespräsidenten an und setzte sich im zweiten Wahlgang mit 416 zu 312 Stimmen gegen den Sozialdemokraten Kurt Schumacher durch. So ging der junge deutsche Staat mit einem Liberalen als Oberhaupt einer neuen Zukunft entgegen.
Man darf sagen, dass dies eine glückliche Wahl war. Auch wenn der Bundespräsident nicht direkt als politischer Akteur auftrat, kam es auf ihn als Repräsentanten eines neuen Deutschlands ganz besonders an. Heuss avancierte nach kurzer Zeit zum Präsidenten (fast) aller Deutschen: bürgernah, bodenständig und nie um eine passende Sentenz verlegen, kannte seine Beliebtheit bald keine Grenzen. Das Ausland registrierte die besonnene Amtsführung des Liberalen wohlwollend, ja erleichtert. Schließlich bedurfte es innenpolitisch erheblicher Anstrengungen, die gesellschaftlichen Verwerfungen von 12 Jahren nationalsozialistischer Diktatur zu überwinden. Außenpolitisch war der Ost-West-Konflikt bereits in der Welt mit all seinen Auswirkungen auf den „Frontstaat“ West- Deutschland.
„Ohne die bürgerliche Freiheit können wir nicht atmen“, hatte Heuss 1930 auf dem Gründungsparteitag der Deutschen Staatspartei erklärt. In der Krise des Liberalismus wusste Heuss genauer als die meisten Politiker, worauf es wirklich ankam. Die eigenen demokratischen Überzeugungen waren nicht nur eine Kraftquelle für die Gegenwart, sondern boten auch Orientierung für die Zukunft. Der sich in dieser Einsicht aussprechende Optimismus besitzt gerade in schwierigen Zeiten wie heute großes Gewicht.