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Deutschlandbilder
Wie sehen uns die Menschen in anderen Ländern?

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© picture alliance / Fotostand | Fotostand / Reuhl

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ 1. Korinther 13,12

Die Pandemie, der Krieg Russlands in der Ukraine und eine sich anbahnende Energiekrise haben dazu geführt, dass sich das einwohnerstärkste Land der EU unbequemen Wahrheiten stellen muss. Doch was denken eigentlich die Menschen in anderen Ländern über die Deutschen? 

Zu Themen wie Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, Fracking, Verlängerung der Laufzeit der Atomreaktoren und Sicherheit der Energieversorgung ringt Deutschland um Positionen. Das nehmen die Menschen in anderen Ländern zur Kenntnis – oft mit einiger Verwunderung. Ihr, wie die folgenden Beiträge zeigen, weiterhin überwiegend positives Deutschlandbild wird davon beeinflusst.

Die Meinungsbilder zu Fragen des Rechtsstaats, der Sicherheitspolitik und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zeigen ein schillerndes Bild. Je weiter die Länder von Deutschland entfernt liegen, umso wahrscheinlicher ist eine auf traditionellen Mustern beruhende Sichtweise. Je unmittelbarer ein Land an Deutschland grenzt, umso wahrscheinlicher zeigt sich eine differenzierte Betrachtung.

  • Rumänien werde mehr als ein Jahrhundert brauchen, um in Sachen Wohlstand mit Deutschland gleichzuziehen, schrieb die Wirtschaftszeitung Ziarul Financiar im Mai 2022. Wenn Deutschland niest, weiß Rumänien bereits, dass es sich die Grippe einfangen wird, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Adrian Negrescu in einem im Juni 2022 von Libertatea, einer führenden Tageszeitung, veröffentlichten Artikel über die anhaltende Energiekrise in Europa.

    Die genannten Positionen beschreiben nicht nur eine statistische Wahrheit – nämlich die Tatsache, dass Deutschland ein industrielles Kraftzentrum ist, das sowohl als Hoffnungsträger als auch als Bedrohung dient –, sondern erzählen auch die Geschichte einer selbst empfundenen rumänischen Schwäche. Der rumänische Diskurs lässt sich in Kürze folgendermaßen zusammenfassen: Wir werden nie so sein wie die Deutschen. Und selbst wenn Deutschland leidet, leiden wir noch mehr.

    Deutschland, ein führendes Land der Europäischen Union, erinnert die Menschen in Rumänien daran, wie weit sie zurückgeblieben sind, während es gleichzeitig angeblich die Fäden für eben dieses Zurückbleiben zieht. Dazwischen gibt es nicht viel mehr. Tatsächlich ist Deutschland die meiste Zeit kein Thema in den rumänischen Medien. Natürlich haben wir ausländische Nachrichten über deutsche Themen– aber das gilt auch für australische oder japanische Themen, was nicht unbedingt bedeutet, dass Australien oder Japan so etwas wie ein wahrgenommenes Image in Rumänien haben.

    Aus journalistischer Sicht ist es nicht die bloße Präsenz im Nachrichtenzyklus, die einem Land ein gewisses vorherrschendes Image verleiht. Meinungen und Interpretationen schaffen diese Projektion. Aber faktenbasierte Meinungen zu deutschen Themen fehlen größtenteils. Zuletzt machte Deutschland in Rumänien Schlagzeilen im Sommer 2020, als der Tönnies-Skandal ausbrach. Der größte Schlachthof Europas wurde zu einem Hotspot für COVID-Infektionen, und mehr als tausend Rumänen arbeiteten im Werk Rheda-Wiedenbrück. Die Berichterstattung über diese Situation wurde schnell zur Berichterstattung über die furchtbar schlechten Arbeitsbedingungen.

    Die Geschichte war nicht neu, aber plötzlich wurde sie relevant, weil sie den Preis für billiges Fleisch zeigte. Tönnies beschäftigte die meisten der Arbeiter nicht. Sie wurden über Subunternehmen eingestellt, bestenfalls mit dem Mindestlohn bezahlt und in heruntergekommenen Wohnungen untergebracht. Libertatea, die wohl wichtigste Tageszeitung Rumäniens, veröffentlichte mehrere Beiträge zu diesem Thema.

    Auch der Beginn der Spargelsaison 2020 bedeutete, dass rumänische Saisonarbeiter nach Deutschland eingeflogen werden mussten, um das begehrte Gemüse zu ernten. Die Überfüllung des Flughafens löste auf dem Höhepunkt der COVID-Pandemie großen Unmut aus. Der zweimonatige Ausnahmezustand ging gerade zu Ende und viele Einschränkungen waren noch in Kraft. Der Anblick von Hunderten von Menschen, die in Flugzeuge gepfercht wurden, war der Vorbote für Kontroversen und hitzige antideutsche Rhetorik.

     

    Bereits im Jahr 2019 ging der rumänische Abgeordnete Nicolae Bacalbașa – unglücklich darüber, dass Rumänien nicht Teil des Schengen-Raums ist und die Justiz unseres Landes immer noch im Rahmen des Kooperations- und Kontrollverfahrens überwacht wird – öffentlich gegen Deutschland vor. Der Abgeordnete zeigte mit dem Finger auf den Präsidenten Klaus Iohannis, der aus der deutschen ethnischen Minderheit stammt, und sagte, ein Ausländer führe unser Land und vertrete ausländische Interessen. „In jeder Verbindung gibt es einen Reiter und ein Pferd, aber wir sind nicht einmal das Pferd, wir sind der Packesel und wir sind berauscht von unseren Kolonialherren aus Deutschland“, wetterte der Abgeordnete in einem Fernsehinterview.

    Mit diesen Worten setzte der Abgeordnete einen Prozess in Gang. Einige Monate später erklärte eine andere rumänische Spitzenpolitikerin, Olguța Vasilescu, dass Präsident Iohannis wie ein Kommandant eines Vernichtungslagers handele. Die Erklärung löste Empörung aus –  allerdings unterstreicht der Vorfall auch, dass Deutsche immer noch mit Nazi-Untaten in Verbindung gebracht werden können.

    Während des Zweiten Weltkriegs war das faschistische Rumänien ein enger Verbündeten Hitlers. Dem Holocaust in Rumänien fielen mehr als 300 000 Juden und Roma zum Opfer, aber viele Rumäninnen und Rumänen halten den Führer des faschistischen Regimes, Marschall Ion Antonescu, immer noch für einen tragischen Helden und geben den deutschen Truppen die Schuld an dem Völkermord. Mehrere in den letzten zehn Jahren durchgeführte Umfragen haben gezeigt, dass über zwei Drittel der Rumänen die Ansicht teilen, dass Deutschland die Schuld am Holocaust in Rumänien trägt.

    Doch nicht alle Meinungsumfragen sind unbedingt schlecht, wenn es um das wahrgenommene Deutschlandbild in Rumänien geht. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass über 51 % der Rumänen Deutschland vertrauen. Damit ist das Vertrauen höher als in die USA, aber geringer als in die NATO oder die EU.

    Lässt sich daraus etwas Eindeutiges schlussfolgern? Eher nicht, denn die Rumänen scheinen Ländern zu vertrauen, die ihnen viele Schritte voraus sind, schrecken aber nicht davor zurück, diese scharf zu kritisieren, wenn eine Rechtfertigung für Rumäniens Rückständigkeit gefunden werden muss. Gleichzeitig mögen sie die geordnete deutsche Art, Dinge zu tun, sie bewundern, wie die Deutschen mit den Ideen der Rechtsstaatlichkeit und der öffentlichen Rechenschaftspflicht umgehen, sie mögen deutsche Autos, die Autobahn und deutsches Bier.

    Über Deutschland wird in den rumänischen Medien nicht besonders viel berichtet, aber der jüngste Krieg in der Ukraine hat einen Fokus darauf verursacht, wie Berlin in den letzten zwei Jahrzehnten mit Russland und mit Wladimir Putin umgegangen ist. Als Frank Walter Steinmeier im Mai 2022 Rumänien besuchte, waren die Kommentarspalten der meisten nationalen Nachrichten-Websites voll mit Kritik, die auf Nord-Stream, Angela Merkel und Gerhard Schröder gerichtet war.

  • Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem großen Land in der Mitte Europas. Wie in allen anderen Länder ringsum gibt es hier Probleme, aber im Großen und Ganzen leben Sie ein normales Leben. Eines Tages werden Sie von Explosionen aufgeweckt: Aus Ihrem Nachbarland abgeschossene Raketen treffen einen nahe gelegenen Flughafen. Plötzlich geht es nicht mehr um die wirtschaftliche Situation, abstrakte Geopolitik oder Kulturaustausch, sondern um Leben oder Tod. Diese Erfahrung ist auch ein Lackmustest für die Beziehungen zu anderen Ländern. Der unprovozierte Angriff Russlands auf die Ukraine ließ wenig Platz für Halbtöne, und das Handeln der deutschen Regierung prägt und verändert das Deutschlandbild in der Ukraine nachhaltig.

    In den 2000ern Jahren, als die Ukraine die ersten Schritte seiner post-kommunistischen Entwicklung durchlief und sich noch für keine klare EU-Ausrichtung ausgesprochen hatte, galt Deutschland als Vorbild in vielen Bereichen und wurde als ein reiches und großzügiges Land wahrgenommen. Nach dem Machtwechsel im Zuge der Maidan-Revolution in der Ukraine und der russischen Invasion 2014 sowie der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim intensivierten sich die Beziehungen. Die aktive Rolle der Bundesrepublik im Minsker Verhandlungsprozess sowie ihre Unterstützung bei den ukrainischen Reformvorhaben verdeutlichte die Partnerschaft zwischen den beiden Ländern.

    Zwischen 2014 und 2021 zeigten repräsentative Umfragen regelmäßig, dass die überwiegende Mehrheit der Ukrainer eine positive Meinung von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten. Als wirtschaftlich starker Staat mit ausgeprägter Rechtsstaatlichkeit galt Deutschland  ganz klar als Vorbild. Dabei gab es aber auch kritische Nuancen besonders im Energiebereich: die Bereitschaft der Bundesrepublik, sich durch das Nord Stream 2 Projekt von Russland noch abhängiger zu machen, sorgte für Irritation und Unverständnis in der ukrainischen Öffentlichkeit. Die Versuche einiger ranghoher deutscher Politiker, dies als ein rein wirtschaftliches Projekt darzustellen, oder sogar die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Russland für die Rechtfertigung der Pipeline zu nutzen, führten in der ukrainischen Bevölkerung zu Enttäuschung oder gar Spekulationen, dass einige deutsche Politiker von Russland bestochen wurden.

    2021 geriet Deutschland wiederholt in ukrainischen Medien in die Kritik, als Russland seine Truppen an die ukrainische Grenze verlegte. Die mangelnde Bereitschaft, „Defensivwaffen“ in die Ukraine zu liefern, und die deutsche Selbstdarstellung als Brückenbauer nach Moskau lösten Empörung in der ukrainischen Öffentlichkeit aus. In einem Artikel der angesehenen Zeitung „Europäische Wahrheit” wurde dargelegt, dass die Nichtlieferung von Waffen das deutsche Image in der Ukraine stark beschädigte und dass Deutschland zunehmend als Komplize des Aggressors gesehen wurde.

    Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar hat das Deutschlandbild in der Ukraine eine neue Dynamik entwickelt. Den Reaktionen internationaler Partner auf den russischen Angriffskrieg wurde in der ukrainischen Bevölkerung große Bedeutung zugemessen. Wie ein altes Sprichwort besagt – den wahren Freund erkennt man in der Not. Daher wurden die Standpunkte der ukrainischen Partner zu den Sanktionen gegen Russland zu Beginn der Invasion zur wichtigsten Bemessungsgrundlage. Die Reputation der deutschen Regierung hat dabei durch ihr Zögern in Bezug auf den Ausschluss russischer Banken aus dem Zahlungssystem SWIFT gelitten. Auch in den darauffolgenden Monaten wurde das deutsche Handeln im Sanktionsprozess als zögerlich und unentschlossen wahrgenommen. Nachdem Deutschland endlich Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt hatte, führte dies zunächst zu einer Verbesserung des Deutschlandbildes.

    Dies hielt jedoch nur kurz an, da kurz darauf eine öffentliche Diskussion über die Lieferung schwerer Waffen in Deutschland entfacht wurde. Durch die verzögerten Lieferungen erntete die deutsche Regierung unter Bundeskanzler Scholz erneut scharfe Kritik in der ukrainischen Gesellschaft. Zwar kann der Bundesregierung zugutegehalten werden, dass sie sich deutlich positioniert, indem sie Russland überwiegend als Aggressor bezeichnet. Als sich allerdings herausstellte, dass der Großteil der versprochenen Waffen nicht ankam, erreichte das Deutschlandbild einen weiteren Tiefpunkt.

    Auf großes Unverständnis stößt zudem der Eindruck, dass die deutsche Gesellschaft zu glauben scheint, dass die Mehrheit der russischen Bürger den Krieg angeblich nicht unterstützen würde. Befeuert wird dies durch Zwischenfälle, wie beispielsweise auf einem Retreat für ukrainische Journalisten in Deutschland: bei einer Diskussion wiesen deutsche Journalisten auf die Wichtigkeit des Dialogs mit Russen hin, die den Krieg nicht unterstützten. Die an der Diskussion teilnehmende TAZ Panter Stiftung verteilte blau-gelbe Notizbücher mit dem Bild einer weinenden russischen Matrjoschka und der Losung „Dialog trotz Krieg!”. Die ukrainischen Teilnehmerinnen waren empört und machten dies auch deutlich. Über Vorfälle wie diesen wird in der ukrainischen Öffentlichkeit berichtet und sie verschlechtern das bereits angeschlagenene Deutschlandbild. Die Gleichstellung von Ukrainern mit geflüchteten Russen tut dabei ihr Übriges und verstärken das Bild von mangelnder Empathie gegenüber der          Ukraine. Gleichzeitig gibt es ein Bewusstsein in der ukrainischen Öffentlichkeit dafür, dass Deutschland die Ukraine insbesondere in den Bereichen der humanitären Hilfe und der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt.

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krieg die Wahrnehmung Deutschlands in der Ukraine enorm verändert hat. Deutschland wird als ein wirtschaftlich starker Staat gesehen, dessen zögerliche Regierung nicht mehr die treibende Kraft Europas ist und dessen Gesellschaft, einschließlich ihrer politische Eliten, die Folgen des Krieges für ganz Europa nicht zu verstehen scheint. Gleichzeitig wird Deutschland positiv angerechnet, dass viele Ukrainer Zuflucht und Unterstützung der deutschen Bürger bekommen.

    Es muss sich vieles ändern, um das Bild der Bundesrepublik in der Ukraine wieder zu verbessern. Dabei unterscheidet sich das, was die ukrainische Gesellschaft dafür von Deutschland erwartet, nicht sonderlich davon, was sie von der Bundesrepublik vor dem 24. Februar erwartet hat: ein Bekenntnis zu europäischen Werten und Prinzipien sowie Einigkeit und Standhaftigkeit gegenüber Russland. Der einzige Unterschied ist, dass das Bekenntnis diesmal mit konkreten Handlungen verbunden sein muss, nämlich mit der Unterstützung der ukrainischen Armee in diesem Krieg. Denn von diesem Krieg hängt nicht nur die Zukunft der Ukraine, sondern auch die Zukunft Europas ab.

  • In polnischen Medien ist das Bild Deutschlands hauptsächlich von der Zugehörigkeit zu einem politischen und ideologischen Meinungslager abhängig. Das rechte Lager, das mit der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verbunden ist, nutzt und weckt den historischen Geist antideutscher Aversionen in der polnischen Gesellschaft, um seine Anhänger zu mobilisieren und ein künstliches Feindbild aufzubauen. Auf der anderen Seite steht das Lager der Opposition, das Deutschland – insbesondere in der Ära von Angela Merkel – als wichtigen Wirtschaftspartner, als wirtschaftliches und rechtsstaatliches Vorbild und als eine der Hauptfiguren der Europäischen Union wahrnahm. Diese Aufteilung ist zwar eine Vereinfachung, ist aber von großer Relevanz, was die politische Landkarte des Landes angeht. Im Zusammenhang mit dem russischen Krieg in der Ukraine ist jedoch das Deutschlandbild im Jahr 2022 in beiden Lagern schlechter geworden.

    Das Bild von Deutschland als wichtigster Akteur der Europäischen Union war in Polen sehr stark verbreitet. Beide Seiten des politischen Spektrums sahen Deutschland als europäische Führungsmacht. Die Opposition war zum größten Teil bereit, diese Führung und die gegenseitige Zusammenarbeit zu unterstützen. PiS wiederumstellte viele Aspekte dieser Führung in Frage, aber gleichzeitig hat sie – im Gegensatz zur Opposition – Berlin mehr Macht zugesprochen.Bei der Betrachtung der politischen Landschaft sollte man die politische Propaganda von der tatsächlichen Situationswahrnehmung der Politiker trennen. Auf der einen Seite gestalten die PiS-freundliche Medien obsessiv ein Bild von Donald Tusk, dem Oppositionsführer, den sie als eine Marionette Deutschlands ansehen. Auch wenn das PiS-Camp zynisch die antideutsche Karte bei ihren Wählern spielte, waren sich die PiS Politiker gleichzeitig bewusst, dass die extrem starken, strategischen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Polen und Deutschland eine Sicherheit dafür darstellten, dass Berlin Warschau nicht den Rücken zuwenden werde – insbesondere nach dem Brexit-Debakel. Sie wissen, wie wichtig die wirtschaftlichen Beziehungen für beide Seiten sind.

    Bei der Analyse der Situation im Jahr 2022 sollte jedoch betont werden, dass eher die aktuellen Ereignisse, als die Geschichte, die wirklich wichtige Rolle spielen. Seit Februar 2022 und der militärischen Aggression Russlands in der Ukraine wird die Politik der deutschen Regierung auch schon in liberalen, der Opposition nahestehenden Medien wie Gazeta Wyborcza, TVN und vielen anderen heftig kritisiert.

    1. Energiepolitik

    Vor einigen Jahren wurde der Bau von Nord Stream II von Radek Sikorski, dem ehemaligen Außenminister der Partei Bürgerplattform (Platforma Obywatelska), als neuer Molotow-Ribbentrop-Pakt bezeichnet. Die Bewertung dieses Projekts von der rechten Seite des politischen Spektrums war sogar noch härter. Im Laufe der Jahre wurde die Kritik dieses Projekts, vor allem aufgrund der von Angela Merkel aufgebauten Autorität, weniger hörbar. Nach der Kriegserklärung Russlands an die Ukraine und nach dem Scheitern der Politik, die Russland von den Einnahmen aus dem Westen abhängig machen sollte, wurde das gesamte Modell der deutschen Energiewende in fast allen polnischen Medien heftig kritisiert. Die zunehmende Energieabhängigkeit von Russland wird jetzt als ein strategischer Fehler der EU-Führung unter Deutschland angesehen. In fast allen polnischen Medien wird auch die deutsche Entscheidung zur Schließung von Kernkraftwerken scharf kritisiert. Während einer Energiekrise, in der die Erhöhung der energetischen Unabhängigkeit von Russland notwendig ist, und die Suche nach sauberen Technologien, die nicht zu weiteren CO2-Emissionen und zur Klimaerwärmung beitragen, gefordert wird, scheint diese Entscheidung völlig unerklärlich und unverantwortlich zu sein.

    Dieses Thema ist prägend auch für die Wahrnehmung Deutschlands und seiner ganzen Politik. In Polen wurde Deutschland immer als ein zutiefst rationales Land wahrgenommen, das seine Entscheidungen nach realistischer Abwägung von Kosten und Nutzen richtet. Trotz des gegenteiligen Anscheins haben die Polen immer an das deutsche Regierungs- und Wirtschaftsmodell geglaubt und es bewundert. Der Zusammenbruch der deutschen Energiepolitik und die nur schwierig verständlichen Entscheidungen zur Kernenergie in Deutschland (grundsätzlich alle politischen Kräfte in Polen erklären sich für den Ausbau der Kernkraftwerke in Polen) untergraben dieses Image.

    2. Sicherheitspolitik

    Die Entscheidung, die deutsche Verteidigungspolitik grundsätzlich zu ändern und die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, die in Folge von Putins Krieges in der Ukraine getroffen wurden, wurden in den polnischen Medien überwiegend sehr positiv aufgenommen. Polen, das sich durch die russische Militäraggression zutiefst bedroht fühlt, möchte Berlin als seinen militärisch starken Alliierten bei seiner Seite haben, der bereit ist, seine Verbündeten zu verteidigen, was von Polen als das wirksamste Mittel zur Abschreckung Moskaus wahrgenommen wird.

    Leider wurden die nachfolgenden Schritte des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz in der Frage der militärischen Unterstützung für die Ukraine generell so gedeutet, dass Scholz je einen Schritt vor und zwei Schritte zurück gemacht hätte. In Polen hat der Bundeskanzler das Image einer Person, die die Militärhilfe für die Ukraine aussetzt, nach Ausreden sucht und zögert, anstatt die natürliche Führungsrolle zu übernehmen, die Deutschland in der Europäischen Union immer wieder gespielt hat. Das Hauptnarrativ der polnischen Medien ist das Versagen der deutschen Außenpolitik.

    3. Mangel an Führung

    Während der Amtszeit von der Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde Berlin in den polnischen Medien fast ausnahmslos als europäischer Leader und als einer der wichtigsten Akteure in Europa bezeichnet. Auch wenn Merkel manchmal gelobt und manchmal kritisiert wurde, im Allgemeinen hat niemand ihre Rolle in Frage gestellt. Bundeskanzler Olaf Scholz hingegen wird als ein Politiker ohne Vision beschrieben, der nicht fähig ist, deutliche Führung zu zeigen oder eine klare Strategie für den Umgang mit dem größten militärischen Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg aufzuzeigen.

    In den Augen polnischer Journalisten und Experten hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein deutlich besseres Image. Viele Experten betonen, dass die Politiker der FDP und der Grünen sowie auch Oppositionsführer Friedrich Merz eine andere Vorgehensweise zu dem Konflikt haben. Das ändert jedoch nichts an dem deutschen Gesamtbild angesichts des Konflikts und am öffentlichen Meinungsbild zu Deutschland, das sowohl in der regierungsfreundlichen als auch in den oppositionellen Medien mit unterschiedlicher Intensität und Argumentation kritisch ausfällt.

    Daher ist eine klare und entschlossene Strategie Berlins gegenüber dem Krieg in der Ukraine notwendig, um den derzeitigen negativen Trends und Narrativen in den polnischen Medien entgegenzuwirken, aber auch um die Führungsrolle Deutschlands in der Europäischen Union wiederherzustellen. Da die Ukraine ein unabhängiger Staat und freie Gesellschaft ist, sollte sie das Recht haben, über ihr Schicksal und ihre Zukunft vollständig und unabhängig zu entscheiden. Die Ukraine sollte zur Familien der EU gehören. Freie und demokratische Staaten sind verpflichtet, den Ukrainern dabei zu helfen, sich gegen die grausame russische Militäraggression zu verteidigen. Gerade in schwierigen Zeiten wird ja Führungskraft geschmiedet. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der Deutschland das freie und demokratische Mittel- und Osteuropa retten kann, indem es seine politischen Grundannahmen neu definiert. Illusionen über Russland unter Putin müssen dabei beiseitegelegt werden.

  • Die öffentliche Meinung über Deutschland ist in Litauen überwiegend positiv.  Deutschland gilt nach wie vor als zuverlässiger internationaler Partner und Grundstein der europäischen Stabilität. Besonders positiv werden die gute Finanzverwaltung, die Steuerdisziplin und die innere Stabilität gesehen. Die litauischen Medien stellen Deutschland zumeist als ein Land dar, das bei der Bewältigung der wichtigsten Herausforderungen, mit denen Europa in den letzten Jahrzehnten konfrontiert war, eine Führungsrolle übernommen hat. Obwohl bestimmte Maßnahmen auch auf Kritik stießen (so etwa im Zusammenhang mit der Migrationskrise 2015 und der globalen Finanzkrise), so unterstützte die litauische öffentliche Meinung am Ende meist die von Deutschland initiierte Politik.

    Politische Entscheidungen, die litauische Interessen direkt betreffen, erwecken in der Öffentlichkeit allerdings einen deutlich stärkeren Widerspruch. Das betrifft vor allem die deutsche Energiepolitik.

    Wirtschaft/Energieversorgung

    Allgemein betrachtet man Deutschland als ein gutes Beispiel, was Wirtschaftspolitik und Haushaltsdisziplin betrifft. Die Energiepolitik als Teil des wirtschaftlichen Gesamtbildes von Deutschland wird jedoch völlig anders eingeschätzt - sowohl in der Vergangenheit als auch heute.

    Die Eröffnung von Nord Stream 1 im Jahr 2011 stieß in Litauen auf noch vorsichtig formulierte Ablehnung. In der litauischen Öffentlichkeit wurde damals argumentiert, dass dieses Projekt zu einem politischen Instrument Russlands zur Erhöhung der Energiepreise werden könnte. Die baltischen Staaten und Polen argumentierten, dass angesichts der steigenden Nachfrage nach Gas in Europa und Russlands Lust, diesen Markt zu beherrschen Nord Stream 1 als  Druckmittel gegenüber Deutschland eingesetzt werden kann.

    Während die litauische Öffentlichkeit das Nord Stream 1 eher milde kritisierte und dabei nur Worte wie "möglicherweise" oder „könnte“ benutzte, wurde die Nord Stream 2 von Beginn an viel heftiger attackiert. Wichtige litauische Entscheidungsträger äußerten sich sehr deutlich: Die damalige litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite beschrieb Nord Stream 2 als ein geopolitisch motiviertes Projekt, dessen Ziel nicht sei, Gewinn zu machen, sondern der Ukraine Schaden zuzufügen.

    In den litauischen Medien wurde ausführlich darüber berichtet, dass Deutschland und andere westliche Länder als Reaktion auf die aggressive Politik Russlands im Jahr 2022 ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland grundlegend neu bewerten. Einer der wichtigsten Schritte Deutschlands, der von der litauischen Öffentlichkeit positiv aufgenommen wurde, war die Entscheidung, Nord Stream 2 zu Beginn der russischen Invasion zu stoppen, unmittelbar nachdem Putin zwei separatistische Regionen in der Ukraine anerkannt hatte. Zwei litauische Minister nannten diese einseitige Entscheidung eine „starke Antwort“ und „eine wichtige Botschaft an die ganze Region“.

    Von diesem Zeitpunkt an wurde die Kritik an der als zu zögerlich und entgegenkommend empfundenen deutschen Politik gegenüber Russland in den litauischen Medien durch mehr Unterstützung und Verständnis für Deutschlands Energieprobleme ersetzt.

    Deutschlands Lage wird in litauischen Medien überwiegend dargestellt als:

    a) eine größtenteils selbstverschuldete Abhängigkeit von der russischen Gasversorgung (57 % des deutschen Bedarfs werden durch russisches Gas gedeckt) bei gleichzeitiger Reduzierung der Energieproduktion durch die Schließung von Kernkraftwerken.

    b) ein weiterhin positives Beispielhaft dafür, in Sachen Ukraine standhaft zu bleiben, auch wenn dies bedeutet, dass die deutsche Bevölkerung leiden wird und im Winter 2022 einen Gasmangel spüren könnte.

    Den grundlegenden Wandel der deutschen Politik gegenüber Russland sieht die Mehrheit der litauischen Öffentlichkeit als eine enorm bedeutsame Entwicklung in Deutschland. Seit die meisten westlichen Verbündeten anerkannt haben, dass Energie zu einem geopolitischen Instrument geworden ist, das dem Westen schaden könnte, ist die Grundstimmung der Litauer positiver geworden. Die Reaktion: größere Energieunabhängigkeit, geringerer Verbrauch und verstärkte Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich.

    Sicherheit

    Deutschland wird allgemein als ein verlässlicher und wichtiger Verbündeter im Sicherheitsbereich angesehen. Deutschland, das seit 2017 die NATO-Mission in Litauen leitet, wird diesbezüglich in den Medien kaum negativ dargestellt – ganz im Gegenteil. Weniger als zwei Wochen vor der Invasion in der Ukraine verlegte Deutschland 350 zusätzliche Soldaten nach Litauen. Die litauischen Medien sahen das als ein Zeichen für eine sofortige Reaktion im Bedarfsfall.

    Über den Besuch des deutschen Bundeskanzlers in Litauen wurde in den Medien beispiellos positiv berichtet, insbesondere nachdem bekannt gegeben wurde, dass das derzeitige NATO-Bataillon auf eine ganze Brigade aufgestockt wird. Der allgemeine Enthusiasmus über die angestiegene Militärpräsenz in Litauen wurde jedoch inzwischen gebremst: die Brigade wird zwar tatsächlich aufgestellt werden und die baltischen Staaten als Einsatzgebiet haben, aber vorerst in Deutschland verbleiben. Die litauischen Medien haben über dieses Thema ausführlich berichtet. Obwohl die Gründe für die aufgeschobene Zuordnung der Brigade vornehmlich technischer Natur waren (wie z. B. ungenügende litauische Infrastruktur), wurde die öffentliche Meinung nach diesen Nachrichten recht negativ.

    Trotz all dem vertraut Litauen in die Sicherheit, die von Deutschland und den in Litauen stationierten Truppen gewährleistet wird. Die technische Qualität der deutschen Militärausrüstung sowie das professionelle Personal werden in Litauen mit Vertrauen und Respekt betrachtet.

    Rechtsstaatlichkeit

    Deutschland wird in Litauen als weitgehend faires und gerechtes Land gesehen. Während andere Bereiche Deutschlands in Litauen gelegentlich kritisiert werden, gehört die Rechtsstaatlichkeit nicht dazu. Was das Bild der deutschen Justiz in litauischen Medien angeht, gibt es da fast keine skandalösen Gerichtsentscheidungen. Angesichts der üblichen Lust der Medien nach Kontroversen, sind die fehlenden Skandale auch ein guter Indikator für die öffentliche Meinung, wie die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland bewertet werden sollte. Diese positive Bewertung der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland ist recht stabil und hat sich auch nach den Wirrnissen des Jahres 2022 nicht wesentlich verändert.

    Generell sind Wirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit Bereiche, in denen die Litauer Deutschland als Vorbild sehen. Auf der anderen Seite werden Entscheidungen über die Energieabhängigkeit von Russland und plötzliche Änderungen von politischen Aussagen in Litauen eher negativ wahrgenommen. Nichtsdestotrotz wird die Veränderung der deutschen Stellung gegenüber Russland in Litauen sehr optimistisch bewertet.

  • Grundsätzlich entspricht das Deutschlandbild im Senegal den gängigen Klischees, zumindest beim allergrößten Teil der Bevölkerung, die noch nie in Deutschland oder auch nur in Europa gewesen sind.

    Deutschland ist in diesem Bild ausschließlich positiv konnotiert. Die Vorstellungen basieren auf einer Art Wunschdenken und haben teilweise sehr folkloristische Züge. Deutschland ist darin das Land von Gerechtigkeit, Disziplin und Ordnung. Ein Land von Fleiß, Sauberkeit und ehrlichen Menschen. In diesem Deutschland gibt es keine Korruption und auch eigentlich keine anderen Verbrechen.

    Deutschland ist dazu der Motor Europas; die größte Wirtschaft der Europäischen Union – und damit das Land, was eigentlich das Sagen hat in Europa. Letzteres Argument wird im Senegal häufig genutzt, um den Einfluss und das Auftreten der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zu relativieren.

    Weil die Deutschen so fleißig und gute Ingenieure sind, stellen sie hochwertige Produkte her. Deutsche Automarken sind bekannt und werden als Statussymbole verehrt. Neben den Autos gelten jedoch alle deutsche Produkte - vom Schraubenzieher bis zum Küchenmixer - als qualitativ hochwertig und werden daher immer teurer gehandelt als andere. Dieser „Herkunftsaufschlag“ kann teilweise ganz erheblich sein, so dass es sich sogar lohnt mit selbst gemachten „Made in Germany“-Aufklebern den wahren Ursprung der Ware  auf den Straßenmärkten von Dakar zu verschleiern. Ein anderes Attribut, das sehr häufig im Zusammenhang mit Deutschland genutzt wird, ist das der „Effizienz“. In Deutschland ist alles effizient und alle Menschen sind effizient. Der Effizienzgedanke ist so eng mit Deutschland verhaftet, dass selbst abschreckende Beispiele von deutscher Ineffizienz und sinnfreiem Behördenwahnsinn daran nicht zu rütteln vermögen. Wenn die wenigen Senegalesen, die schon mal in Deutschland waren von den Abgründen deutscher Verwaltungsbürokratie oder von den Jahrzehnte benötigenden Infrastrukturbaustellen erzählen, wird ihnen meistens einfach nicht geglaubt.

    An diesem „heile Welt“-Deutschlandbild hat sich auch in den letzten Jahren wenig geändert. Nur die wenigsten Intellektuellen und einige weitgereiste Senegalesen verfolgen die Entwicklungen in Deutschland so aufmerksam, dass ihnen die deutsche Innen- oder Außenpolitik jenseits von örtlichen entwicklungspolitischen Nuancen ein Begriff ist. Dass in Deutschland eine Energiewende ansteht und zu scheitern droht, ist in der breiten Bevölkerung unbekannt. Dass Deutschland mit einem massiven Gasversorgungsproblem in den nächsten Winter geht, ist jemandem, der weder Winter noch Heizung kennt, ebenfalls kaum vermittelbar.

    Die deutsche Sicherheitspolitik und die massive Aufstockung des Verteidigungshaushalts wird in der Presse eventuell in einer Fußnote im Rahmen von Berichten über den Krieg in der Ukraine erwähnt. Aber selbst dieser Krieg ist angesichts der dauernden Krisen in den senegalesischen Nachbarländern und der Instabilität der Region kaum in den Schlagzeilen. Würden nicht die überall empfangbaren französischen Sender darüber täglich berichten, wäre er längst als eine Art „europäischer Bruderkrieg“ in die zweite oder dritte Reihe der Berichterstattung gerutscht. 

    Nicht zuletzt stehen auch deutsche Politiker dieser marginalen Bekanntheit ihres Landes in nichts nach. Während Kanzlerin Merkel auf Grund ihrer langen Amtszeit und ihres vergleichsweise starken Engagements für Afrika es auch im Senegal zu einer gewissen Publicity gebracht hatte, ist ihr Nachfolger kaum jemandem geläufig. Als Bundespräsident Steinmeier Anfang 2022 Dakar besuchte, nahmen viele der vom französischen Präsidialsystem geprägten Senegalesen an, dass es sich bei ihm um den Nachfolger von Angela Merkel handele.  Den Namen hatte man schließlich noch nie gehört und ein Präsident ist in der senegalesischen Politikauffassung immer der, der das Sagen hat. 

    Der weitaus wichtigere Europabezug bleibt der zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, deren Tagespolitik auch vom durchschnittlichen Senegalesen aufmerksam verfolgt wird. Deutschland führt in dieser täglichen Presserezeption ein Nischendasein, das im besten Fall von Nachrichten aus der Fußball-Bundesliga wöchentlich genährt wird. Aber auch hier ist das Interesse ausschließlich auf die deutschen Vereine gerichtet, in denen senegalische Spieler oder die aus Nachbarländern engagiert sind.

    Wird dieses Deutschland, von dem man nur eine Heile Welt-Vorstellung hat, als Vorbild wahrgenommen? Ja und nein. Natürlich wünscht sich jeder Senegalese sein Land möge so sein wie das Traumland Deutschland. Andererseits ist er sich auch der großen Defizite des eigenen Landes bewusst, was das Vorbild unerreichbar macht. Deutschland und Europa bleiben jedoch eine erreichbare Versuchung für viele Senegalesen, die sich als illegale Migranten in den hölzernen Pirogen über den Atlantik auf den Weg machen.

    Der Traum von einer besseren Zukunft in einem Europa, das seinen Wohlstand täglich im Fernsehen zeigt, wirkt wie ein Magnet. Er lässt alle damit verbundenen Gefahren nichtig erscheinen und wird im Senegal nie ausgeträumt werden. 

  • Historisch bestehen einige Verbindungen zwischen Deutschland und Südafrika – viele gerieten jedoch im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit. Politisch spielte Deutschland im 20. Jahrhundert regelmäßig eine Rolle unter den verschiedenen südafrikanischen Ethnien. Diese bestimmen oftmals – wenn auch unterbewusst – noch heute das Bild der Deutschen im Land am Kap.

    So hatte sich während des Südafrikanischen Krieges von 1899 bis 1902 – früher „Burenkrieg“ genannt – der deutsche Kaiser Wilhelm II vor dem Hintergrund europäischer Machtkämpfe vehement auf die Seite der Buren geschlagen. Das britische Königreich, gegen das die Buren kämpften, galt als Konkurrenz, die durch diesen Krieg fernab des europäischen Kontinents geschwächt werden konnte. Auch wenn aus dem Beistand keinerlei materielle Unterstützung resultierte, wurde der Eintritt Südafrikas in den Ersten Weltkrieg aufseiten der Alliierten vom burischen Teil der Gesellschaft scharf kritisiert.

    Während der Dreißigerjahre studierten eine Reihe Buren in Deutschland, die später einmal Führungsrollen im berüchtigten Apartheidregime übernehmen sollten. Sie importierten nationalsozialistisches Gedankengut nach Südafrika. So ist auch zu erklären, dass einige Apartheidgesetze den antisemitischen Nürnberger Gesetzen nachempfunden wurden. Die Verbindungen nach Deutschland führten schließlich zur Gründung einer nationalsozialistischen Bewegung in Südafrika, die gewaltsam versuchte, den Eintritt Südafrikas in den Zweiten Weltkrieg aufseiten der Alliierten zu verhindern.

    Auf der anderen Seite des politischen Spektrums unterstützte die DDR ab den Fünfzigerjahren Befreiungsorganisationen in zahlreichen afrikanischen Ländern, darunter auch in Südafrika. Politiker, Intellektuelle und Kämpfer der heutigen Regierungspartei ANC studierten in der DDR oder wurden dort anderweitig ausgebildet – bis heute genießt der untergegangene sozialistische Staat daher unter älteren ANC-Genossen einen guten Ruf.

    Das Ende der Apartheid zu Beginn der Neunzigerjahre brachte schließlich ein positives demokratiestärkendes Element von Deutschland nach Südafrika: den Föderalismus. Dessen Einführung wurde vor allem von der Inkatha Freedom Party aus der Provinz KwaZulu-Natal forciert, die dabei eng mit der Konrad-Adenauer-Stiftung zusammenarbeitete. Deutsche Organisationen hatten somit einen indirekten Einfluss auf die demokratische Verfassung Südafrikas – auch wenn dies heute höchstens noch Politikexperten geläufig ist.

    Ganz anders sieht die Lage wirtschaftlich aus: Deutlich sichtbar spielen deutsche Autohersteller eine übergeordnete Rolle im südafrikanischen Straßenverkehr. VW, BMZ und Mercedes-Benz produzieren seit Jahrzehnten Autos in Südafrika, vor allem für den Export. Die Unternehmen gelten als attraktive Arbeitgeber, ihre Produkte werden ob ihrer Qualität wertgeschätzt, auch wenn sie als teuer gelten. Ob allen Südafrikanerinnen und Südafrikanern wirklich bewusst ist, dass diese Unternehmen deutsch und nicht südafrikanische sind, sei dahingestellt.

    Darüber hinaus werden die üblichen Klischees bedient, teilweise bestätigt durch die große Zahl deutscher Touristen und Auswanderer: Deutsche trinken Bier, sind etwas laut, tragen Socken in Sandalen und haben stets etwas zu kritisieren und bemängeln.

    Medial fand vor allem die Kanzlerschaft Angela Merkels ab 2015 viel Beachtung – andere deutsche Politikerinnen und Politiker sind wiederum vollkommen unbekannt. Deutschland kommt in der allgemeinen Berichterstattung kaum vor. Wenn dann doch einmal berichtet wird, so geschieht dies meist im Zusammenhang mit der Europäischen Union.

    Zurückführen lässt sich dies vor allem auf die Sprache: Südafrikanerinnen und Südafrikaner konsumieren internationale Nachrichtensender, Filme und andere Streamingprodukte sowie soziale Medien – allerdings stets auf Englisch. Es gibt kaum noch Schulen, die Deutsch als Fremdsprache anbieten. Die „German Departments“ an den Universitäten sind schon vor Jahren mit anderen Einheiten fusioniert worden und führen ein Nischendasein.

  • Das Deutschlandbild in Israel ist bis heute durch die Geschichte der Shoa geprägt. Schon Konrad Adenauer bemühte sich als erster Bundeskanzler der jungen Bundesrepublik um Aussöhnung und deutsche „Wiedergutmachungszahlungen“. Aber trotz der wirtschaftlich prekären Situation in Israel Anfang der 50er Jahre galt für viele die Aufnahme von Gesprächen mit der Bundesrepublik Deutschland als skandalös. In den Worten des damaligen Oppositionsführers Menachem Begin ging es darum, „Blutgeld“ von den Mördern der Juden anzunehmen. Die Gegner der Regierung von Begins konservativ-zionistischen Cherut bis zur linkssozialistischen Mapam demonstrierten öffentlich gegen die Verhandlungen mit Deutschland, teilweise kam es zu Straßenschlachten. Israel, die Bundesrepublik und die Jewish Claims Conference einigten sich am Ende dennoch im Luxemburger Abkommen vom 10. September 1952 auf Zahlungen, Exportgüter und Dienstleistungen im Gesamtwert von 3,5 Milliarden D-Mark, um jüdische Flüchtlinge in Israel zu unterstützen. Aber auch der FDP-Politiker Walter Scheel, der als erster deutscher Außenminister im Jahr 1971 israelischen Boden betrat, war noch im Vorjahr von seinem israelischen Amtskollegen Abba Eban zurechtgewiesen worden, als er davon sprach die Beziehungen zu Israel »normalisieren« zu wollen. „Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel können nicht normalisiert werden“ sagte Eban laut „Spiegel“.

    Dennoch haben sich über die letzten Jahrzehnte auch vor diesem düsteren Hintergrund die Einstellungen verändert. Umfragen zeigen, dass Dreiviertel der israelischen Bevölkerung inzwischen ein positives Bild von Deutschland haben. Weder Großbritannien noch ein anderes Land der Europäischen Union wird inzwischen von der Bevölkerung so positiv eingeschätzt wie Deutschland. Stärker als eine deutsche Vorbildfunktion in konkreten Politikbereichen trägt dazu Deutschlands Selbstverpflichtung für Israel bei. Seit die Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 in der israelischen Knesset gesagt hatte, dass die Sicherheit Israels Teil der deutschen „Staatsräson" sei, wurde sie in Israel, sogar beliebter als in ihrem eigenen Heimatland. Und auch die aktuelle Bundesregierung hat diesen Satz in den Koalitionsvertrag aufgenommen: „Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson.“

    In den israelischen Medien wird dieses Element deutscher Sicherheitspolitik als zentraler Rahmen für die heutige Beziehung angesehen. Die Lieferung von wichtigen Rüstungsgütern, wie hochmodernen U-Booten aus Deutschland hat viele Schlagzeilen bestimmt. Mit Blick auf die eigene Sicherheits- und Verteidigungspolitik wurde in den Medien jedoch auch wahrgenommen, dass Deutschland die eigene Bundeswehr zu vernachlässigen schien. Zudem wurde kritisch thematisiert, dass Deutschland mit anderen westlichen Staaten in den Vereinten Nationen auch einige Israel-kritische Resolutionen unterstützt hatte. Allgemein wird diese Haltung einiger europäischer Länder als zu sehr von einer friedensbewegten Logik jenseits der Realität der harten Sicherheitslage Israels gesehen. Deswegen wird insbesondere seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der klaren Antwort Deutschlands und seiner Verbündeter häufiger die Hoffnung ausgedrückt, dass Deutschland ein „realistischeres Bild“ von harten Bedrohungslagen entwickelt habe.

    Die politische Auseinandersetzung und Diskussion um die Rechtsstaatlichkeit Israels ist kaum von einem Vergleich mit Deutschland geprägt. Aber während in den ersten Jahrzehnten Meldungen dominierten, dass in deutschen Ämtern, Gerichten und Parlamenten weiter ehemalige NSDAP-Mitglieder saßen, steht kein Verdacht mehr gegen deutsche Rechtsstaatlichkeit im Raum. Allein in der Flüchtlingskrise war immer wieder der Verdacht zu lesen, dass Deutschland Einwanderung zu wenig kontrolliere und rechtstaatliche Verfahren bei den neuen Einwanderern zu kurz kämen. Dabei wurden Vergleiche mit der gescheiterten Integration von Einwanderern in Frankreich und Belgien für die deutsche Zukunft bemüht.

    Die deutsche Industrie, der deutsche Mittelstand und in Deutschland produzierte Konsumgüter gelten in Israel als vorbildhaft. Mit einem jährlichen Umsatz von 7 Milliarden Euro ist Deutschland Israels wichtigster Handelspartner in der Europäischen Union. Die deutsche Wirtschaftspolitik wird dabei jedoch kaum in Augenschein genommen. Die israelische Wirtschaftspolitik wird durch eine komplexe Mischung von Eigenheiten wie Autarkiebemühungen in der Landwirtschaft, großer Gewerkschaftsmacht sowie ständigen Sachzwängen für die aktuelle Politik, wie aktuell dem Kampf gegen steigende Lebensunterhaltskosten, bestimmt. Selten wird entlang ideologischer Grenzen debattiert. Aktuell wird thematisiert, dass sich Deutschland mit dem Abschalten der Atomkraftwerke, dem geplanten Ende der Kohleverstromung und der Auseinandersetzung mit Russland in Widersprüche verheddert hat, die zur Aufgabe zumindest einer der drei Entscheidungen zwingen müssten. Für die wohlhabenderen Kreise umweltbewusster Großstädter in Tel Aviv ist die deutsche Klima- und Umweltpolitik aber durchaus ein Vorbild. 

    Die Entwicklung in Deutschlands Sicherheitspolitik, inklusive der großen Investitionen in die Bundeswehr und der Belieferung schwerer Waffen an die Ukraine, wird aktuell als sehr positiv wahrgenommen. Die Rechtstaatlichkeit Deutschlands wird derzeit in den Medien weniger thematisiert als in der kritischen Berichterstattung der Flüchtlingskrise. Alles was mit deutscher Wirtschaft und Technologie in Verbindung steht genießt grundsätzliche Bewunderung, während die klimapolitische Ausrichtung den einen als vorbildhaft gilt und von anderen mit Sorge – besondere im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine – betrachtet wird. Das Deutschlandbild in Israel hat seit den Anfängen nach der Shoa insgesamt eine dramatische Verbesserung erlebt – was auch mit dem besonderen Einsatz Deutschlands für Israel zusammenhängt.

  • Die Trump-Präsidentschaft markierte eine schwierige Zeit für die transatlantischen Beziehungen. Donald Trumps wiederholte Angriffe gegen einen der wichtigsten militärischen und wirtschaftlichen Partner der USA waren erschreckend und ließen Zweifel an seinem Engagement für ein enges Bündnis mit Europa aufkommen. Sein regelmäßiger Spott über Deutschland hat tiefe Risse in den transatlantischen Beziehungen hinterlassen.

    In dem Bemühen, den Schaden zu beheben, machte Präsident Joe Biden das Werben um Deutschland zu einer frühen Priorität seiner Präsidentschaft. Die Kombination aus Trumps Abgang und Bidens Annäherungsversuchen wirkte sich fast unmittelbar auf die öffentliche Meinung aus. In einer Umfrage des Pew Research Center aus dem Jahr 2021 bewerteten 74% der US-Bürger den Zustand der bilateralen Beziehungen als gut das, sind 6 % mehr als im Jahr 2017. Eine große Mehrheit der Amerikaner betrachtet Deutschland weiterhin als Partner in allen wichtigen außenpolitischen Fragen.

    Nach mehr als 75 Jahren bleibt Deutschland einer der engsten und stärksten Verbündeten der Vereinigten Staaten in Europa. Die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland beruhen auf gegenseitigen und lebenswichtigen Bindungen als Freunde, Handelspartner und Verbündete. Die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland, die für den gemeinsamen Wohlstand und die anhaltende Stabilität von entscheidender Bedeutung sind, beruhen auf intensiven zwischenmenschlichen Kontakten und einer engen Abstimmung auf höchster Ebene. Die Amerikaner sind sich bewusst, dass die Sicherheit und der Wohlstand der Vereinigten Staaten und Deutschlands voneinander abhängig sind.

    Die EU-Mitgliedstaaten sind zusammengenommen der größte Handelspartner der Vereinigten Staaten, und Deutschland steht als Europas größte Volkswirtschaft im Zentrum dieser Beziehung.

    In der Pew-Studie von 2021 befürworten die US-Amerikaner mehrheitlich die Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland vor allem in wichtigen Fragen wie dem Umweltschutz, dem Schutz der europäischen Sicherheit, der Förderung des Freihandels und dem Schutz von Demokratie und Menschenrechten. Für viele Amerikaner ist Deutschland das Aushängeschild für technologische Führerschaft und erstklassige (kostenlose) Bildung, insbesondere in der Berufsausbildung (duale Ausbildung) und im Ingenieurwesen, speziell im Bereich der Wind- und Solarenergie.

    Allerdings hat die Energiekrise, mit der Deutschland derzeit konfrontiert ist, das positive Image Deutschlands etwas getrübt. Es wird viel darüber diskutiert, ob Deutschland die Energiekrise im Winter überstehen kann. Eine kritische Stimme in einem Meinungsartikel der Washington Post sagte, dass Deutschland die Abhängigkeit von russischem Gas selbst verschuldet habe. Deutschlands Abhängigkeit von russischen Rohstofflieferungen wird von den Vereinigten Staaten seit langem kritisiert.

    In den letzten Jahren hat sich in den USA die Kritik an der deutschen China-Politik deutlich verschärft. Da diese nicht mit der Haltung Washingtons gegenüber Peking übereinstimmt, stellt China ein Problem dar, das sich für die deutsch-amerikanischen Beziehungen als schwierig erweisen könnte. In den Vereinigten Staaten wird der Aufstieg Chinas als existenzielle Bedrohung für die westliche Lebensweise wahrgenommen. Aus deutscher Sicht wird China eher als eine bedeutende Herausforderung für die zukünftige Struktur der internationalen Ordnung diskutiert.

    In ihrem Versuch, China politisch, ökonomisch und militärisch effektiv entgegenzutreten, braucht sie die Unterstützung ihrer europäischen Verbündeten. Dies wird jedoch schwierig sein, denn aus Sicht der US-Regierung stellt China wirtschaftlich, technologisch und militärisch eine sehr große Bedrohung dar. Deshalb scheut sie auch nicht den Konflikt mit Peking. Die deutsche Regierung hingegen will eine allzu konfrontative Haltung vermeiden, weil sie um die guten wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu China fürchtet. Bevor Russland zu dem drängenden Problem wurde, das es heute ist, waren die Amerikaner zunehmend frustriert über den Unwillen Europas und Deutschlands, sich auf Washingtons strategischen Kurswechsel weg von Moskau und hin zu einer Konfrontation mit Peking einzulassen.

    Der Krieg zwischen der Ukraine und Russland hat das Image Deutschlands in den USA ebenfalls etwas getrübt. Obwohl Deutschlands Versprechen vom Februar, in seinen vernachlässigten Verteidigungssektor zu investieren, in den USA gut aufgenommen wurde, ist Deutschlands Reaktion auf den Russland-Ukraine-Krieg seitdem für viele in den Vereinigten Staaten eine Enttäuschung gewesen.

    In der Anfangsphase des russischen Krieges in der Ukraine war die deutsche Reaktion auffallend stark und wurde in den Vereinigten Staaten hoch geschätzt. Nur wenige Tage nach Beginn der Invasion überraschte Scholz nicht nur seine eigene Partei, sondern auch seinen amerikanischen Verbündeten, als er erklärte, dieser neue Krieg in Europa markiere einen Wendepunkt, das Ende einer Ära. Für die Amerikaner sah es so aus, als stünde Deutschland an der Schwelle zu einem grundlegenden Mentalitätswandel. Obwohl es noch zu früh war, schien es, als ob das Land endlich bereit wäre, die Führungsrolle in der europäischen Verteidigung zu übernehmen.

    Im Frühjahr hatte Deutschland sogar zugesagt, Kiew direkt mit schweren Waffen zu beliefern, doch waren bis Juli nur wenige solcher Waffen geliefert worden. Für viele politische Entscheidungsträger in Washington hat sich dieses Muster in den Diskussionen über die deutsche Regierung wie ein roter Faden durchgesetzt: Auf Versprechen folgt Zögern. Diese Verzögerungen sind besonders besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass Deutschland wegen seiner engen Energiebeziehungen zu Moskau bereits ein Vertrauensdefizit bei seinen Verbündeten in den USA hatte.

  • Mit Klischees leben zu müssen, das klingt nach Ballast, Ohrfeige und schwerem Erbe. Den Deutschen sagt man nach, sie seien pünktlich, ordnungsliebend und einem Arbeitsethos höchster Reinheitsstufe verpflichtet. Wie eine Siegestrophäe trägt diese Zuschreibung wohl niemand vor sich her, allenfalls wie einen Trostpreis. Warum eigentlich? Wenn man in Argentinien die Deutschen so beschreibt wie gerade geschehen, spricht daraus nämlich vor allem eines: Hochachtung.

    Sie nimmt zu, je mehr dem Land die eigenen, hausgemachten Probleme über den Kopf wachsen. Seit Jahrzehnten lahmt die Wirtschaft in Argentinien, die heimische Währung ist inflationsbedingt kaum noch etwas wert, der Schuldenberg ist schwindelerregend, ein Teil der Politik schert sich wenig um die Prinzipien des Rechtsstaats, in Parlamentsdebatten und den Medien wird aus jeder Streitfrage ein Kulturkampf, der Gegner wird nicht argumentativ widerlegt, sondern mit rotem Kopf, Nebelkerzen und viel Theaterdonner niedergebrüllt. Deutschland ist bei alldem zum Leitstern geworden, zum hehren Gegenmodell, zumal auf den Gebieten, auf denen man selbst notorisch schlecht performt.

    Tugenden nicht nur vom Hörensagen bekannt

    Aldo Abram, Direktor der in Buenos Aires ansässigen Denkfabrik Libertad y Progreso schlägt in dieselbe Kerbe: Deutschland sei ein gut funktionierender Staat, Argentinien sei das Gegenteil davon. Abram weiß aus zahlreichen Gesprächen: Neben der Stabilität der staatlichen Institutionen und der Effizienz der Verwaltung beeindruckt seine Landsleute die hohe Arbeitsmoral der Deutschen und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein. Das alles habe es dem Land im Herzen Europas ermöglicht, zu einem Motor der EU zu werden, politisch, ökonomisch, sozial und kulturell.

    Argentinien ist ein Einwanderungsland klassischen Zuschnitts. Seinen Wohlstand verdankte es den Immigrationswellen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Seinerzeit kamen vor allem Italiener und Spanier, aber auch Deutsche, allerdings in eher überschaubarer Zahl. Bereits 1843 gründete sich eine deutschsprachige evangelische Kirchengemeinde in Buenos Aires. Kurz darauf entstand eine Vorläufereinrichtung der heutigen Handelskammer. Die deutschen Tugenden sind also nichts, was man in Argentinien nur vom Hörensagen kennt. Sie sind Teil der Geschichte, kein konstitutiver zwar, aber immerhin. Heute, rund 180 Jahre später, prägen deutsche Schulen, die politischen Stiftungen, das Goethe-Institut, aber auch das „Argentinische Tageblatt“, die einzige noch existente nicht-spanische Wochenzeitung des Landes, das Deutschland-Bild.

    Allegorische Verkörperung deutscher Tugendhaftigkeit

    In den zurückliegenden Jahren war es Angela Merkel, an die man in Argentinien zuerst dachte, wenn es um Deutschland ging. In der Amtszeit ihrer Vorgänger war das Assoziationsspektrum noch breiter gefächert. Die Pfarrerstochter aus der Uckermark war allseits bekannt und genoss über die Parteigrenzen hinweg höchstes Ansehen. So viel Konsens ist selten in der chronisch zerstrittenen argentinischen Politik. Merkel galt als nahezu allegorische Verkörperung deutscher Tugendhaftigkeit. Groß war die Sorge Ende vergangenen Jahres, dass Berlin nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt der Regierungschefin als Stabilitätsfaktor in Europa und im weltpolitischen Gesamtgefüge ausfallen könnte.

    Für Stirnrunzeln hatte in Argentinien eigentlich nur eine Entscheidung der Merkel-Ära gesorgt: der im März 2011 nach dem Reaktorunfall in Fukushima verkündete vorzeitige Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie. Argentiniens Politik mochte emotionsgesteuert und korruptionsanfällig sein. Deutschland aber folge einem Plan! Eine ewige Opera Buffa auf der einen Seite, Hegels Weltgeist auf der anderen. Mit dem Atomausstieg indes schien Berlins Regierungshandeln plötzlich genauso erratisch wie das eigene. Keine Partei in Argentinien hat ihn verteidigt. Auch das Groß der Kommentatoren, Analysten und Spezialisten hat ihn für unverantwortlich gehalten. Die Probleme, die es gegenwärtig mit dem Moskauer Kreml gibt, sollten ihnen Recht geben.

    Effizienz dient etwas Gutem

    Luis Rosales ist ein bekannter Fernsehjournalist. 2019 hat er für das Amt des Vizepräsidenten kandidiert. Er kennt sich aus auf dem Feld der internationalen Beziehungen. In Argentinien, so seine Erfahrung, habe man die Deutschen vor allem für ihre Beständigkeit, Ausdauer und Effizienz bewundert. Die Effizienz sei im Laufe der Geschichte leider immer wieder auch missbraucht werden. Heutzutage aber, so Rosales, diene sie in Deutschland dem Guten: dem Erhalt der Demokratie und der Achtung der individuellen Freiheit. Die wirtschaftliche Stabilität, die sportlichen Erfolge, die kulturellen Leistungen und den Erfindungsgeist, für all das bewundere sein Land die Deutschen. Hinzu komme aber noch etwas ganz anders: Deutschland habe sich seiner Vergangenheit gestellt. Nur so habe es sich zu einem weithin respektierten Global Player entwickeln können.

    Konkret gefragt sein könnte dieser Player sehr bald schon bei Folgendem: Wer in Argentinien noch für den Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen Mercosur und EU trommelt, hofft auf Verbündete auf der anderen Seite des Atlantiks. Speziell auf Deutschland setzt man dabei seine Hoffnung.

  • Deutschland gilt in Indien als moderne und einflussreiche Volkswirtschaft. Besonders bei indischen Studierenden wird die Bundesrepublik immer beliebter. Doch der Ukraine-Krieg offenbart auch unterschiedliche Interessen.

    In Indien, einem Land mit mehr als 400 Sprachen, haben gelegentlich auch deutsche Wörter ihren Platz: Medien greifen besonders gerne darauf zurück, wenn es um ihre Perspektive auf Deutschlands Besonderheiten geht. Die Ausdrücke "Mittelstand" und "Autobahn" haben es genauso in das Vokabular der indischen Presse geschafft wie "Energiewende" und sogar der Werbeslogan "Geiz ist geil". Die Auswahl legt nahe, welches Bild die größte Demokratie Asiens von dem bevölkerungsreichsten Land der EU hat: Deutschland gilt als einflussreiche Wirtschaftsmacht mit ausgezeichneter Infrastruktur und moderner Technologie, die gut mit Geld umgehen kann.

    Das insgesamt positive Deutschland-Bild bekam in den vergangenen Monaten aber auch neue kritische Untertöne – besonders mit Blick auf die unterschiedliche Positionierung der beiden Länder nach Russlands Einmarsch in der Ukraine.

    In einigen Bereichen gilt Deutschland als klares Vorbild: Kolumnisten schwärmen von der Effizienz des Rechtsstaats – und beschreiben, wie gerne die Deutschen deshalb mit ihren Problemen vor Gericht ziehen. In Indien ist das angesichts von Millionen offener Verfahren, die teils seit Jahren im Justizsystem feststecken, besonders erwähnenswert. Vor dem Hintergrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Indien stößt auch das deutsche Modell der dualen Ausbildung auf großes Interesse. Indische Politiker loben das Modell als nachahmenswerten Ansatz.

    Das Bildungssystem macht Deutschland auch als Zuwanderungsland attraktiv. Die Zahl der indischen Studierenden an deutschen Hochschulen nimmt stetig zu: Lag ihr Anteil unter den Bildungsausländern im Wintersemester 2010/2011 lediglich bei 2,6 Prozent, stieg er bis zum Wintersemester 2020/21 auf 8,8 Prozent, nur chinesische Studierende haben einen noch größeren Anteil.

    Indische Studierende schätzen an Deutschland, dass sie dort einen hochwertigen Abschluss vergleichsweise günstig machen können – und anschließend hohe Chancen auf eine gut bezahlte Anstellung haben. Es spricht sich aber zunehmend herum, wie gut es den Inderinnen und Indern in Deutschland geht. Mit einem Bruttomedianlohn von mehr als 4800 Euro im Monat sind sie mit Abstand die bestverdienende Ausländergruppe in der Bundesrepublik.

    Karriere- und Bildungschancen machen Deutschland in Indien auch insgesamt bekannter: Vielfach beschränken sich die Assoziationen, die Inderinnen und Inder mit Deutschland verbinden, zwar immer noch auf Bundesliga-Vereine und Autohersteller – die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung der beiden Länder weckt aber Interesse an einem tieferen Einblick in die deutsche Kultur. So hat sich die Zahl der Deutschlernenden seit 2010 auf mehr als 211.000 im Jahr 2020 versiebenfacht.

    Neben dem individuellen Interesse an Deutschland wächst aber auch der Wunsch an vertieften Wirtschaftskooperationen. Die Regierung in Neu-Delhi sieht die Bundesregierung als zentralen Partner um den Freihandelsgesprächen zwischen Indien und der Europäischen Union neuen Schwung zu verleihen. Beide Länder versprechen sich von einem erfolgreichen Abschluss einen Schub für ihre Exportindustrien. Indiens politische Führung glaubt, dass Deutschland angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen Alternativen zum Handel mit China aufbauen muss – und sieht das eigene Land dafür gut positioniert.

    Dass sich Deutschland mit seinen Indo-Pazifik-Leitlinien eine engere Bindung an Indien vorgenommen hat, wird in Indien begrüßt. Das Verhältnis zwischen den beiden Regierungen ist aus Sicht von politischen Beobachtern in Indien geprägt von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen – auch aufgrund der regelmäßig stattfindenden deutsch-indischen Regierungskonsultationen, in denen die Kabinettsmitglieder beider Länder aufeinander treffen.

    Für Meinungsverschiedenheiten sorgte zuletzt der Ukraine-Krieg. Im Gegensatz zu anderen Partnern Deutschlands war Indien nicht bereit, den russischen Einmarsch in der Ukraine zu verurteilen und sich den westlichen Sanktionen anzuschließen. Indien baute seine Geschäfte mit Russland vielmehr aus – vor allem bei Energieimporten. Kritik aus Deutschland wiesen Politik und Medien in Indien als scheinheilig zurück. Indische Politiker und Medien verweisen darauf, dass Deutschland selbst von russischen Energieimporten abhängig ist.

    Indische Beobachter sprechen von außenpolitischen Fehleinschätzungen in Berlin: "Die Deutschen haben in den vergangenen Jahrzehnten ihren Einfluss auf den Kreml über- und Putins Sicherheitsbesessenheit unterschätzt", kommentierte Indiens früherer Außenminister Krishnan Srinivasan. Die Schwierigkeit des Umgangs mit Russland wird zum Teil aber auch als Gemeinsamkeit zwischen Deutschland und Indien gesehen: Während Deutschland von russischer Energie loskommen müsse, liege es an Indien, Alternativen zu russischen Rüstungsgütern zu finden, kommentierte der Außenpolitikexperte Harsh V. Pant. "Wirkliche strategische Autonomie wird es erst geben, wenn es den beiden Nationen gelingt, ihre Abhängigkeiten zu verringern, die in der gegenwärtigen geoökonomischen Ordnung echte Schwachstellen darstellen."

  • Zwischen Berlin und Hanoi liegen 8.400 km, eine Entfernung, die auf den ersten Blick riesig erscheint, die aber in unserer zusammenwachsenden Welt mit dem Flugzeug schnell überbrückt werden kann. Viele Vietnamesen gerade der mittleren und älteren Generation verbindet mit Deutschland die gemeinsame Erinnerung daran, dass beiden Nationen in der Vergangenheit geteilt waren. Heute sind Deutschland und Vietnam wiedervereinigt und fest in regionale Organisationen eingebunden – Deutschland als Mitglied der EU und Vietnam als Mitglied der ASEAN. Wichtig für das Deutschlandbild ist, dass es in Deutschland größere vietnamesische Bevölkerungsgruppen gibt, die zu verschiedenen Zeiten und aus unterschiedlichen Gründen in beide Teile des damals geteilten Landes kamen und bis heute dafür sorgen, dass es in Vietnam weit verbreitete Kontakte nach Deutschland und ein verhältnismäßig großes Interesse an den Entwicklungen gibt. Eine positive historische Erinnerung hat sich tief in die Erinnerungen vieler Vietnamesen eingegraben: Statt Soldaten schickte die Bundesregierung während des Vietnamkrieges 1966 das Lazarettschiff Helgoland, das vor Da Nang ankerte und 8.000 Patienten aller Seiten versorgte.

    Wirtschaftlich ist Deutschland der wichtigste EU-Partner von Vietnam. Vietnams Öffentlichkeit weiß die wertvolle deutsche Unterstützung beim Aufbau und der Entwicklung des Landes stets zu schätzen. Deutschland ist und bleibt ein Vorbild als führende Volkswirtschaft mit fortschrittlicher Technologie und ist ein langjähriger Partner von Vietnam.

    Dies zeigt sich in folgenden Bereichen, über die in der vietnamesischen Presse immer wieder berichtet wird:

    • Handel: Deutschland nach wie vor der größte Handelspartner Vietnams in Europa, wobei der Umsatz in beiden Richtungen in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen ist.
    • Investitionen: Mit 391 Projekten mit einem registrierten Gesamtkapital von mehr als 2,22 Milliarden USD in 38 Provinzen und Städten Vietnams ist Deutschland auf den dritten Platz in der EU aufgestiegen. Dadurch wurden vielfach anerkannt praktische Beiträge zur sozioökonomischen Entwicklung Vietnams geleistet.
    • Grüne Wirtschaft: In diesem Bereich nimmt sich Vietnam seit kurzem Deutschland explizit zum Vorbild, insbesondere nach dem Beitritt Vietnam zum COP 26. „Grüne Wirtschaft“, „grüne Finanzen“ und „grüne Versicherungen“ sind Begriffe, die von deutschen Konzepten abgeleitet sind und in Vietnams Presse große Aufmerksamkeit erhalten.

    Deutschland steht für viele Vietnamesen für Technologieführerschaft und erstklassige Bildung, v.a. in der beruflichen Ausbildung (duale Bildung) und den Ingenieurwissenschaften. In der letzten Zeit hat dieses positive Bild jedoch Risse bekommen: Mit Sorgen schauen Vietnamesen auf die inzwischen erratisch anmutende Energiepolitik sowie wirtschafts- und technikfeindliche Tendenzen. Es wird sich gefragt, ob es in Deutschland in diesem Winter zu flächendeckenden Blackouts und kalten Wohnungen kommen kann.

    So schreibt ein Wirtschaftsmagazin "Deutschland hat nur noch drei Monate Zeit, um sich vor der Energiekrise zu retten, die seine Wirtschaft in den Abgrund reißen könnte". Die Regierung Scholz habe das Problem nur langsam in Angriff genommen und erst kürzlich Ziele für die Senkung der Nachfrage festgelegt, als die Bemühungen um eine alternative Versorgung scheiterten. (Doanh Nghiep & Kinh Doanh, 2.8.2022)

    Hinzu kommen quasi-sozialistische Experimente in Deutschland, wie die Mietpreisbremse, die regelmäßig für Erstaunen sorgen. In einer von der Foreign Trade University Hanoi durchgeführten, von der FNF geförderten Studie zur Perzeption von Reichtum zeigen die Vietnamesen – anders als deutsche – ein eher positives Verhalten gegenüber Vermögenden. Ein Vorbild ist in diesem Bereich das von Sozialneid geprägte Deutschland nicht (WELT, 4.8.2022).

    Und es gibt einen verhältnismäßig neuen Trend: Anders als noch von über zehn Jahren als die Migrationsrichtung fast aller Vietnamesen in Richtung Deutschland zeigte, sind inzwischen immer mehr Deutsch-Vietnamesen in die Heimat ihrer Vorfahren zurückgekehrt. Sie prägen gerade in den großen Städten das Deutschlandbild. Diese Menschen sind in zwei Welten zuhause, bilingual und meist bestens in Deutschland ausgebildet. Unterhält man sich mit ihnen, erkennen sie zwar den hohen Entwicklungsstand in Deutschland an, sehen aber gleichzeitig die hohen Wachstumsperspektiven Vietnams.

    Für eine ambivalente Sicht sorgte teilweise die deutsche Coronapolitik. Anders als Deutschland hatte Vietnam schon früh die Risiken erkannt und – als im Frühjahr 2020 die deutsche Regierung noch abwiegelte – rasch reagiert und die Grenzen geschlossen. Während nach der 180-Grad-Wende in Deutschland das wirtschaftliche und soziale Leben ab April 2020 zum Erliegen kam und eine expansive Fiskal- und Geldpolitik betrieben wurde, verlief das Leben in Vietnam – abgesehen von der Abschottung des Landes – bis zum Frühling 2021 normal. Der in Deutschland vorherrschende Keynesianismus traf in Vietnam auf wenig Gegenliebe. Infolgedessen stieg die Staatsverschuldung in Vietnam nicht in dem Maße wie in Deutschland an, auch gab es keine Nullzinspolitik. Vietnams Wirtschaft wuchs selbst in den beiden Coronajahren 2020 und 2021, von 2022 ganz zu schweigen. Die sorgte in der Presse für ein unverhohlenes Selbstbewusstsein gegenüber westlichen Nationen.

    Sehr positive indes wurde das großzügige Verhalten Deutschland bei der Impfung der vietnamesischen Bevölkerung betrachtet: Deutschland lieferte insgesamt 3,35 Millionen Impfstoffdosen und medizinische Ausrüstungen im Gesamtwert von knapp einer Million Euro. Darüber hinaus haben deutsche Länder, Kommunen und Unternehmen Vietnam mit Hunderttausenden von Schnelltestsets, medizinischen Masken und vielen anderen medizinischen Geräten unterstützt. Dies wurde in Vietnam als ein lebendiger Beweis für die substanziellen Beziehungen und die enge Freundschaft zwischen beiden Ländern gewertet.

    Ganz aktuell in der Presse diskutiert wird der Fall der Nichtanerkennung der neuen vietnamesischen Pässe durch Deutschland und andere EU-Länder. Grund hierfür ist das Fehlen einer eindeutigen Angabe des Geburtsortes. Da viele Vietnamesen davon betroffen sind, war die Aufregung unter ihnen groß, vor allem da anscheinend der Fehler auf vietnamesischer Seite lag. Doch dieser Fall dürfte über den August 2022 keine weitere Wirkmacht in der Perzeption Deutschland entfachen.

    Sicherheitspolitisch wertschätzen die Vietnamesen, dass sich Deutschland im Konflikt um das Vietnamesische Ostmeer („Südchinesisches Meer“) auf den Standpunkt des Völkerrechts stellt, was der Position Vietnams gegenüber einem immer aggressiver auftretenden China entspricht.

    Der Ukrainekonflikt ist indes für Vietnam nicht nur geographisch gesehen weit weg. Gerade die mittlere und ältere Generation der Vietnamesen, und dabei vor allem im Norden des Landes hat überwiegend positive Erinnerungen an Russland und die Sowjetunion. Zudem glauben einige Vietnamesen im Ukrainekonflikt das vertraute Muster des Stellvertreterkrieges zu erkennen. Bei der jungen Generation dürften diese Bindungen zu Russland nicht mehr so ausgeprägt sein. Alles in allem bleibt die vietnamesische Presse in diesem Konflikt neutral.

    Sehr positiv wird in Vietnam das deutsche Bekenntnis zum Freihandel gesehen. Deutschland wird als der wichtigste Player der EU und des Multilateralismus gesehen. Hierzu tragen auch die vielen deutschen Unternehmen bei, die in Vietnam aktiv sind und die in ihrer großen Masse vorbildlich hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und der Sozialpartnerschaft sind.

    Das Deutschlandbild in Vietnam ist einem ständigen Wandel unterworden. Dies ist natürlich immer auch eine Generationensache. Das alte Deutschland, welches viele der mittleren und älteren Generation kennen, macht einem neuen Deutschland Platz. Alles in allem steigt auch das Selbstbewusstsein der Vietnamesen, die mehr noch als zuvor eine Behandlung auf Augenhöhe einfordern.