EN

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
Wehrhafte Demokratie: Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in der Weimarer Republik

"Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" steht auf einer Schleife an einem Kranz.

"Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold"

© picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

Wie lässt sich den Gefährdungen der liberalen Demokratie begegnen? Lassen sich antirepublikanische Kräfte und antisemitische Gesinnungen durch eine „wehrhafte Demokratie“ einhegen? Ein historisches Beispiel im tatsächlichen Wortsinne der „wehrhaften“ Demokratie war das 1924 gegründete „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ – ein Massenbündnis zur Verteidigung der Demokratie.

Gerade erst hatte die erste deutsche Demokratie größte Herausforderungen gemeistert: der Währungsverfall in der Hyperinflation 1923, die Ruhrbesetzung durch Franzosen und Belgier, Putschversuche von rechts in Bayern, von links in Sachsen, separatistische Bestrebungen im Rheinland – und nicht zuletzt der alarmierende Staatsstreichversuch Adolf Hitlers in München im November 1923. Dass nicht bereits zu diesem Zeitpunkt die Demokratie an ihr Ende geriet, war wesentlich der geschickten Politik des zeitweiligen Reichskanzlers und langjährigen liberalen Außenministers Gustav Stresemann zu verdanken. Die Rettung der Republik verhalf Weimar zu einer – wenn auch prekären – Stabilität.

Das Reichsbanner: Schutztruppe der Republik

In dieser Situation wollte das „Reichsbanner“ gegenüber den konkurrierenden Wehrverbänden auf der nationalen und völkischen Rechten – dem deutschnationalen Stahlhelm und der Hitlerschen SA – sowie dem kommunistischen Rotfrontkämpferbund eine Bastion der Republik jenseits aller Regierungspolitik bilden. Binnen kurzer Zeit wurde weit über eine Million Menschen aus der „Mitte der Gesellschaft“ mobilisiert – ein Bündnis der die Weimarer Demokratie tragenden Kräfte der SPD, des liberalen Bürgertums in der DDP und des katholischen Zentrums. Die ausschließlich auf Männer zielende Gemeinschaft – der vollständige Namenszusatz lautete „Bund deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner“ – wollte vor allem die jungen Männer nicht den politischen Extremen überlassen, sondern ihren „Kampfeswillen“ für die Demokratie entflammen.

Dieser Vergemeinschaftung diente ein ganzes Bündel von Maßnahmen sowohl der zivilen Kultur als auch der republikanischen Gewaltkultur – von der Freizeitgestaltung bis zu Wehrübungen: Neben kultureller Aktivität auf der einen Seite, Feiern, Fackelumzügen und Diafilmabenden („Wanderung auf Rügen“) bildeten paramilitärische Geländeübungen und die Ausbildung der Mitglieder an kleinkalibrigen Waffen die andere – gewaltkulturelle – Seite des Programms. Hinzu kamen Aufgaben im Saal- und Versammlungsschutz zugunsten der demokratischen Parteien, politische Schulungen und eine spezifische Öffentlichkeitsarbeit, etwa im Aufdecken von Verstößen gegen die Verfassung, dem Protest gegen das Aufstellen von Kaiser-Wilhelm-Büsten in Schulen oder Eingaben gegen die Personalpolitik der Behörden, wenn diese „Verfassungsfeinde“ begünstigte. Doch bei aller Bedeutung der politischen Arbeit und Bildung verstand sich das Reichsbanner zuallererst als „Schutztruppe der Republik“, als paramilitärische Hilfe für Polizei und Armee.

Ein Sammelbecken republikanischer Kräfte – neben den Sozialdemokraten hatten gerade die Linksliberalen die Gründung eines solchen Verbandes teils euphorisch begrüßt. Mitglieder wurden so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der DDP-Vorsitzende Erich Koch-Weser, der Publizist Theodor Wolff oder der Vorsitzende der liberalen Gewerkvereine Anton Erkelenz. Den Rechten sollte die Deutungshoheit über zentrale politische Begriffe wie Vaterland und Nation entwunden werden, man wollte ein Bekenntnis für Schwarz-Rot-Gold als „Volksgemeinschaft aller Republikaner“.

Doch gab es auch Skeptiker dieser Form der männerbündlerischen Vergemeinschaftung: Theodor Heuss etwa, damals führender DDP-Parlamentarier, fühlte sich abgeschreckt von der „Kostümierung“, der „Brachialgewalt“ und dem „Märtyrerkult“ des Reichsbanners. Er teile zwar dessen republikanische und demokratische Ziele, aber eben nicht dessen Methoden. Dagegen konnten sich manche bürgerlichen Intellektuellen gerade dafür erwärmen und bejubelten – wie Reichsbanner-Mitglied Harry Graf Kessler – das „proletarische Auftreten“ des „kräftigen, jungen Arbeitertypus“ beim Reichsbanner, das mit den „blassen, engbrüstigen Hakenkreuzlern“ kontrastiere. „Unsere jungen Arbeiter“, so Kessler, würden jene „zu Mus hauen“, wenn es „hart auf hart ginge“.

Die Gewaltstrategie des Reichsbanners

Letzteres war allerdings nicht der Fall: Zwar gab es in den letzten Jahren der Republik bei Aktionen und Straßenkämpfen zwischen Reichsbanner und linken wie rechten Wehrverbänden mehr als tausend Tote und Verletzte. Zu verhindern aber war der Untergang der Demokratie nicht. Dies führt zur Frage der Gewaltstrategie des „Reichsbanners“: Wenn der Staat nicht zum Schutz der Republik gegen seine Feinde, die antidemokratischen Wehrverbände, eingreife, müsse die Zivilgesellschaft handeln, so das Credo, demzufolge dann die zivil ausgeübte Gewalt des Reichsbanners der Demokratie diene. Dies war zwar eine defensive, gegenüber der extremistischen Gewalt eher reaktive Ausrichtung, dennoch hatte sie in der alltäglichen Erfahrung ihren Anteil an der Ritualisierung der Gewalt und an deren Gewöhnung in der Gesellschaft.

Gab es alternative zivilgesellschaftliche Versuche zur Verteidigung der Republik? In der Tat wies der bereits 1921 gegründete „Republikanische Reichsbund“ einen anderen Weg, auch wenn er mit dem Reichsbanner kooperierte: Er organisierte ein politisch ähnliches Milieu, nahm aber auch Frauen auf und lehnte zivile Gewaltanwendung ab. Hugo Preuss, Paul Löbe und Theodor Heuss gehörten zu seinen Mitgliedern ebenso wie Minna Cauer und Marie-Elisabeth Lüders. Die männliche Jugend allerdings versammelte sich doch eher beim Reichsbanner. Übte also gerade dessen Gemeinschaftserlebnis und die (zivile) Gewaltkultur – Marschieren, Wandern, Wehrsport treiben und (Schulungs-)Lager – die größere Anziehungskraft aus?  

Verfolgung der Reichsbanner-Mitglieder

Vieles spricht dafür. Ebenso deutlich ist aber auch, dass die seit Ende des Jahrzehnts zunehmende politische Gewalt auf der Straße nicht die demokratische Resistenz der Bevölkerung stärkte, sondern vielmehr in den Ruf nach „Ordnung“ mündete und das wenige verbliebene Vertrauen in die Krisenlösungskompetenz von demokratischen Parteien und Parlamenten erodieren ließ. Die Militarisierung der Zivilgesellschaft wies keinen Weg zurück in die stabile Demokratie.

Überdies versetzte im Juni 1932 der mit Notverordnungen regierende Reichskanzler Franz von Papen der Republik einen entscheidenden Stoß: Er weigerte sich nicht nur, die Schutzverbände des Reichsbanners als Hilfstruppen der Polizei zuzulassen und so der Demokratie zu helfen, sondern hob vielmehr das Verbot von SS und SA auf, um sich von der NSDAP tolerieren zu lassen. Das Ende ist bekannt: Im Februar 1933 wurden statt der Demokraten Hitlers Wehrverbände zu „Hilfspolizisten“ ernannt, und im März gingen das Reichsbanner ebenso wie der Republikanische Reichsbund unter. Die Mitglieder wurden verfolgt, manche gingen ins Exil, nicht wenige wurden ermordet.

Anders als zur Zeit der Weimarer Republik steht heute das Gewaltmonopol einer verfassungsloyalen Polizei nicht in Frage. Zurecht benötigt es deshalb auch keine so genannte Kultur der zivilen Gewalt. Auf diese hat denn auch das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold verzichtet, als es sich 1953 in der Bundesrepublik neu gründete, nunmehr mit dem Zusatz „Bund aktiver Demokraten“, und vornehmlich auf die Erinnerungskultur und politische Bildung verpflichtete.