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Wohnungsmarkt

Wege aus der Baukrise

Neubauten auf einem Feld bzw. in einer Neubausiedlung

Neubauten auf einem Feld bzw. in einer Neubausiedlung.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Immer weniger Baugenehmigungen, immer mehr Stornierungen, immer weniger Wohnungen und immer höhere Mieten. Der deutsche Wohnungsmarkt steckt in einer tiefgreifenden Krise, und bisher ist kein Ende dieser Abwärtsspirale in Sicht. Der Wohnungsmarkt ist kein Markt wie jeder andere. Wenn der Wohnungsmarkt in Schieflage gerät, betrifft das die Menschen unmittelbar und ganz direkt. Denn wir alle müssen irgendwo wohnen, Miete zahlen oder einen Kredit finanzieren.

Aus diesem Grund hat die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die Studie „Nachhaltige Wege aus der Baukostenkrise“ in Auftrag gegeben. Die Studie vom Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. präsentiert innovative Lösungsansätze zur Kostensenkung und verdeutlicht, an welchen Hürden die meisten Innovationen hierzulande scheitern.

Ursachen für die Krise auf dem Wohnungsmarkt

Als Ursache für die aktuelle Krise auf dem Wohnungsmarkt sehen die Forscher insbesondere drei Gründe:

  1. Steigende Baulandpreise: Die restriktive Ausweisung von Bauland hat dazu geführt, dass die Baulandpreise allein seit dem Jahr 2015 um 85 Prozent gestiegen sind. Die regionalen Unterschiede sind enorm und reichen auf Kreisebene von 14 € bis 2.505 € pro Quadratmeter.
  2. Steigende Zinsen: Die gestiegenen Bauzinsen haben zu einer erheblichen Mehrbelastung bei den Finanzierungskosten geführt. Vor der Zinswende im Jahr 2022 hätte ein Haushalt mit einem Kreditbetrag von 400.000 Euro und einer monatlichen Rückzahlung von etwa 1.500 Euro für Zinsen und Tilgung nach 20 Jahren noch eine Restschuld von etwa einem Drittel des Kreditbetrags gehabt. Bei Bauzinsen von knapp 4 Prozent beträgt die Restschuld bei gleichbleibender Rückzahlung jedoch noch 85 Prozent.
  3. Steigende Baukosten: In jüngster Vergangenheit kam es zu einem drastischen Anstieg der Baukosten, der u. a. durch den Fachkräftemangel sowie brüchige Lieferketten (Corona-Pandemie, Ukrainekrieg) getrieben wurde. Insbesondere die Preise für Baumaterialien sind immens gestiegen. Der Preisanstieg für Stahlbeton seit dem 1. Halbjahr 2021 betrug knapp 87 Prozent, die Preise für Zement und gebrannten Gips stiegen im selben Zeitraum um etwa 68 bzw. 57 Prozent.

Wege aus der Baukostenkrise

Alle betrachteten Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärfen wird. Bei der aktuellen fiskalischen Lage und der Größe der Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt helfen nach Ansicht der Forscher keine neuen Förderprogramme, sondern nur strukturelle Verbesserungen, die sich am ehesten bei den Baukosten erreichen lassen. Hierfür werden im Rahmen der Studie insbesondere drei Wege aufgezeigt:

  1. Serielles Bauen: Beim seriellen Bauen werden Gebäudebestandteile durch einen industriellen Herstellungsprozess vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengesetzt. Andere Länder (z. B. Schweden) sind beim seriellen Bauen teils deutlich weiter fortgeschritten. Hierzulande sorgen abweichende Landesbauordnungen und komplizierte Genehmigungsverfahren dafür, dass sich die Vorteile des seriellen Bauens nicht voll entfalten können. Unter optimalen Bedingungen lassen sich durch das serielle Bauen Einsparungen von bis zu 20 Prozent erreichen.
  2. Building Information Modeling (BIM): Im Rahmen des BIM wird ein digitaler Zwilling für den gesamten Gebäudezyklus erstellt. Alle relevanten Projektdaten werden in Echtzeit aktualisiert und liegen in einer zentralen Datenbank vor. Mit dem Verfahren lassen sich insbesondere komplexe Abläufe optimieren und eine stark verbesserte Kommunikation zwischen Architekten, Bauherren, Ingenieuren und anderen Beteiligten erreichen. Erste Analysen deuten darauf hin, dass sich durch die Nutzung von BIM Projektlaufzeiten reduzieren und damit Kosteneinsparungen von bis zu 10 Prozent erreichen lassen.
  3. Neue Baumaterialen und 3-D-Fertigung: Bauwerke werden seit über 100 Jahren mit den überwiegend gleichen Baustoffen und Techniken errichtet. Alternative Materialien wie Lehm oder Hanf haben es in Deutschland schwer, da sie in den geltenden Regelwerken unzureichend verankert sind. Auch innovative Baustoffe wie Carbon-Beton oder „selbstheilender Beton“ konnten sich bislang nicht durchsetzen. In naher Zukunft könnte der 3-D-Druck großes Potenzial bieten. Im Druckverfahren können beispielsweise gekrümmte Wände mit nahezu gleichem Zeit- und Kostenaufwand wie geradlinige produziert werden. In der aktuellen Situation sind die geltenden Genehmigungsverfahren jedoch viel zu komplex und teuer, um diese Art der Innovation weiter voranzutreiben.

Fazit

Deutschland befindet sich in einer Baukrise. Es braucht dringend neue Wege, um Kosten zu senken und mehr Menschen Zugang zu bezahlbaren Wohnraum zu verschaffen. Mit dem seriellen Bauen, dem Building Information Modeling und der 3-D-Fertigung stehen Wege zur Verfügung, mit denen man die Baukosten signifikant senken könnte. Damit diese Technologien einen echten Durchbruch erleben können, müssen Bauordnungen und Baunormen noch stärker in den Fokus genommen werden – insbesondere darauf, ob sie Bauprozesse unnötig verlangsamen oder behindern. Das bisherige Maßnahmenpaket der Bundesregierung hat bereits wichtige Akzente gesetzt – diesen Weg gilt es fortzusetzen. Es liegt nun insbesondere an den Ländern für Anpassungen ihrer Bauordnungen und Erleichterungen zu sorgen. Klar ist: Zu viele strikte und bürokratische Vorgaben sind in Zeiten der aktuellen Wohnungsnot nicht mehr zeitgemäß. Der Weg für neue Materialien und neue Technologien muss freigemacht werden, damit sich die Krise auf dem Wohnungsmarkt nicht weiter verschärft. Andernfalls droht eine tiefe Spaltung unserer Gesellschaft.

Die Studie wurde erstmals am 22. März 2024 in der FAZ veröffentlicht.