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ECOWAS
Russischer Vormarsch in Afrika?

Interview zum geplanten ECOWAS Austritt von Niger, Mali und Burkina Faso
Vladimir Putin

Vladimir Putin spricht per Video-Link zu einem Russland-Afrika Gipfel im Mai 2023

© picture alliance / Russian Look | Maksim Konstantinov

FNF: Welche Rolle spielt ECOWAS in Afrika und was bedeutet der Austritt der drei Länder für die Wirtschaftsgemeinschaft?

AH: Die ECOWAS ist ein Zusammenschluss von 15 westafrikanischen Staaten in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum, in dem u.a. der freie Dienstleistungs- und Warenverkehr sowie die gegenseitige Visafreiheit gewährleistet sind. Sie wurde als Instrument zur Stärkung der westafrikanischen Integration gegründet und hat als solches eine klare Legitimation. Die Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere in den Coup-Belt-Ländern, haben jedoch zu einer Schwächung bzw. Delegitimierung der ECOWAS geführt. Dieser Austritt, sollte er sich bestätigen, wäre das Ergebnis eines langen Prozesses des Bruchs mit einer Reihe von Staatsstreichen und der Machtübernahme durch Militärjuntas, die heute einen homogenen Block bilden, um den anderen Staaten der Sahelzone, die sich noch der demokratischen Kultur und den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet fühlen, entgegenzutreten.

FNF: Wie reagieren Vertreter der Zivilgesellschaft und der Medien in Senegal und Côte d’Ivoire auf den Austritt von drei Mitgliedern?

AH: Die als stabil geltenden Küstenstaaten Senegal und Elfenbeinküste reagieren mit Stirnrunzeln auf den einseitigen, aber noch nicht vollzogenen Austritt der drei Länder.

FNF: Entsprechen die Behauptungen von Niger, Mali und Burkina Faso in ihrer gemeinsamen Erklärung, dass die Ecowas von ihren Gründungsprinzipien abgerückt ist und von ausländischen Mächten beeinflußt ist, der Wahrheit?

AH: Die ECOWAS ist gewiss kein Unschuldslamm. Sie hat durch Korruptionsvorwürfe und falsch kalkulierten Interventionismus an Rückhalt bei den Mitgliedsregierungen verloren. Die historische Nähe der ECOWAS zu Frankreich, bedingt durch die mehrheitlich frankophonen Mitgliedsstaaten, und die immer noch an Frankreich gekoppelte Währung, der CFA-Franc, führen zu zunehmender Kritik und Abwendung.

Opération Barkhane

Französische Soldaten der Opération Barkhane. Opération Barkhane war eine von Frankreich geführte Militäroperation zur Bekämpfung des transnationalen, islamistischen Terrorismus, die im August 2014 in der afrikanischen Sahelzone begann

© picture alliance/dpa/MAXPPP | Philippe De Poulpiquet

FNF: Welche Auswirkungen wird der Austritt der drei Länder für die Sicherheit in der Region und für Europa haben?

AH: Sofern der Austritt tatsächlich vollzogen wird, stehen die Wirtschaft, der grenzüberschreitende Warenverkehr, aber auch die Energieversorgung in den Ländern auf dem Spiel. Externe Akteure wie Russland werden die Lücken füllen, die in den betroffenen Ländern durch den Rückzug des Westens zwangsläufig entstehen oder bereits entstanden sind. Migrationsströme (sowohl innerhalb als auch nach Europa) und Spannungen an den Grenzen werden zunehmen. Willkür und Populismus greifen um sich, Zivilbevölkerung und demokratische Kräfte ziehen sich zurück.

FNF: Wie sollte sich Europa und Deutschland angesichts dieses Austritts verhalten?

AH: Ich möchte in diesem Fall vom Westen sprechen, d.h. die USA nicht ausschließen. Zunächst gilt es, die Entwicklung hin zum Austritt zu beobachten. Er ist, wie gesagt, noch nicht abgeschlossen. Irgendwann wird sich der Westen entscheiden müssen, inwieweit Kooperation (in Entwicklung, Wirtschaft, Sicherheit etc.) als Korrektiv gesehen wird. Oder als Instrument der Öffnung.

Je nachdem sollte darauf geachtet werden, dass ein Austritt aus der ECOWAS für diese Länder so unattraktiv wie möglich gemacht wird, dass die ECOWAS diesen dringenden Reformprozess in Angriff nimmt und der Westen mit einem längerfristigen Engagement präsent (und sichtbar) bleibt, um die Zivilbevölkerung zu stärken und das Feld nicht vollständig den “anderen” Akteuren zu überlassen.

Ibrahim Traore und Wladimir Putin

Treffen von Vladimir Putin mit dem Interim-Präsidenten von Burkina Faso Ibrahim Traore im Juli 2023 außerhalb von St.Petersburg

© picture alliance/dpa/TASS | Sergei Bobylev