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US-Midterm Elections
Parteien gefangen im Teufelskreis der Radikalisierung

Schlussspurt vor den Halbzeitwahlen in den USA
Wahlurne

Die größte Herausforderung wird für die Parteien sein, die Wähler zur Wahlurne zu bewegen

© GettyImages/adamkaz

Der Wahlkampf in den USA geht auf die Zielgerade. Am 6. November entscheiden die Amerikanerinnen und Amerikaner darüber, wer künftig das Repräsentantenhaus und den Senat kontrollieren und die 36 zu vergebenden Gouverneurssitze innehaben wird. Im Interview mit freiheit.org spricht Meinungsforscher Robert Moran zwei Wochen vor dem Wahltag über aktuelle Entwicklungen im Wahlkampf und mögliche Auswirkungen der Wahlergebnisse.

Zwischen Februar und September haben Demokraten und Republikaner im Rahmen der Vorwahlen ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Halbzeitwahlen bestimmt. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus der Vorwahlrunde? Gab es bedeutende Entwicklungen aufseiten der demokratischen bzw. republikanischen Partei? 

Meine wichtigste Beobachtung ist die Radikalisierung beider Parteien. Beide Parteien sind in einem sich gegenseitig verstärkenden Teufelskreis gefangen, in dem sie verstärkt die Wähler am jeweiligen äußeren Rand ihrer politischen Basis ansprechen. Dies begann schon vor Trump und vor dem Zeitalter der Sozialen Medien. Aber beide Parteien haben es in dieser Vorwahlrunde forciert.

Auf republikanische Seite ist deutlich zu sehen, dass die „Grand Old Party“ populistischer und protektionistischer geworden und zu ihren Wurzeln als Partei des Nationalismus und Protektionismus zurückgekehrt ist. Der Konservatismus der Nachkriegszeit und des Kalten Krieges wurde für eine ältere Version des Republikanismus über Bord geworfen. Schlussendlich haben die Republikaner auf Bundesebene gezeigt, dass sie am fiskalischen Konservatismus und Haushaltsdisziplin – einst das Markenzeichen des amerikanischen Konservatismus – wenig Interesse haben.  

Robert Moran

Meinungsforscher Robert Moran

© Robert Moran / Brunswick Group

Die Demokraten haben zwar Chancen, die Kontrolle über das Repräsentantenhaus zu gewinnen [der Senat stellt eine größere Herausforderung dar, Anm. d. Red.], doch ist es wahrscheinlich, dass sie daraus die falschen Lehren ziehen werden – nämlich, dass Anti-Trumpismus die Erfolgsstrategie für die Präsidentschaftswahl 2020 ist. Aufgrund des US-Wahlsystems bezweifle ich, dass diese Strategie aufgeht. Ich bin nicht der einzige Beobachter, der denkt, dass die Demokraten ihre Botschaften stärker entlang inhaltlicher Positionen ausrichten müssen. 

Die Halbzeitwahlen finden in genau zwei Wochen statt. Welche politischen Entwicklungen könnten die öffentliche Meinung, und damit den Ausgang der Wahl, jetzt noch maßgeblich beeinflussen?

Bei jeder Wahl ist entscheidend, wie die Wählerinnen und Wähler die wirtschaftliche Lage des Landes wahrnehmen. Darüber hinaus gibt es eine große Bandbreite an Themen und Ereignissen, die in den Wochen vor dem Wahltag auftauchen und die Wahl beeinflussen könnten.

Bei den Halbzeitwahlen geht es in der Regel nicht darum, Überzeugungsarbeit bei unentschlossenen Wählern zu leisten, sondern darum, die jeweilige Basis zum Wählen zu motivieren – der Fokus liegt also auf der Wahlbeteiligung. Genau deshalb müssen beide Seiten ihre Basis mit ihren Botschaften erreichen und die Wahlbeteiligung ankurbeln.

Haben die Halbzeitwahlen 2018 das Potenzial, die amerikanische Politik nachhaltig zu beeinflussen? Und falls ja, in welcher Weise? Wie könnten die Konsequenzen für die Präsidentschaftswahl 2020 aussehen?

Die diesjährigen Halbzeitwahlen können Amerika auf verschiedene Weise verändern: Zum einen kann der Wahlausgang die parteipolitische Polarisierung verschärfen. Die Polarisierung, wie wir sie heute beobachten, ist auf lange Sicht sehr gefährlich für unsere Demokratie. Eventuell kann sie zur Entstehung einer dritten Partei führen.

Zweitens könnten diese Wahlen die Mehrheiten der Republikaner in den Landtagen zurückfahren. Darüber wird nicht oft gesprochen, aber während der  Obama-Jahre haben die Republikaner die bundesstaatliche Ebene dominiert. Eine mögliche „Blaue Welle“ („Blue Wave“) könnte die republikanische Dominanz auf Bundesstaatenebene eindämmen. Das offene Rennen um den Gouverneursposten in Florida, der seit 1998 in republikanischer Hand ist, ist ein Beispiel hierfür.

Blue Wave
Die Demokraten hoffen auf die "Blaue Welle" © CC BY-SA 2.0 Flickr.com/ Fabrice Florin

Auf demokratischer Seite ist zu beobachten, dass die Basis sich darauf fokussiert hat, populistische linke Kandidaten für die Halbzeitwahlen zu nominieren. Das haben sie schon bei vergangenen Wahlen gemacht, sind damit aber gescheitert. Heutzutage ist es schwierig, den Führungszirkel der Demokraten im politischen System zu verorten. Ein extrem linksgerichteter demokratischer Kandidat hätte bei der Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump aber wahrscheinlich ernsthafte Schwierigkeiten. 

Sollte die „Blaue Welle“ tatsächlich eintreffen und den Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus sichern, könnte das für den Präsidenten sogar positiv sein: Eine demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus könnte ihm ein großes Infrastrukturpaket bescheren. Die Republikaner sehen eine Erhöhung der Ausgaben kritisch, für die Demokraten hat die Sanierung der Infrastruktur hingegen oberste Priorität.

Die Fragen stellte Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.