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Wahlen
Indonesien wählt Kontinuität

Populismus und Islamisierung erhalten Absagen
Indonesien: Coming-out der Homophoben

Indonesiens Präsident Jokowi verpflichtete sich in seinem Wahlprogramm, die Rechte von „marginalisierten Gruppen“ zu schützen.

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Das offizielle Wahlergebnis wird erst Mitte Mai feststehen. Laut Hochrechnungen, die bei vergangenen Wahlen immer zutrafen, wurde Präsident Joko Widodo mit knapp 55 Prozent im Amt bestätigt. Sein einziger Herausforderer, der Populist Prabowo Subianto, kam auf gut 45 Prozent. Der Abstand ist deutlich.

Bei der gleichzeitigen Parlamentswahl wurde die Partei von Präsident Joko Widodo wieder stärkste Kraft. Seine Regierungskoalition bleibt stabil. Relativ schwach abgeschnitten haben wieder mehrere konservativ-islamische Parteien, die insgesamt nur 20 Prozent der Stimmen bekamen. Die meisten Wähler wollen also weder Islamisierung noch Populismus – das wurde sowohl bei der Präsidentschafts- als auch bei der Parlamentswahl deutlich. Der moderate Joko Widodo, den in Indonesien alle nur Jokowi nennen, kann fünf Jahre lang weiterregieren.

Was macht Indonesiens Wahlen so besonders?

Der G20-Staat Indonesien ist das größte, mehrheitlich muslimische Land der Welt und die drittgrößte Demokratie. 90 Prozent der 193 Millionen Wahlberechtigten sind Moslems. Die Demokratie ist gerade mal 20 Jahre alt, aber stabil. Nach dem Ende der Militärherrschaft im Jahr 1998 waren alle Wahlen frei, fair und friedlich. Das ist schon etwas Besonderes. Wo sonst lassen sich Islam und Demokratie so gut miteinander vereinbaren? Allerdings: Leider spielt Religion mittlerweile auch in Indonesien eine immer größere, politische Rolle. Das war im Wahlkampf spürbar, wo dem moderaten Moslem Jokowi mangelnde Religiosität unterstellt wurde.

Toleranz und Pluralismus sind in der Verfassung verankert, wurden aber in den vergangenen Jahren durch eine fortschreitende Islamisierung gefährdet. Es stellte sich nun bei den Wahlen die Frage: Weiteres Bekenntnis zu Demokratie, Pluralismus und Toleranz oder ein Ruck in eine konservativ-religiöse Richtung. Dieser Ruck blieb allerdings aus.

Warum haben die Wähler Jokowi wiedergewählt?

Manche Wähler waren enttäuscht, weil Jokowi Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit nicht hat aufarbeiten lassen. Das hatte er 2014 versprochen. Zudem arrangierte sich der Präsident mit der alten Polit-Elite aus der Militär-Zeit. Mehrere Generäle wurden Minister. Wichtiger scheint den meisten Wählern aber gewesen zu sein, dass Jokowi ein „Macher“ ist. Er erkannte, dass für die Wirtschaftsentwicklung eine bessere Infrastruktur extrem wichtig ist.

Während seiner ersten Amtszeit hat er viel erreicht, in den vergangenen fünf Jahren wurde mehr und schneller gebaut als je zuvor. Es entstanden neue Autobahnen, bessere Häfen und Flughäfen. In der dauernd von Autos verstopften 12-Millionen-Stadt Jakarta wurde eine U-Bahn eröffnet. Die Wirtschaft wuchs um stabile fünf Prozent pro Jahr. Jokowi packte auch das Thema Korruption an und stärkte der erfolgreich arbeitenden Antikorruptionsbehörde den Rücken.

Jokowis Wiederwahl ist keine Überraschung

Seit Beginn des Wahlkampfs sahen Umfragen den Präsidenten regelmäßig vor seinem Herausforderer Prabowo Subianto. Aber es wäre falsch zu sagen, dass Jokowis Sieg von vorneherein feststand. Gegenkandidat Prabowo ließ sich von Islamisten unterstützen, obwohl er mit ihnen eigentlich nichts am Hut hat. Und er präsentierte sich im Wahlkampf als „starker Mann“, der Korruption ausmerzen, Arbeitsplätze schaffen und die indonesische Wirtschaft schützen wolle. Populistische Versprechen haben in anderen Ländern Südostasiens zu Erfolg geführt – zum Beispiel bei der Wahl Duertes auf den Philippinen. In Indonesien war Prabowo ein ernstzunehmender Gegner.

Wie wichtig war Religion im Wahlkampf?

Wichtiger als je zuvor. Früher waren Pluralismus und Toleranz in Indonesien Selbstverständlichkeiten. Mittlerweile ist Religion – insbesondere der Islam – ein sehr sensibles Thema. Jokowi wurde von seinen Gegnern mangelnde Religiosität vorgeworfen. Den Vorwurf musste er entkräften. Deshalb ernannte er einen konservativen Kleriker als Vizepräsident-Kandidaten an seiner Seite. Zudem begab Jokowi sich ganz kurz vor der Wahl noch schnell auf eine Pilgerreise nach Mekka. Und er traf den König von Saudi Arabien. Wahltaktisch war das geschickt.  Aber es ist bedenklich, dass solche Demonstrationen heutzutage nötig sind. Religion nimmt einen immer stärkeren Einfluss auf die Politik. Das war früher nicht so.

Welche Herausforderungen warten nun auf Jokowi?

Korruption ist trotz aller Anstrengungen nach wie vor ein großes Problem. Die Bildungs- und Gesundheitssysteme sind peinlich. Die Bürokratie des Staatsapparates ist schlimm. Es gibt also noch viel zu tun.

 

Ingo Hauter arbeitet im Jakarta-Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

 

Unser Südostasien-Experte Moritz Kleine-Brockhoff spricht zudem zum Ausgang der Wahl mit dem DLF im Interview.

Parlamentswahl 2014 in Indonesien, der drittgrößten Demokratie der Welt

Parlamentswahl in Indonesien, der drittgrößten Demokratie der Welt.

Seltenes Demokratievorbild

Seit Ende der 90erJahre eine jahrzehntelange Militärherrschaft zu Ende ging, wurde am Mittwoch, 17. April, in Indonesien mittlerweile zum fünften Mal gewählt. Bislang attestierten Wahlbeobachter immer freie, faire und friedliche Wahlen. Alle fanden turnusgemäß statt, Machtwechsel verliefen geordnet.

Damit sowie mit einer freien Presse ist Indonesien ein leuchtendes Demokratievorbild in Südostasien - bei allen Defiziten wie Korruption, Nepotismus und der zu nationalistisch, also protektionistischen Wirtschaftspolitik. Und Indonesien ist einer der wenigen Staaten weltweit, der Islam und Demokratie miteinander vereinbart.