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Bildung
Finanzbildung in den Fokus

Schülerinnnen im Klassenzimmer
© picture alliance/dpa | Silas Stein

Dieser Artikel erschien erstmals am 20. April 2023 auf freiheit.org.

Finanzielle und ökonomische Bildung fristen in Deutschland immer noch ein Nischendasein. Nicht zuletzt für die Chancengerechtigkeit in Deutschland ist dies ein Problem, denn der Weg zu einem eigenverantwortlichen Leben besteht auch aus Entscheidungen zwischen Dispokredit und ETF-Sparplan. Wer hier von seinen Eltern keine Hinweise bekommt, steht hierzulande schnell alleine dar. Zwar gibt es mittlerweile eine Vielzahl von seriösen Akteuren, die hilfreiche Angebote machen und jungen Menschen wertvolle Informationen zukommen lassen, doch um diese auch als solche zu erkennen, ist zuerst einmal ein Basiswissen nötig – denn wer den Zusammenhang von Zinssatz und Risiko nicht kennt, glaubt am Ende doch, dass Markus Lanz verhaftet worden ist, weil er eine geheime Anlagestrategie verraten wollte.

Im Zentrum einer gemeinsamen Initiative des Bundesfinanzministeriums und des Ministeriums für Bildung und Forschung steht dementsprechend nicht nur die Forderung nach einer Finanzbildungsstrategie für Deutschland, sondern vor allem ein Vorschlag für eine Finanzbildungsplattform, die seriöse Akteure vernetzt und eine zuverlässige Anlaufstelle für Wissbegierige bieten soll. Wie groß das Bedürfnis nach finanzieller Bildung gerade bei jungen Menschen ist, zeigt der Erfolg von sogenannten „Finfluencern“ auf den sozialen Medien, aber auch der Durchbruch von „Neobrokern“, die Millionen von Menschen das erste Mal an den Aktienmarkt geführt haben. Dass bei der Auftaktveranstaltung mit Kamiar Bar Bar auch ein führender Finfluencer auf der Bühne standen, zeigt, dass der Vernetzungsgedanke ebenso ernst genommen wird wie der ungestillte Finanzwissensdurst.

Finanzielle Bildung in Deutschland hat schweren Stand

Dass finanzielle Bildung in Deutschland einen schweren Stand hat, lässt sich nicht zuletzt auf eine Reihe von Missverständnissen zurückführen. Zum einen gibt es eine verengte bildungsbürgerliche Perspektive, die vermeintliches Alltagswissen zu dem zählt, was man „nicht wissen sollte“ – so zumindest die Zuspitzung von Dietrich Schwanitz in seinem Klassiker „Bildung: Alles, was man wissen muss.“ Rudimentäres ökonomisches Wissen wird von ihm nur genutzt, um Mephistos „Betätigung der Notenpresse“ in Faust 2 zu beleuchten, dabei wären gerade die Schriften des Geheimen Legiationsrat aus Sachsen-Weimar-Eisenach Grund genug, bildungsbürgerlichen Dünkel in Bezug auf Finanzbildung zu überwinden. Denn die Vorstellung, dass finanzielle Bildung sich nur auf das „lustige Glaubensbekenntnis“ beschränkt, wie es in Wilhelm Meisters Lehrjahren karikiert wird („seine Geschäfte verrichtet, Geld geschafft, sich mit den Seinigen lustig gemacht und um die übrige Welt sich nicht mehr bekümmert, als insofern man sie nutzen kann“), ist eben genau das: eine Karikatur.

Auch die Kritik aus linker Ecke irritiert. Dass die Einführung eines Schulfachs „Wirtschaft“ ausgerechnet jenen sauer aufstößt, die sich einst das Ziel gesetzt hatten, „das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen“, ist eigentlich ein Armutszeugnis. Die Sorge, dass Schülerinnen und Schüler für „Interessenspolitik missbraucht werden“, wenn sie mit den Grundlagen der Wirtschaft vertraut gemacht werden, lässt sich weder aus dem Beutelsbacher Konsens noch aus der Idee der sozialen Marktwirtschaft herleiten. Letztere ist ja das beste Beispiel dafür, dass ökonomisches Wissen weit mehr beinhaltet als Ökonometrie. 

In der Broschüre „Ökonomische und finanzielle Bildung“ macht die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit konkrete Vorschläge, wie die Chancen der Qualifizierung für Kinder und Jugendliche verbessert werden können. Hierzu gehört nicht nur das Plädoyer für das eigenständige Schulfach Wirtschaft – nur dort können Wirtschaftsthemen systematisch betrachtet werden – sondern auch die Forderung, den Unterricht „gerade für jüngere Altersgruppen“ praktisch zu orientieren und „an die Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen“ anzuknüpfen.

Bildungserfolg oft abhängig vom Elternhaus

Wie wichtig es ist, die Finanzbildung in den Fokus zu nehmen, zeigt eine Umfrage unter Befragten im Alter von 14 bis 24 Jahren: Ganze vierundzwanzig Prozent geben an, den Zusammenhang von Anlagerisiko und Gewinnaussicht nicht zu erkennen, die Diversifizierung von Aktien als Strategie zur Reduzierung von Risiken ist sogar nur knapp über der Hälfte der Befragten ein Begriff. Im Klartext bedeutet dies, dass rund die Hälfte aller jungen Menschen nicht einmal über das nötigste Toolkit verfügen, um an der sozialen Marktwirtschaft teilzuhaben – und auch eine kritische Betrachtung wirtschaftlicher Verhältnisse, wie sie von Kritikern der Finanzbildung oft gefordert wird, dürfte ohne eine Ahnung davon, was an der Börse geschieht, überhaupt nicht möglich sein.

Auch das Thema Vorbilder ist wichtig. Oft wird herausgestellt, dass der Bildungserfolg vom jeweiligen Elternhaus abhängt – im Sinne der Chancengerechtigkeit ist es eine zentrale Aufgabe des Schulwesens, hier entgegenzusteuern. Doch es gibt auch eine finanzielle und ökonomische Dimension von Bildungserfolg, die sich nicht nur in der Kenntnis des Wirtschaftssystems, sondern auch in gelungener Berufswahl und reflektierten Investitionsentscheidungen niederschlägt. In Ermangelung von schulischem Input entscheidet gerade in diesen Bereichen oft das Elternhaus über den Möglichkeitshorizont junger Menschen. Das Bildungssystem muss hier gegensteuern, beispielsweise auch, indem Vorbilder angeboten werden, mit denen sich die Jugendlichen identifizieren können. Aktuell kommen weibliche Vorbilder in Wirtschaftsschulbüchern kaum vor, wie eine Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit aufzeigt.