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Wirtschaft
Energiepartnerschaft auf Augenhöhe

Energieversorgung
© picture alliance/dpa | Sina Schuldt

Die Situation in Deutschland

Unersättlich – anders ist der Hunger nach Energie nicht zu beschreiben. Allein in Deutschland lag der Primärenergieverbrauch im vergangenen Jahr bei über 12.000 Petajule. Um eine Vorstellung für die Größenordnung zu bekommen: Ein Joule ist die Energie, die benötigt wird, um für die Dauer einer Sekunde die Leistung von einem Watt aufzubringen. Diese Energie musste im vergangenen Jahr 12.000 Billiarden Mal aufgewendet werden. Eine kaum vorstellbare Größenordnung - allerdings beinhaltet dieser Wert auch alle Einsatzgebiete: von Heizen und Stromgewinnung über Verkehr bis hin zum industriellen Verbrauch. Dabei ist der deutsche Primärenergiebedarf in den vergangenen dreißig Jahren deutlich gesunken. Das ist äußerst beachtlich, insbesondere, wenn man die positive Entwicklung der deutschen Wirtschaftsleistung im selben Zeitraum betrachtet. Die Fortschritte können durch deutliche Effizienzsteigerungen erklärt werden. Es hat sich also schon viel getan und dennoch: Eine zuverlässige Energieversorgung ist unersetzlich – sowohl für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum als auch für das moderne Leben generell.

Aktuell ist die Energieversorgung in Deutschland jedoch nicht mehr garantiert. Der Grund: Russland instrumentalisiert im Rahmen seines Systemkonfliktes mit dem Westen Deutschlands Abhängigkeit von russischen Energieträgern, um eine Kulisse der Angst aufzubauen. Bei fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl und Erdgas war Russland der wichtigste Lieferant für Deutschland – insgesamt machen diese Energieträger nach wie vor etwa drei Viertel des deutschen Energieverbrauchs aus. Durch einen unvorhergesehenen und unvorbereiteten Exportstopp könnte Russland Deutschland empfindlich treffen – das gilt besonders für Erdgas. Daher müssen sich Deutschland und die Europäische Union um neue Energiepartnerschaften bemühen. Das ist zwar nicht ohne Weiteres kurzfristig umzusetzen, kann die Union mittelfristig aber weniger angreifbar machen.

Der Blick in die Welt

Der prinzipielle Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und wirtschaftlicher Entwicklung gilt aber selbstverständlich sowohl für die heute schon entwickelten Länder als auch für weniger entwickelte Regionen. Dabei befinden sich besonders Letztere wirtschaftlich auf einem zuvor ungekannten Aufwärtstrend. Moderne Technologien, die Digitalisierung und Globalisierung schaffen endlich eine tatsächliche Wachstumsperspektive. Auch werden weitere Teile der Bevölkerung am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt. Das heißt in der Praxis: Auch wer in der Vergangenheit am Existenzminimum lebte, hat zunehmend eine Chance, aus der Armutsfalle zu entkommen.

Anzahl der unterernährten Menschen weltweit von 1990 bis 2020

Anzahl der unterernährten Menschen weltweit von 1990 bis 2020

© https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38187/umfrage/anzahl-der-hungernden-weltweit/

Das sind Entwicklungen, die Grund zur Hoffnung geben – besonders da die Bevölkerungen der betroffenen Regionen zwar rasch wachsen, die Wirtschaftskraft aber noch stärker ansteigt. Das heißt, dass perspektivisch die Armut sinken wird. Damit kommen wir der Erfüllung der UN-Entwicklungsziele deutlich näher. Und dennoch muss auch klar sein, dass durch ein Wachstum der Wirtschaftsleistung dieser Regionen die globale Nachfrage nach Energie zwangsweise weiterwachsen wird. In einem von fossilen Kraftstoffen abhängigen Energiesystem wird so auch das Klima zusätzlich belastet. Ein Königsweg vereinbart also wirtschaftliche Entwicklung, politische Unabhängigkeit und Klimaschutz. Das gilt gleichermaßen für Industrienationen wie für Länder, die sich gerade erst in einem Aufwärtstrend befinden.

Entwicklungstreiber: Erneuerbare Energien

Ein Teil der Lösung muss also lauten: erneuerbare Energien. Insbesondere die Länder des globalen Südens bieten hierfür hervorragende Voraussetzungen. Ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt erforscht die Potenziale für erneuerbare Energiegewinnung und Wasserstoffproduktion im Subsahara-Raum. Die Chancen sind enorm. Mit Leichtigkeit könnten beispielsweise die westafrikanischen Länder ihren heimischen Energiebedarf allein aus Wind- und Sonnenenergie decken. Die sichere und kostengünstige Verfügbarkeit dieser Energie könnte dann auch der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der Region helfen. Aber damit nicht genug. Die afrikanischen Nationen könnten durch einen umfassenden Ausbau der Erneuerbaren auch grünen Wasserstoff aus regenerativen Quellen ins Ausland exportieren. Die Erlöse könnten das Wirtschaftswachstum in den entsprechenden Regionen weiter befeuern. Gleichzeitig würde der Wasserstoff auch andernorts ein weitestgehend klimaneutrales Wirtschaften ermöglichen.

Herausforderungen

Allerdings ist die Umsetzung nicht ganz so einfach. Beispielsweise bremsen ökologische und soziale Aspekte die Euphorie. So stellt die Süßwasserknappheit in vielen Regionen Afrikas ein Hindernis für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur dar. Die Krux: Zur Produktion von einem Kilo Wasserstoff werden über neun Liter Wasser benötigt. Das heißt, es könnte zu einer Verschärfung der Nutzungskonflikte kommen. Denn zu dem Wasserbedarf des Ökosystems und dem ohnehin wachsenden menschlichen Konsum würde noch der Bedarf für die Wasserstoffproduktion kommen. Eine nachhaltige Nutzung der vorhandenen Wasserressourcen sowie eine intelligente und umweltresiliente Meerwasserentsalzungsstrategie könnte dieses Problem allerdings beheben.

Was bleibt, sind institutionelle Hindernisse. Denn für die Erschließung der erneuerbaren Energiepotenziale sind enorme Anfangsfinanzierungen nötig. Dafür bedarf es in den betroffenen Regionen meist Investitionen aus dem Ausland. Allerdings schrecken viele westliche Investoren aufgrund der politischen Instabilität in vielen afrikanischen Staaten vor derartigen Beteiligungen zurück. Negative Erfahrungen mit wankenden Projekten wie mit dem Hybridkraftwerk in Marokko wiegen schwer. Und ist das Vertrauen einmal verloren, braucht es lange, um sich zu regenerieren.

Partnerschaft statt Ausbeutung

Dieses Problem kann nur durch eine vertrauensbasierte Partnerschaft auf Augenhöhe behoben werden. Dazu gehört, dass sich alle Parteien zur Umsetzung gewisser Standards verpflichten. Diese Vorgaben müssen sowohl ökologische und soziale Mindestkriterien festsetzen, als auch politische Transparenz und wirtschaftliche Redlichkeit zusichern – das gilt für alle Beteiligten.

Dieser Tage merken wir mit Blick auf die Energieversorgung deutlich, dass die politische Abhängigkeit von einzelnen unzuverlässigen und kriminellen Nationen unsere politische Durchsetzungskraft schwächt. Daher ist eine Energie- und Wasserstoffpartnerschaft zwischen der EU und mehreren stabilen afrikanischen Nationen im Interesse aller. Eine solche Partnerschaft würde den Beginn einer neuen Phase in der Beziehung zwischen den beiden Kontinenten markieren. Eine Phase, die von wechselseitigem Respekt und gemeinsamen Entwicklungsperspektiven statt von ausbeuterischem Kolonialismus geprägt ist. Eine schöne Perspektive! Nicht zuletzt werden in Europa die ambitionierten Klimaziele und der Green Deal ohne erneuerbare Energie aus Afrika schwer zu erreichen sein – denn auch unser Hunger nach Energie bleibt unersättlich.

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