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Bundesverfassungsgericht
Eine Institution mit liberalen Wurzeln

Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe © picture alliance/dpa | Uli Deck

Das Bundesverfassungsgericht feiert heute sein 70-jähriges Jubiläum. Als oberstes Verfassungsorgan der Bundesrepublik verwirklicht es einige tief verankerte liberale Grundsätze. Die rechtliche Kontrolle von Regierung und Verwaltung und die Entscheidung von Streit zwischen Verfassungsorganen lassen sich in der deutschen Geschichte bis 1495 zurück verfolgen.

Nicht allen ist bewusst, dass das in diesen Tagen auf eine siebzigjährige Geschichte zurückblickende Bundesverfassungsgericht einige tief verankerte liberale Grundsätze verwirklicht. Geht es doch bei den Aufgaben dieses obersten Gerichtshofs um die rechtliche Prüfung exekutiven Handelns und um eine unabhängige Gerichtsbarkeit im Rahmen der staatlichen Gewaltentrennung. Die rechtliche Kontrolle von Regierung und Verwaltung und die Entscheidung von Streit zwischen Verfassungsorganen greift in der deutschen Geschichte zurück auf das 1495 eingesetzte Reichskammergericht und die im 18. Jahrhundert eingerichteten Appellationsgerichte in einzelnen deutschen Staaten. Letztere wiederum verbinden sich zeitlich und inhaltlich mit der im Aufklärungszeitalter entstehenden politischen Bewegung des Liberalismus im westlichen Europa. Dabei war die Idee der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Jurisdiktion ein zentrales Element, das der französische Philosoph Charles de Montesquieu idealtypisch entwickelte.

Eingebettet in diese liberale Tradition hat der Gedanke einer unabhängigen höchsten staatlichen Gerichtsbarkeit nicht nur im 19., sondern auch im 20. Jahrhundert den Liberalismus mit bestimmt und wurde eine seiner wichtigsten politischen Forderungen. So spielten die Liberalen bei der Gründung des Leipziger Reichsgerichts 1879 und seiner Rolle als Staatsgerichtshof seit 1921 eine bedeutende Rolle, und dies sollte sich bei der Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts in der noch jungen Bundesrepublik Ende September 1951 nochmals wiederholen. Nicht zufällig entschied man sich bei der Berufung des ersten Präsidenten dieser neuen Bundesinstitution für einen Liberalen, nämlich für Hermann Höpker-Aschoff.

In den zurückliegenden siebzig Jahren seines Bestehens hat das Bundesverfassungsgericht viele wegweisende und wirkungsmächtige Entscheidungen getroffen. Der Ortsname Karlsruhe ist geradezu synonym geworden für ein Grad an Rechtsstaatlichkeit, das wir in der deutschen Geschichte niemals zuvor erreicht haben. Die Verfassungsrichter, getrennt in zwei Senaten, haben mit ihren Urteilen, die eindrucksvoll in etlichen Bänden einer Entscheidungssammlung dokumentiert sind, sich als Garanten der Freiheitsrechte und der freiheitlichen staatlichen Ordnung erwiesen.

Dabei waren in den vergangenen sieben Jahrzehnten weder alle Urteile noch die Urteilsbegründungen aus Karlsruhe unumstritten. Man denke an die viel diskutierten Entscheidungen über die Neuwahlen 1983, zur Volkszählung, zur Bundestagsauflösung 2005 oder zuletzt zum Umweltschutz. Auch die Frage des Verhältnisses zum Europäischen Gerichtshof wurde jüngst vielfach kritisch betrachtet. Schließlich hat man von einer zunehmenden „Justizialisierung der Politik“ durch die Karlsruher Richter gesprochen, weil zahlreiche Urteile politische Entscheidungen unzulässig und im Übermaß präjudizierten. Auf der anderen Seite hat das Gericht, nicht zuletzt bei diversen erfolgreichen Verfassungsklagen von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gerhart Baum und Burkhard Hirsch immer wieder die Bürger gegenüber allzu stark in Grundrechte eingreifendem staatlichem Handeln geschützt.

In seiner Kraft zur obersten Rechtskontrolle und zum Schutz des Grundgesetzes, insbesondere seiner Grund- und Menschenrechte, hat das Bundesverfassungsgericht als wichtige demokratische Institution in den siebzig Jahren seines Bestehens einen erheblichen und gar nicht zu überschätzenden Beitrag für die bundesdeutsche Demokratie geleistet. Die Stabilität unseres liberalen Rechtsstaats und die Garantie der Freiheitsrechte haben wir insbesondere dem Wirken des Bundesverfassungsgerichts als Hüter der Verfassung zu verdanken.