EN

Invasion der Ukraine
Die russischen Inlandsmedien und das Feindbild des Westens

Der russische Fernsehsender RT

picture alliance / Evgeny Biyatov/Sputnik/dpa | Evgeny Biyatov

Deutschland steht im Fokus der Desinformationskampagnen aus Russland. „Kein anderer EU-Mitgliedsstaat wird heftiger angegriffen als Deutschland“, konstatierte die East Stratcom Taskforce des Europäischen Auswärtigen Dienstes im März 2021: Deutschland war mehr als 700-mal Ziel von Angriffen russischer Medien. Im Vergleich: Zu Frankreich wurden 300, Italien 170 und Spanien 40 Fälle seit Ende 2015 dokumentiert. Lutz Güllner, Leiter der Taskforce, sagte dem Deutschlandfunk: „Was wir sehen aus Russland oder von Pro-Kreml-Akteuren, um nicht ein ganzes Land in Haftung zu nehmen, ist tatsächlich eine sehr gut koordinierte und finanzierte Kampagne. Die läuft einerseits über Staatsmedien, wie etwa RT Deutschland oder Sputnik News, oder über ganz eng mit ihnen zusammenarbeitende Websites und andere sogenannte Newsportale.“  Damit werde das Ziel verfolgt, die Gesellschaft weiter zu polarisieren und das Vertrauen in die Demokratie und in die Regierung zu unterminieren. Als Alternative würde dann eine autoritärere Regierungsform wie in Russland aufgezeigt. 

Ein polarisierendes Ereignis, auf das die russischen Staatsmedien immer wieder Einfluss nehmen, sind Wahlen – wie es beispielsweise bei den Präsidentschaftswahlen in den USA 2016 und 2021 nachgewiesen wurde. In Deutschland waren die Bundestagswahl und Regierungsbildung die bedeutendsten politischen Themen 2021.

Die Äußerungen der verantwortlichen Journalisten machen deutlich, wie die russischen Staatsmedien ihre Aufgabe verstehen: Der Auslandssender RT sieht sich selbst als eine „Informationswaffe“, wie Chefredakteurin Margarita Simonjan im Interview mit dem Nachrichtenportal Lenta.ru sagte. Ihre Strategie sei es, im Ausland eine alternative Gegenöffentlichkeit zum Mainstream zu schaffen und damit Nutzer zu gewinnen, dies seien Linke und andere „Kämpfer gegen das System“. Diese könne Russland dann als Ressource „im nächsten Informationskrieg“ nutzen. 

Im Fokus des Informationskrieges stehen neben den EU-Staaten und den USA postsowjetische Staaten wie die Ukraine, Georgien und Moldova, die eine prowestliche Außenpolitik verfolgen. Die russischen Staatsmedien verbreiten seit dem Krieg in der Ukraine und der Annexion der Krim 2014 das Feindbild des Westens. „Der kollektive Westen“ wird als Bedrohung und Hindernis für Russland dargestellt, das seine historisch begründeten Gebietsansprüche durchsetzen will. 

Russland solle wieder so einflussreich werden wie die Sowjetunion und das Russische Imperium unter Alexander III. „Das wollen wir sehr und verspüren große Nostalgie danach“, so Simonjan. Zur Regierungszeit von Zar Alexander III. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts reichte das Russische Reich vom heutigen Finnland und Polen im Westen bis Zentralasien im Süden und Alaska im Norden.

Seit Mitte der 1990er Jahre betrachtet die Russische Föderation den postsowjetischen Raum als Sphäre exklusiver Interessen Russlands und versucht ihn in die Eurasische Wirtschaftsunion und andere von Moskau dominierte Formate zu integrieren. Den postsowjetischen Staaten wird in ihrer außenpolitischen Orientierung keine volle Souveränität zugestanden. Russlands Präsident Wladimir Putin bekräftigte zum 30. Jahrestag der Auflösung der Sowjetunion am 8. Dezember 2021, dass dies für ihn eine Tragödie und der „Zerfall des historischen Russlands“ sei. Der Staat habe 40 Prozent seines Territoriums, der Produktionskapazitäten und Bevölkerung verloren und das, „was in tausend Jahren erarbeitet wurde“. Die kaukasischen, zentralasiatischen und baltischen Staaten waren jedoch Kolonien Russlands. Dies betrifft auch die Krim, die vor der Annexion 1783 durch das Russische Reich als Khanat der Krimtataren unter Osmanischer Oberherrschaft stand: „In Wirklichkeit gehört diese Region so selbstverständlich zu Russland, wie Algerien zu Frankreich gehört hatte – nämlich kolonialgeschichtlich“, schrieb der Historiker Uwe Halbach.

Neben diesem außenpolitischen Konflikt ist auch der Gegensatz zwischen dem System der westlichen liberalen Demokratie und der autoritären Regierungsform in Russland ein ständiges Thema in den russischen Staatsmedien. Die Berichterstattung schafft Feindbilder, indem sie das Eintreten für Werte wie Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte ad absurdum führt und unterstellt, dass der Westen unter dem Deckmantel der Werte nur seine Interessen verfolgt. Russland hingegen wird als Bewahrer traditioneller Werte und des christlich-orthodoxen Glaubens präsentiert.

Die russischen Staatsmedien – insbesondere in Russland – schaffen ein Feindbild „Westen“, mit dem sie die Menschen nicht nur in Russland, sondern auch in den westlichen Staaten verunsichern oder zum Widerstand mobilisieren. Das Schüren von Ängsten vor einem Krieg und die überzogene Darstellung vom dekadenten, gottlosen Westen sind dabei zwei zentrale Narrative.

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Publikation „Russische Medien in Deutschland".