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Bildung
"Die Leitung einer Schule bringt große Führungsverantwortung mit sich"

Schule
© picture alliance/dpa | Ronny Hartmann

Tausende Schülerinnen und Schüler, ein großes Kollegium und täglich neue Herausforderungen: Dass die Leitung einer Schule eine große Führungsverantwortung mit sich bringt, bedarf eigentlich keiner Erklärung. An einem Tag sitzen geflüchtete Eltern mit ihren Kindern im Sekretariat und müssen in einer Klasse untergebracht werden, am nächsten Tag geht es um Medienentwicklungspläne und Bedarfsmeldungen und am Ende der Woche wartet womöglich noch ein randalierender Teenager im Selbsterfahrungsmodus. Die Entscheidungen, die dabei getroffen werden, stehen in ihrer Bedeutung denjenigen eines mittleren Unternehmens in nichts nach. Während die Führungskräfteentwicklung in der freien Wirtschaft allerdings eine Selbstverständlichkeit ist, wird sie in den Schulen oft stiefmütterlich behandelt. Ein neues Thesenpapier des Thinktanks „Schule leiten“, der im Rahmen der Deutschen Schulakademie gegründet worden ist, formuliert nicht nur Forderungen, sondern macht auch konkrete Vorschläge, was sich ändern muss. Unterstützt von fünfzig weiteren Fachleuten identifizieren die sieben Autorinnen und Autoren eine Reihe von Maßnahmen, die die Aufmerksamkeit der Bildungspolitik verdienen.

Jochen Schnack, Redaktionsleiter der Zeitschrift „Pädagogik“ und mit Autor des Papiers, betont zurecht, dass Schulleitungen zwar Schlüsselpositionen bei der Schul- und Unterrichtsentwicklung innehielten, aber nicht in der Rolle seien, „diese Position angemessen ausfüllen“ zu können. Die erste Forderung der Autorengruppe bezieht sich dementsprechend auf ländergreifende Qualitätsstandards, die das Konzept der „pädagogischen Führung“ in den Vordergrund stellen würden. Auch die Planbarkeit der Karriere sowie die Auswahl und Ausbildung von Schuleiterinnen und Schulleitern ist im Blick des Thinktanks. Eine besondere Herausforderung liegt hier in der Tatsache, dass die Aufgaben einer Schulleitung sui generis sind. Obwohl sich Schulleiterinnen und Schulleiter aus dem Pool der Lehrkräfte rekrutieren, werden Leitungsaufgaben im Studium beispielsweise kaum thematisiert. Die Ausbildung von Schulleitungen, so das Autorenteam, solle daher „grundsätzlich berufsbegleitend angelegt und […] zertifiziert“ werden. Die „berufsbegleitende Professionalisierung“ solle mit der Berufung nicht aufhören, sondern im Gegenteil durch regelmäßige Angebote auf der Grundlage einer „systematisch berufsbegleitenden Professionalisierungsstrategie“ weiterverfolgt werden. Zu guter Letzt sehen die Autorinnen und Autoren auch bei den strukturellen Rahmenbedingungen und einer neuen „Steuerungsbalance von Schulaufsicht und Schulleitung“ Chancen für Verbesserungen.

Ohne Zweifel sind Schulen einzigartige Sozialräume, die sich mit Behörden oder Unternehmen kaum vergleichen lassen. Dies bedeutet allerdings keinesfalls, dass die grundlegenden Einsichten der Organisationssoziologie ignoriert werden könnten. Im Gegenteil: Gerade Schulen stehen und fallen mit der Führungsstärke ihrer Leitungen. Umso dramatischer ist es, dass zurzeit an fast jeder vierten Schule unbesetzte Stellen in der Schulleitung zu verzeichnen sind. Die vorhandenen Schulleiterinnen und Schulleiter müssen schwierigste pädagogische, administrative und auch politische Herausforderungen bewältigen, ohne hierfür die notwendige Unterstützung zu erhalten. Das Thesenpapier, welches auf dem Deutschen Schulportal veröffentlicht worden ist, wird der dringend notwendigen Diskussion hoffentlich neuen Auftrieb geben.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat das Problem übrigens schon vor einige Jahren klar benannt und im Trendguide „Schulen der Zukunft“ thematisiert. Dort heißt es:

In den nächsten Jahren kommt es vor allem auf die Schulleitungen als Akteur an – als Manager der Krise wie Gestaltern der „neuen Normalität“. In Anbetracht der Altersverteilung von Schulleiterinnen und Schulleitern und der anstehenden Pensionierungswelle braucht es eine Offensive bei den Schulleitungen. Schulleitungen sind Führungskräfte ohne Ausbildung. Ein Qualifizierungsprogramm für Schulleitungen muss das Wissen darüber umfassen, wie Schulleitungen qualitätsvoll führen, was Schulleitungen wirksam macht und wohin sich eine gelingende und zukunftsorientierte Schule entwickeln soll. Ein Zusammenschluss der Schulleitungen in einem Netzwerk würde Schulleitung als Profession stärken.

Es ist erfreulich, dass die Debatte nun neuen Schwung erhalten hat. Wichtig ist nun, dass nicht nur Vorschläge debattiert werden, sondern auch die notwendigen Veränderungsprozesse angestoßen werden.