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Extremismus
In der Polizei ist kein Platz für Rechtsextreme

Rechtsextremismus in der Polizei
© picture alliance / M.i.S. | Renate Feil

Gegen mindestens 400 Polizistinnen und Polizisten der Länder werden Disziplinar- oder Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts rechtsextremistischer Einstellung oder Unterstützung einer Verschwörungsideologie geführt. Diese Zahl ist erschreckend, doch wird sich der gesellschaftliche Aufschrei in Grenzen halten. Dass es in den deutschen Sicherheitsbehörden Probleme mit rechtsextremistischem Gedankengut gibt, ist schließlich keine Neuigkeit. Vor drei Jahren gab es nach Medienberichten bereits eine ähnlich hohe Zahl rechtsextremistischer Personen bei der Polizei. Trotzdem ist das Thema Extremismus in Behörden meist erst dann präsent, wenn kleinere und größere Skandale Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.

Regelmäßig ist auch von politischer Seite zu hören, dass die Gefahr durch einige hundert Rechtsextremisten unter 300.000 rechtschaffenen Polizistinnen und Polizisten hochstilisiert wird – doch das hat sich oft als Fehleinschätzung erwiesen. Todesfälle in Polizeigewahrsam, rechtsradikale Chatgruppen, die Drohungen des NSU 2.0 und die Vernetzung von Beamten mit verfassungsfeindlichen Gruppierungen haben bewiesen, dass Extremismus in den deutschen Sicherheitsbehörden dramatische Folgen haben kann. Wenn bewaffnete Beamte unsere Verfassung ablehnen oder bekämpfen, statt diese zu schützen, ist das eine Gefahr für die Demokratie. Es verbietet sich ein Pauschalurteil, da die überwältigende Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten hinter der demokratischen Grundordnung steht. Doch angesichts der potenziellen Konsequenzen ist jeder Fall von Extremismus ernst zu nehmen.

Gefahr durch Rechtsextremismus steigt an

Die Gefahr des Rechtsextremismus wird angesichts der drohenden Wahlerfolge der AfD in zahlreichen Bundesländern weiter zunehmen. Seit Jahren werben Abgeordnete der Partei um Mitgliedschaften und Stimmen von Polizeibeamten. Reichsbürger wie die „Prinz-Reuß-Gruppe“ mit dem Ex-Polizisten Michael F. bemühen sich intensiv darum, Polizeikräfte für ihre Umsturzfantasien zu gewinnen. In den Plänen von Rechtsradikalen nimmt die Unterwanderung der Sicherheitsbehörden eine zentrale Rolle ein. Als staatliches Gewaltmonopol mit großen exekutiven Befugnissen verfügen diese über eine oft unterschätzte Machtfülle. Die Resilienz der Polizeibehörden gegen rechtsextremistische Einflussnahme muss daher deutlich gestärkt werden. Der Polizeibeauftragte des Bundes fordert vor diesem Hintergrund, dass Polizeikräfte im Umgang mit Rechtsextremismus sensibilisiert werden müssen. Das ist ein notwendiger Schritt. Wenn Demokratiefeinde die Behörden durch rechtsextremistische Botschaften zu destabilisieren versuchen, müssen Beamtinnen und Beamte in der Lage sein, dies zu erkennen. Durch verpflichtende Schulungen, die über rechtsextremistische Einflussnahme aufklären und zur Reflexion einladen, kann solche Resilienz aufgebaut werden.

Ebenso wichtig ist es, systematisch gegen die bereits innerhalb der Behörden bestehenden extremistischen Einflüsse vorzugehen. In der Polizei gibt es aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in kritischen Umfeldern eine besonders starke Ausprägung von Kollegialität. Diese ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, kann aber  auch verhindern, dass Missstände aufgeklärt werden. Es braucht deshalb eine unabhängige Revision von extremistischen Strukturen in den Sicherheitsbehörden. Nur wenn ein möglichst umfassendes Bild über radikale Umtriebe und ihre Hintergründe in den Behörden vorliegt, können diese bekämpft werden. Die Polizeistudie MEGAVO war ein erster Ansatz, bot aber aufgrund methodischer Mängel nur ein unvollständiges Bild.

Forderung nach Extremismusbeauftragten

Um Rechtsextremisten in den eigenen Reihen zu identifizieren, haben die Landesämter die Möglichkeit, bei konkreten Anlässen Anfragen bei den Verfassungsschutzämtern zu extremistischen Aktivitäten von Polizistinnen und Polizisten zu stellen. Durch solche Überprüfungen könnten rechtsextreme Aktivitäten aufgedeckt und entsprechende Maßnahmen gegen die Beamten eingeleitet werden. Nur wenige Bundesländer nutzen diese Möglichkeit. Es braucht daher bei den jeweiligen Landesämtern Strukturen, die in festen Abständen Überprüfungen hinsichtlich der Verfassungstreue gewährleisten.

Damit Polizistinnen und Polizisten selbst die Möglichkeit haben, rechtsextreme Umtriebe in ihren Behörden zu melden, ohne teaminterne Konsequenzen fürchten zu müssen, ist die Einrichtung von Extremismusbeauftragten sinnvoll. Diese Vertrauenspersonen bieten niedrigschwellige Möglichkeiten, um politisch motiviertes Fehlverhalten zu adressieren. Einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen haben diese Stellen eingerichtet, jedoch nicht alle.

Rassismus und Antisemitismus: Verpflichtendes Sensibilisierungskonzept überfällig

Auch der Bereich der Ausbildung und Sensibilisierung muss ernster genommen werden. Ausbildungsinhalte beispielsweise zu Antisemitismus sind noch zu selten Pflichtstoff. Die Landesämter braucht ein systematisches Ausbildungskonzept zu Rassismus und Antisemitismus, das für alle Polizeianwärterinnen und Anwärter verpflichtend ist.

Eine umfassende Ausbildung kann dabei aber nur ein Teil der Lösung sein. Letztlich lassen sich viele Aspekte unserer Einwanderungsgesellschaft nicht allein theoretisch erlernen. Die Sicherheitsbeamten müssen Teil der Gesellschaft sein, die sie schützen sollen und diese abbilden. Vor diesem Hintergrund ist es ebenso wichtig, dass sich ihr Nachwuchs aus allen gesellschaftlichen Bereichen rekrutiert. Insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund sollten daher verstärkt angeworben werden.

Beim Kampf gegen Rechtsextremismus in Behörden geht es um viel

Schließlich muss die Forschung im Bereich Rassismus und Extremismus in Sicherheitsbehörden methodisch ausgeweitet werden. Experten weisen regelmäßig darauf hin, dass der gesamte Bereich wissenschaftlich viel zu wenig erforscht ist. Dazu gehört auch, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was eine mögliche Regierungsbeteiligung der AfD auf Landesebene für den Umgang mit Extremismus in Sicherheitsbehörden bedeutet. Der AfD böten sich neue Möglichkeiten der Vernetzung und Einflussnahme, sie könnte die demokratische Kontrolle entschärfen, die Positionen politischer Beamter mit Gefolgsleuten besetzen und Maßnahmen gegen Extremismus und Rassismus beenden. Das Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs hat erste Analysen durchgeführt. Jetzt brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Diskurs zu diesem Thema.

Der Kampf gegen Rechtsextremismus in den Polizeibehörden mag nicht populär erscheinen, doch es geht um viel: um den Schutz unserer Demokratie, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und ihr Vertrauen in die Sicherheitsbehörden sowie die Kontrolle eines mächtigen Exekutivorgans. Diesem Thema muss daher höchste politische Priorität eingeräumt werden – auch in Zeiten, in denen das Thema medial nur wenig präsent ist.

Dieser Artikel erschien erstmals am 5. April 2024 in veränderter Form in der Frankfurter Rundschau und ist hier zu finden.