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Märzrevolution
18. März 1848

Ein liberal-demokratischer Erinnerungsort
 Straßenkämpfe in Berlin am 18./19. März 1848: "Erinnerung an den Befreiungskampf in der verhängnisvollen Nacht vom 18. /19. März 1848"

 Straßenkämpfe in Berlin am 18./19. März 1848: "Erinnerung an den Befreiungskampf in der verhängnisvollen Nacht vom 18. /19. März 1848"

© picture-alliance / akg-images | akg-images

Dieser Artikel erschien erstmals am 17. März 2023 auf freiheit.org.

Die Revolution kam mit Ansage. Im März 1848 kulminierten politische Krisen und soziale Probleme, die sich bereits seit 1815 („Vormärz“) in verschiedenen Teilen Europas gezeigt hatten. Längerfristige Ursachen und kurzfristige Anlässe wirkten zusammen: Dazu zählten die Einigungsbewegungen in Deutschland und Italien, der Kampf gegen restaurative Kräfte in Frankreich und Deutschland, die Emanzipationsbestrebungen in der Schweiz, die sozialen Probleme der Frühindustrialisierung sowie Agrarkrisen, Hungersnöte, Teuerung und Massenelend („Pauperismus“). Hunger und Armut hatte es zwar auch in früheren Jahrzehnten gegeben, aber jetzt schien eine fundamentale Krise nahezu unabwendbar zu sein. Die Probleme des Übergangs von einer ständisch strukturierten Agrargesellschaft zu einer modernen Industriegesellschaft verursachten eine politische, wirtschaftliche und soziale Gemengelage von ungeheurer Sprengkraft.

Die liberale und demokratische Bewegung hatte bereits im Vorfeld, nämlich im Herbst 1847, auf die vielfältigen Herausforderungen reagiert. In Heppenheim an der südhessischen Bergstraße versammelten sich die gemäßigten Liberalen und im nordbadischen Offenburg die demokratischen „Verfassungsfreunde“, um mit politischen Forderungen die Regierungen der deutschen Einzelstaaten unter Druck zu setzen. Aber das Scheitern des zeitlich parallel tagenden Vereinigten Landtags in Preußen zeigte noch einmal, dass die Führungsschichten der beiden konservativen Großmächte Österreich und Preußen wenig nachgiebig waren, indem sie die Verfassungswünsche ablehnten. So kamen weitere politische und soziale Spannungen Anfang 1848 keineswegs überraschend.

Februarrevolution löste in den Staaten des Deutschen Bundes ein spürbares Echo aus

Bereits im Februar 1848 war die französische Metropole Paris von Unruhen erschüttert worden. Zwischen dem 22. und dem 24. Februar kam es zu Barrikadenkämpfen, in deren Folge Studenten, Arbeiter und schließlich sogar die Nationalgarde die Abdankung des „Bürgerkönigs“ Louis Philippe und die Bildung einer neuen provisorischen Regierung erzwangen. Diese Februarrevolution löste – ähnlich wie im Spätsommer und Herbst 1830 die französische Julirevolution – auch in den Staaten des Deutschen Bundes ein spürbares Echo aus. In Baden veröffentlichte der radikale Mannheimer Demokrat Gustav von Struve ein Manifest an die badische Zweite Kammer in Karlsruhe, in dem er die Forderungen des Volkes nach Pressefreiheit, Parlamentarisierung, Volksbewaffnung und Schwurgerichten festhielt. In München führten erste kleinere Unruhen zur Flucht der Tänzerin Lola Montez, deren Affäre mit König Ludwig I. dem Ansehen der bayerischen Monarchie schweren Schaden zugefügt hatte. Am 11. März wurde ein liberal ausgerichtetes sogenanntes Märzministerium berufen, mit dem man die Bevölkerung beruhigen wollte. Schließlich brodelte es auch in der Habsburgermonarchie: Am 13. März organisierten Studenten und Bürgerwehr einen gewaltsamen Aufstand in Wien, in dessen Folge der österreichische Staatskanzler Clemens Fürst von Metternich als Symbolgestalt der vorhergehenden Restaurationsjahrzehnte nach England floh. Noch am 15. März wurde der Erlass einer lange herbeigesehnten konstitutionellen Verfassung versprochen.

Auch in Preußen und besonders in Berlin war es inzwischen unruhig geworden. Die Nachrichten aus Paris hatten bereits Ende Februar 1848 zu lebhaften Diskussionen in Kneipen, Cafés, Lesegesellschaften und Bürgervereinen geführt. Die sogenannte Märzbewegung erreichte zunächst das Rheinland, danach andere preußische Provinzen. Ab 6. März kam es zu täglichen Versammlungen im Berliner Tiergarten, bei denen bis zu 4.000 Teilnehmer gezählt wurden. Am 7. März wurde eine Petition an König Friedrich Wilhelm IV. beschlossen, die eine Woche später eingereicht wurde. In einem Flugblatt wurden Maßnahmen gegen Hunger, Not, Arbeitslosigkeit und Ausbeutung gefordert. Die Regierung reagierte zunächst zögerlich, so dass am Abend des 13. März 20.000 Demonstranten im Tiergarten zusammenströmten. Zwei Tage später gab es die ersten Todesopfer, als preußisches Militär eine Menschenansammlung vor dem Schloss auseinandertrieb. Ein erstes Einlenken signalisierte die königliche Verordnung vom 18. März, in der Reformen und die Beratung einer Verfassung angekündigt wurden.

Ereignisse des März 1848 sind bis heute ein liberal-demokratischer Erinnerungsort

Doch diese letzte Maßnahme kam zu spät. Am Nachmittag des 18. März ließ der König den Platz vor dem Schloss von Demonstranten räumen. Schüsse fielen. Überall wurden Barrikaden errichtet. Soldaten marschierten auf. Die Bilanz war erschütternd und erschreckend: 303 tote Demonstranten (darunter auch sieben Frauen und vier Jugendliche) und zwanzig getötete Soldaten. Der König gab eine Proklamation „An meine lieben Berliner“ heraus, in der er nach Abbau der Barrikaden den Abzug des Militärs versprach und um Vergeben und Vergessen bat. Noch am selben Tag wurde ein liberales Märzministerium einberufen, das die Ausarbeitung einer Verfassung in Angriff nahm.

Nach den Berliner Unruhen am 18. und 19. März 1848 begab sich der preußische Staat, erzwungen von einer breiten Protestbewegung, auf einen langen Weg in die Moderne. Zwar sollten viele Maßnahmen der kommenden Wochen und Monate noch gegen Ende desselben Jahres wieder relativiert und zum Teil ganz revidiert werden. Aber selbst als nach der Jahresmitte 1849 viele Reformerfolge der Revolution wieder rückgängig gemacht wurden, kehrte man nicht vollständig zu den Verhältnissen des Vormärz zurück. Was einmal gedacht wurde und geschehen war, konnte nicht ungeschehen gemacht werden. Die dramatischen Ereignisse des März 1848 und ihre weitreichenden Folgen sind bis heute ein liberal-demokratischer Erinnerungsort.