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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Innovation
Der Verbrenner ist das falsche Feindbild

Klimaschützer haben eine Neigung, Ziel und Mittel zu verwechseln. Dadurch zerstören sie Chancen für die Zukunft. Karl Popper wäre entsetzt.
Auspuff
© picture alliance/dpa | Boris Roessler

Es ist doch eigentlich ganz simpel: Das große politische Ziel im Autoverkehr ist die Klimaneutralität, also das Fahren ohne CO2-Emissionen in die Atmosphäre. Mit welchem technischen Mittel dieses Ziel erreicht wird, ist völlig egal. Derzeit stehen sich zwei Alternativen gegenüber: Das Auto mit Elektromotor und das Auto mit E-Fuel-Verbrennungsmotor.

Nach allem, was wir dazu derzeit wissen, spricht vieles dafür, dass 2035, also dem avisierten Zeitpunkt, um bei neu zugelassenen PKW in der EU die Klimaneutralität des Fahrens zu erreichen, der komplette Elektro-Antrieb die Nase vorn haben wird. Der Grund: Die Energiebilanz fällt derzeit beim Elektromotor viel besser aus als bei E-Fuels; und vieles spricht dafür, dass dies auf absehbare Zeit so bleibt.

Soweit so gut. Diese Diagnose, die sich derzeit in den Medien überall wiederfindet, verleitet nun passionierte Klimaschützer dazu, das Verbot des Verbrenners zu fordern, also ganz allein auf den Elektroantrieb zu setzen. Als vernünftiger Mensch fragt man sich allerdings zunehmend verzweifelt: Warum? Selbst wenn es unwahrscheinlich sein mag, dass in wenigen Jahren ein großer Durchbruch bei E-Fuels erzielt wird, der sie von der Energiebilanz her konkurrenzfähig macht, kann man doch getrost jenen Forschern und Unternehmen die Tür zur kommerziell verwertbaren Innovation offenlassen. Warum sollten wir diese Tür durch ein Verbot des Verbrenners zuknallen? „Unwahrscheinlich“ heißt eben nicht „undenkbar“. Und wer auf eigenes Risiko mit Enthusiasmus und Risikokapital eine vermeintlich abwegige Idee verfolgen will, der soll das doch tun. Oft genug erwiesen sich in der Technologie- und Wirtschaftsgeschichte die „Spinner“ als bessere Prognostiker als die „Spezialisten“; oft genug kam es ganz anders, als das etablierte Establishment mit seiner hochgelobten Kompetenz voraussagte, und zwar gerade weil die hochgeachteten „Peer Groups“ der Wirtschaft und Wissenschaft besonders stark vom vorherrschenden Zeitgeist dominiert werden und sich „Abwege“ außerhalb des Mainstream gar nicht mehr vorstellen können.

Genau da liegt die ungeheure Stärke der Marktwirtschaft. Sie lässt grundsätzlich alle Mittel zum Ziel offen, sie diffamiert den Ausweg des Außenseiters nicht, sie kennt keine Verbote. Hier genau trennen sich die Wege zwischen den leidenschaftlichen Advokaten von Marktwirtschaft versus Dirigismus. Wer für Marktwirtschaft plädiert – ganz im Sinne des Kritischen Rationalismus von Karl Popper – der weiß, dass wir wenig wissen, jedenfalls im Vergleich zum Universum des Entdeckbaren. Der Marktwirtschaftler steht deshalb im Zweifel auf der Seite des Spinners und lässt ihn machen, natürlich auf eigene Kosten. Ganz anders der Advokat des Dirigismus. Er untersagt das Experiment, weil es unnütz ist und in seinen Augen nur Ressourcen verschwendet. Also: Die Erforscher der E-Fuel-Verbrennung sollten schleunigst abgezogen werden. Man weiß doch sicher, dass ihre Forschung nichts bringt. Sie könnten ja helfen, die Entwicklung von Elektromotoren (oder anderes) voranzubringen.

Eine merkwürdig anmaßende Position. Sie ist schon philosophisch inakzeptabel – jedenfalls dann, wenn man Karl Poppers Idee der Offenen Gesellschaft ernst nimmt. Sie widerspricht obendrein dem gesunden Menschenverstand: Wer würde eigentlich im persönlichen Bereich bei einer so wichtigen Entscheidung jede Alternative ausschließen wollen?

Tatsächlich hat man längst den Eindruck, dass Klimaschützer und Medien, die sie unterstützen, im Verbrenner eine Art willkommenes Feindbild kultivieren. Für die plastische Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit ist dies überaus nützlich. Denn der politische Kampf dreht sich dann um konkret Fassbares: Elektromotor vs. Verbrenner. Wer gewinnt, wer verliert? Dadurch sinkt allerdings das Niveau der Debatte, und zwar massiv. Denn es geht eben nicht wie beim Fußball um Sieg oder Niederlage eines Teams, sondern um das gemeinsame Erreichen eines großen gesellschaftlichen Ziels: der Klimaneutralität.