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Wirtschaft und Krise
Droht der Ukraine ein Blackout?

Kiew

Dichter Rauch auf der Straße in der Nähe des Ortes des Beschusses in der Innenstadt von Kiew, Ukraine

© picture alliance / NurPhoto | Maxym Marusenko

"Fragen Sie sich, was Sie abschalten können, um uns an der Energiefront zu helfen". So lautete der Appell des ukrainischen Übertragungsnetzbetreibers (TNO) Ukrenergo nach einer neuen Welle gezielter russischer Angriffe auf die zivile Energieinfrastruktur am 31. Oktober.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gehören die Abschneidung und Zerstörung der Gas- und Stromversorgung zu den systematischen Methoden, mit denen Russland die Zivilbevölkerung der Ukraine terrorisiert.

Während sich im übrigen Europa die Energiekrise durch explodierende Preise und Gasvorräte bemerkbar macht, fällt in der Ukraine fast die Hälfte der Energieerzeugung aus, und zwar nicht wegen der Preise oder des Brennstoffmangels, sondern wegen russischer Raketenangriffe, die zu einer humanitären Katastrophe führen.

Nach acht Monaten ständigen Kämpfens um die Lichtversorgung aufrecht zu erhalten, sind mittlerweile die Stabilisierung des Stromnetzes und das Überstehen der Heizperiode zu den beiden wichtigsten Prioritäten für die Energieversorgung geworden. Während einige Lösungen bereits in den ersten Monaten der Invasion eingeführt wurden, sind weitere Mechanismen zur Bewältigung der Energiekrise erst kürzlich eingeführt worden.

Bereits im März 2022 wurde das ukrainische Stromnetz mit dem kontinentaleuropäischen synchronisiert, wodurch die Abhängigkeit vom bisher mit dem Großteil der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) synchronisierten Netz mit Russland als Frequenzregler beendet wurde. Jetzt sorgt das kontinentaleuropäische Stromnetz für die Stabilität des ukrainischen Netzes.

Seit dem 30. Juni exportiert die Ukraine aufgrund eines Überangebots und eines Nachfragerückgangs Strom in die europäischen Nachbarländer: Russlands Zerstörungskrieg hat viele Fabriken in der Ukraine zum Stillstand gebracht und durch seine Bombardierungen ganze Städte leer gefegt, sodass die Stromnachfrage seit Kriegsbeginn stark zurückgegangen ist. Diese Exporte wurden für die Ukraine zu einer nützlichen Einnahmequelle.

Seit dem 10. Oktober 2022 haben die gezielten russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur erheblich zugenommen und sind zu einem alltäglichen Phänomen geworden. Die privaten Verbraucher planen ihre Arbeit und ihr Leben um die geplanten Stromunterbrechungen herum. Diese sind unabdingbar, damit die ukrainischen Elektroingenieure beschädigte Stromleitungen, Kraftwerke und Umspannwerke reparieren können und damit die Nachfrage angesichts des verringerten Angebots gedrosselt wird. Die ukrainischen Energieversorgungsunternehmen rufen ihre Kunden aktiv dazu auf, ihren Energieverbrauch zu senken. Der späte Beginn der Heizperiode Mitte Oktober ermöglicht mehr Flexibilität, um das Netz zu entlasten. Die Kommunen und die zentralen Heizungsanbieter raten dabei aber dringend davon ab, elektrische Heizgeräte und Klimaanlagen zu verwenden, um eine Überlastung des Stromnetzes zu vermeiden.

Was die finanzielle Seite angeht, so hat die Regierung beschlossen, die Strompreise bis Ende März 2023 festzusetzen. Mit dieser Maßnahme soll den Menschen geholfen und die Belastung durch die Lebenshaltungskosten während der Dauer des Kriegsrechts gemildert werden. Darüber hinaus werden Stromverbraucher, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können, nicht von der Stromzufuhr abgeschnitten.

Trotz der bereits ergriffenen Maßnahmen werden stetig Ersatzteile wie Rohre, Ventile, Kabel oder Isolatoren benötigt, um das Stromnetz nach den russischen Raketen- und Drohnenangriffen möglichst schnell am Laufen zu halten. Die spezielle Ukraine Task Force der Energy Community koordiniert die Lieferungen wichtiger Ersatzteile an die Ukraine. Diese Leistungen erfolgen dank der Kostenübernahme durch das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen der Europäischen Kommission kostenlos.

Valeriya Izhyk, Kampagnenleiterin für den Wiederaufbau der Ukraine, Bankwatch.