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Walter-Scheel-Preis 2022
Ukrainische Bildungsaktivistin Halyna Tytysh erhält den Walter-Scheel-Preis 2022

Halyna Tytysh

Halyna Tytysh ist Gründerin der Organisation „Smart Osvita“ und ehemalige Chefredakteurin der Website Ukrainska Pravda.Zhyttia.

Halyna Tytysh erhält für ihr Bildungsengagement im Zeichen des russischen Angriffskrieges den Walter-Scheel-Preis 2022. Mit ihrer Organisation „Smart Osvita“ bietet sie seit Jahren Kurse für Lehrkräfte und Schulleitungen an. Als Russland die Ukraine überfiel, stellte sie auf Online-Kurse für Schülerinnen und Schüler im Alter von 6 bis 15 Jahren um.

Bildung als Licht im Dunkeln

Mit ihrer Organisation ‚Smart Osvita‘ arbeitet Halyna Tytys seit Jahren an einer Bildungsreform in der Ukraine und bildet Lehrer und Schulleiter aus. Als Russland die Ukraine überfiel und hunderttausende Familien mit ihren Kindern die Flucht ergriffen, stellte Tytysch über Nacht ein Online-Angebot her. Es ermöglichte geflohenen, aber auch in den okkupierten Gebieten gebliebenen Kindern und Jugendlichen weitere Unterrichtsmöglichkeiten. 

„Bei der Bildung geht es immer um die Zukunft. Es geht um die Qualität der Generation, die wir heranziehen. Es geht um die Werte, mit denen diese Kinder ins Erwachsenenalter hineinwachsen und mit denen sie den Wiederaufbau der Nation fortsetzen werden“, so Tytysh.

Einer der Gründe für den schnellen Wechsel auf digitalen Unterricht in der Ukraine liegen auf der Hand: Der Bildungsbetrieb in der Ukraine konnte auf eine reiche Erfahrung aus der Corona-Pandemie zurückgreifen. Bereits auf dem Höhepunkt der Pandemie beschloss das ukrainische Bildungsministerium, mindestens 30 Prozent des Unterrichts online stattfinden zu lassen.

Die Art des Unterrichts musste an die harte Realität angepasst werden: Wie geht man mit traumatisierten Kindern um, die Angst haben und Schreckliches miterleben mussten? Wie schafft man es, ein Klassenklima in einem virtuellen Klassenzimmer herzustellen, wo Kindern aus sicheren und Kinder aus beschossenen Gebieten zugeschaltet sind? Wie geht man mit dem Versuch Russlands um, die ukrainische Kultur zu vernichten, die ja bekanntlich mit der Bildung steht und fällt?

"Die Russen versuchen, uns unser Gedächtnis und unsere Zukunft zu rauben. Sie drohen damit, ukrainische Lehrer hinzurichten, wenn diese sich weigern, in russisch besetzten Schulen zu unterrichten, und holen als Ersatz Lehrer aus Russland.", so die Preisträgerin Halyna Tytysh. 

„Kinder sind durch den Krieg besonders gestresst und ihr Bildungsprozess wird gestört“, so Tytysh. „Wir beschlossen, diese Online-Treffen und Online-Unterrichtsstunden für Kinder anzubieten, um sie von der Realität abzulenken und ihnen die Möglichkeit zu geben, etwas Neues zu lernen. Anfangs sind freiwillige Lehrer aus der Ukraine gekommen, aber die Initiative hat sich herumgesprochen, und schon bald meldeten sich Lehrer aus Kanada, den USA, Japan, Spanien und Großbritannien, um zu helfen,“ berichtete Tytysh.

Das Engagement ist beeindruckend. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonte in ihrer Laudatio den Stellenwert, den dieses Bildungsangebot für jedes einzelne Kind und Jugendlichen in der Ukraine besitzt.

Das Fazit der Preisträgerin berührte das Publikum: "Wir können uns ein Leben ohne Wahlfreiheit, faire und transparente Wahlen, bürgerschaftliches Engagement bei Reformen und Regierungsführung sowie die Achtung von Würde und Integrität gar nicht vorstellen. Diese Dinge sind es, die die unabhängige Ukraine zu dem machen, was sie ist. Diese Dinge sind im modernen Russland absolut unmöglich". 

Über den Walter-Scheel-Preis

Am 29. Oktober 2022 wurde der Walter-Scheel Preis an die ukrainische Bildungsaktivisten Halina Tytysch verliehen. In der Laudatio betonte Bundesbildungsministerin Bettina Stark Watzinger, wie wichtig gerade Bildung als Schlüssel für das ganze Leben sei, besonders unter den unmenschlichen Bedingungen eines russischen Angriffskrieges. Erstmals wurde der Walter-Scheel-Preis anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Jahr 2011 verliehen. Seit 2015 sind die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die Walter-Scheel-Stiftung und der Freundeskreis Walter Scheel e.V. die offiziellen Verleiher. Ausgezeichnet werden Personen, die sich mit ihrem Engagement oder ihrer Arbeit im besonderen Maße um die gesellschaftliche Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit verdient gemacht haben. Zugleich erinnert der Preis an das politische Schaffen Walter Scheels, der als erster Minister das 1961 gegründete Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung leitete.