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Human Rights
„Wir können und müssen gegenseitig voneinander lernen.“

Die Lage von LSBTIQ* in Südasien und Europa
Panel Discussion on Being Queer and LGBTQIA+ in South Asia and Europe

Panel Discussion on Being Queer and LGBTQIA+ in South Asia and Europe

© FNF Europe

Die Situation von LSBTIQ* in Südasien und Europa unterscheidet sich stark – und doch gleichen sich manche Entwicklungen in diesen beiden Weltregionen. In Brüssel wurden zwei Studien im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit vorgestellt, die die Situation genauer beleuchtet und darstellt. Begleitet wurde die Vorstellung von einer Podiumsdiskussion und verschiedenen Gesprächen in der Hauptstadt Europas.

In vielen Weltregionen gilt Europa nach wie vor als der überragende Stern für sexuelle Selbstbestimmung. Milosz Hodun schreibt in seiner Studie zur Lage von LSBTIQ*, Europa sei für viele aus der Ferne betrachtet das „Regenbogenparadies“. Dass Europa immer noch dieses Image genießt, hat auch die Diskussion bei der Vorstellung beider Studien gezeigt. Weltweit schaut die Community nach Europa. Das ist selbstverständlich; sind hier doch viele Rechte erreicht worden, auf die Schwule, Lesben, Bisexuelle und Trans- oder Intergeschlechtliche an anderen Orten der Welt immer noch warten. Dabei hat dieses Bild längst Risse bekommen. Die Zahlen zeigen: In ganz Europa steigen Fälle LSBTIQ*-feindlicher Hassgewalt explosionsartig. Gleichzeitig haben Regierungen wie von Polen (bis zu ihrer Abwahl), Ungarn und seit kurzem der Slowakei eindrücklich gezeigt, wie fragil die Freiheit für LSBTIQ* sein kann. Europa gibt derzeit ein mahnendes Beispiel: Erreichte Freiheiten immer müssen verteidigt werden, damit sie nicht wieder verloren gehen. Auch das zeigt die Studie von Hodun.

In Südasien weicht die Situation für LSBTIQ* von Land zu Land viel stärker voneinander ab, als das in Europa der Fall ist. Das ist insofern logisch, da auch er kulturelle, historische und religiöse Hintergrund sehr unterschiedlich ist. Auch die gesellschaftliche Diskussion um queere Rechte ist anders gelagert als in Europa. Während derzeit in Europa aufgeheizte Debatten über Transrechte geführt werden, blicken weite Teile Südasiens auf eine Periode der gesellschaftlichen Anerkennung von trans Personen zurück. Erst in jüngerer Zeit zeichnen sich dort wieder traurige gesellschaftliche Rückschritte wie in Pakistan ab. Homosexualität genießt in weiten Teilen Südasiens nur wenig gesellschaftliche oder rechtliche Anerkennung. In Afghanistan leben queere Menschen generell in Gefahr. Dagegen kennt Nepal die gleichgeschlechtliche Ehe – als einziges Land der Region. Deren Einführung war jedoch keine politische Initiative, sondern eine richterliche Entscheidung. In weiten Teilen Südasiens wird Queerness – wie auch in anderen Regionen der Welt – als ein „westliches Konzept urbaner Eliten“ bezeichnet. Das erwähnt auch der Autor der Studie zu LSBTIQ* in Südasien, Ruhaan Joshi. Dieses Argument ist nicht neu. Dennoch wirkt es seltsam, wenn man bedenkt, dass die allermeisten Gesetze gegen Homosexualität dem Kolonialismus entsprungen sind, wenn sie denn nicht religiös begründet werden. Es ähnelt einem Argument, dass in Polen, Ungarn und der Slowakei häufig herangezogen wurde und wird: Die Rechte von LSBTIQ* seien im Interesse der Brüsseler Bürokraten und stünden den jeweiligen nationalen Identitäten entgegen. Es zeigt sich: Queere Menschen werden an vielen Orten als Spielball genutzt, um gegen eine vermeintlich fremde Elite zu kämpfen.

Die verschiedenen kulturellen Hintergründe in Südasien machen einen einheitlichen Ansatz schwierig. Die regionale Zusammenarbeit in der Region in Politik und Gesellschaft ist sehr locker. Anders als in Europa, wo sich Bürgerrechtsbewegungen schneller verbreiten können. Aus diesem Grund plädiert Joshi für länder- und gruppenspezifische Ansätze. Das kulturelle Erbe, das in manchen Teilen der Region über Transgeschlechtlichkeit existiert, müsse losgelöst werden von dem, was im Westen darunter verstanden wird. Es brauche eigene Begrifflichkeiten für Transgeschlechtlichkeit und Homosexualität, sagt er.

Auf dem Podium bei der Vorstellung der Studien saßen auch zwei Parlamentarier: Hon. Premnath Dolawatte aus Sri Lanka und Michael Kauch, deutsches Mitglied im Europäischen Parlament und Sprecher für LSBTIQ* der FDP-Delegation. Dolawatte hatte eine Resolution ins Parlament von Sri Lanka eingebracht, um die Kriminalisierung von Homosexueller Handlungen zu beenden. Das war als einzelner Abgeordneter ein mutiger Schritt. Kauch beschäftigt sich mit den Rechten von LSBTIQ* weltweit. Er betonte, dass die Bedrohung für LSBTIQ* in Europa inzwischen von allen Seiten komme. Sich auf dem Selbstbild des alles überstrahlenden Leuchtturms der Selbstbestimmung auszuruhen, sei ein Fehler Europas gewesen, sagt er. Er und Dolawatte waren sich einig darin: „Wir können und müssen gegenseitig voneinander lernen.“ Wenn Europa LSBTIQ*-Rechte weltweit stärken will, muss es verstehen, welche kulturellen Hintergründe vorherrschen, und passende, aber eben auch konsequente Ansätze wählen. Südasien kann von Europa lernen, wie eine bessere Vernetzung in der Region auch die Zivilgesellschaft und damit Freiheiten wie für LSBTIQ* stärkt.