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Wirtschaft
Sri Lanka: Hoffnungsträger Tourismus und Reformen

Colombo, Sri Lanka

Colombo, Sri Lanka

© Media Production from Getty Images via Canva pro

Nach der schwersten Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948 blickt Sri Lanka wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr „nur“ noch um 3,0 Prozent schrumpfen wird, nachdem das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 8,7 Prozent eingebrochen war. Zu den großen Hoffnungsträgern zählt der Tourismus, der besonders unter den Folgen der weltweiten Corona-Pandemie gelitten und vor Ausbruch von COVID-19 zu den Wachstumstreibern des Landes mit seinen heute rund 22 Millionen Einwohnern gezählt hatte. Laut World Travel and Tourism Council trug der Tourismus 2019 rund 10,5 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei, im Jahr 2021 stürzte der Anteil auf rund 3,0 Prozent ab.

Um die Ursachen der Wirtschaftskrise verstehen zu können, ist aus Sicht von Dhananath Fernando, CEO des Stiftungspartners Advocata Institute in Sri Lanka, ein Blick in die Geschichte des Landes unerlässlich. Lange Zeit war dessen Wirtschaft abgeschottet, von 1983 bis 2009 schließlich lähmte ein Bürgerkrieg die Nation. Fast 30 Jahre kämpften tamilische Separatisten für die Unabhängigkeit von Sri Lanka. 2004 zerstörte darüber hinaus ein Tsunami große Teile der Küsten im Osten und Süden, 2015 folgten ein großer Finanzbetrug und später eine Dürre. „Für eine kleine Wirtschaft, ist das schwierig, zu absorbieren“, urteilt Fernando. Die Regierung habe dann zu viele Kredite mit kurzen Laufzeiten aufgenommen, lebte über ihre Verhältnisse und büßte immer mehr an Kreditwürdigkeit ein. In der Folge verlor Sri Lanka den Zugang zu den internationalen Finanzmärkten. Der Staat versuchte mit Importverboten gegenzusteuern, die die Währung stärken sollten. Gleichzeitig führte die vorübergehende Umstellung auf biologische Landwirtschaft mit dem abrupten Verbot chemischer Düngemittel zu geringeren Ernten, weshalb Lebensmittel im Ausland eingekauft werden mussten. Es kam zu Engpässen bei Nahrungsmitteln, aber auch bei Treibstoff und Medikamenten. In der Folge schossen die Lebensmittelpreise mit hohen zweistelligen Raten nach oben. Immer mehr Menschen haben laut internationalen Hilfsorganisationen nicht genug zu essen, worunter vor allem Kinder und schwangere Frauen leiden. Laut Germany Trade and Invest sank das BIP pro Kopf im vergangenen Jahr auf geschätzt 3.293 US-Dollar. Im Jahr 2021 hatte es noch gut 4.000 US-Dollar betragen.

Im April 2022 spitzten sich die Ereignisse zu: Erstmals kündigte Sri Lankas Regierung an, seine Kredite nicht mehr zurückzahlen zu können. Der Inselstaat hatte Auslandsschulden von 51 Milliarden US-Dollar angehäuft und verfügte über keine nennenswerten Devisenreserven mehr. Nach gewaltsamen Massenprotesten wegen des Vorwurfs der Misswirtschaft trat Präsident Gotabaya Rajapaksa zurück. Im Herbst 2022 einigte sich Sri Lanka mit dem IWF auf ein vierjähriges Rettungspaket im Volumen von 2,9 Milliarden US-Dollar, das den Devisenmangel lindert. Daran sind jedoch auch Haushaltsauflagen und Reformmaßnahmen geknüpft. Der von der Heritage Foundation und dem Wall Street Journal berechnete Index of Economic Freedom, der die wirtschaftliche Freiheit misst, platzierte das südasiatische Land zuletzt gerade mal auf dem 136. Rang unter 176 Staaten. Vom Erfolg der Reformen dürfte auch die politische Zukunft des neuen Präsidenten Ranil Wickremesinghe abhängen, der seit Juli 2022 interimistisch amtiert und als umstritten gilt, unter anderem, weil er hart gegen die Demonstranten vorgegangen war.

Es werde dauern, bis sich Sri Lanka von den vielen Schocks erholt habe, ist Fernando überzeugt. Tempo machen könne sein Land, wenn notwendige Reformen konsequent vorangetrieben würden. Dazu zählt der Experte auch Lockerungen in dem für seine Heimat so wichtigen Tourismussektor. „Die Visavergabe sollte vereinfacht werfen“, nennt er als ein Beispiel. Auch andere Wirtschaftsbereiche ebenso wie Exporte, Importe oder das Arbeitsrecht seien zu stark reguliert. Das Rechtssystem sei zudem ineffizient, es dauere viel zu lange, bis Rechtsfälle beendet seien. Mit Blick auf die asiatischen Nachbarn könne man beobachten, dass vor allem die Staaten erfolgreich seien, die über ein stabiles Finanzsystem verfügten und sich als Handels-Drehscheibe etabliert hätten. Wie in vielen südasiatischen Ländern sind Sri Lankas Exporte aber immer noch wenig diversifiziert, was diese sehr krisenanfällig macht. Knapp 50 Prozent der Ausfuhren entfallen auf Textilien und Bekleidung, ein Bereich, der gerade während der Pandemie deutlich weniger gefragt war. „Wenn die Märkte funktionieren, können wir die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern.“ Zu Sri Lankas Chancen zählt Fernando auch das starke Wachstum in Indien sowie die strategisch günstige Lage an der Ost-West-Route.

Ein Fortschritt mit Blick auf demokratische Grundrechte: Während etwa Indien in der von Reporter ohne Grenzen jährlich erhobenen Rangliste der Pressefreiheit 2023 gegenüber 2022 um elf Plätze auf Rang 161 unter 180 Staaten abrutschte, verbesserte sich der Inselstaat um elf Plätze auf Position 135.