EN

EU-CELAC-Gipfel
Wässrige Abschlusserklärung und verpasste Chance bei MERCOSUR

Der argentinische Präsident Alberto Fernandez, der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, nach einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Abschluss des dritten EU-CELAC-Gipfels in Brüssel, an dem die Staats- und Regierungschefs der EU und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten teilnehmen.

Der argentinische Präsident Alberto Fernandez, der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, nach einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Abschluss des dritten EU-CELAC-Gipfels in Brüssel, an dem die Staats- und Regierungschefs der EU und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten teilnehmen.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Francois Walschaerts

Letzten Endes gab es dann doch ein gemeinsames Abschlussdokument zwischen der EU und der CELAC, der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten, zu Beginn dieser Woche in Brüssel. Bei dem ersten Zusammenkommen nach acht langen Jahren, wurde stundenlang verhandelt – über eine gemeinsame Erklärung zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, intensivierte Zusammenarbeit auf Augenhöhe und Freihandelszonen. Klare Aussagen und Aussichten gibt es wenige – bis auf die Absicht, sich ab nun alle zwei Jahre zu treffen.

Der Einfluss autokratischer Regime in Lateinamerika ist groß

Dies lag vor allem an Venezuela, Kuba und Nicaragua, die nach wie vor enge Verbindungen nach Moskau pflegen und sich einer expliziten Benennung von Russland als Aggressor in einer gemeinsamen Erklärung verweigerten. Letzten Endes unterzeichneten alle teilnehmenden Staaten mit Ausnahme von Nicaragua die „tiefe Besorgnis über den anhaltenden Krieg gegen die Ukraine, der nach wie vor unermessliches menschliches Leid verursacht und die bestehenden Schwachstellen in der Weltwirtschaft verschärft“. Russland wird mit keinem Wort erwähnt.

Das Feilschen um diese Formulierung zeigt deutlich, was wir schon seit längerem wissen sollten: Der Einfluss Europas in Lateinamerika und der Karibik ist gering. Der von China und Russland hingegen wächst und gedeiht prächtig. Durch engen politischen Austausch und direkte finanzielle Investitionen haben sich China und Russland in der Region Einfluss verschafft – während die EU, bestenfalls, geschlafen hat.

Felix Maradiaga, ehemaliger Präsidentschaftskandidat in Nicaragua und langjähriger Partner der FNF, wurde am 9. Februar 2023 nach 611 Tagen illegitimer Haft durch das Ortega-Regime freigelassen, seine Staatsbürgerschaft entzogen und in die USA abgeschoben. Diese Woche war er beim Gipfeltreffen in Brüssel, um die demokratische Zivilgesellschaft Nicaraguas zu vertreten. Er sieht einen Systemwettbewerb zwischen den autokratischen Regimen Russland und China einerseits und der demokratischen Europäischen Union andererseits:

Die Diktaturen in Ländern wie Nicaragua, Venezuela und Kuba sollten nicht als isolierte Probleme betrachtet werden, sondern als Teil eines globalen Problems, das mit dem autokratischen Vormarsch Chinas und Russlands verbunden ist. Die Europäische Union kann nicht tatenlos zusehen.

Felix Maradiaga

Annäherung durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Ein Weg, Zusammenarbeit zu intensivieren, Brücken zu bauen und somit nicht zuletzt demokratische und liberale Werte zu verbreiten, war und ist wirtschaftliche Kooperation. Zwar konnten zu Beginn der Woche in Brüssel Absichtserklärungen für bilaterale Vereinbarungen getroffen werden – beispielsweise mit Chile zu Lithium und grünem Wasserstoff, was ein wichtiger Schritt für künftige Innovationen in Technologie und grünem Wandel darstellt – ob und wann mit MERCOSUR die größte Freihandelszone der Welt geschaffen wird, ist aber nach wie vor unklar. Der erhoffte Durchbruch blieb aus. Stattdessen wird nun auf einen Abschluss bis Ende des Jahres gehofft.

Einer der Knackpunkte: Einige europäische Länder, allen voran Frankreich und Österreich, fordern striktere Umweltauflagen. Ob tatsächlich Klimaschutz oder doch eher Protektionismus gegenüber den inländischen Bauern der Grund für diese vergleichsweise neuen Forderungen ist, sei dahingestellt. Die MERCOSUR-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay wollen diese europäische Pille allerdings nicht so einfach schlucken.

Und hier zeigt sich genau das Problem in den Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika: Anstatt das seit vielen Jahren diskutierte MERCOSUR-Abkommen zu einem positiven Abschluss zu bringen, wollen einige EU-Staaten es nicht unversucht lassen, den vermeintlichen Entwicklungsländern in Südamerika die europäischen Standards und Sichtweisen unterzujubeln. Dass Brasilien bei einer Weltwirtschaftsleistung von 2 Prozent erneuerbare Energien in einem Umfang von 7 Prozent produziert und im eigenen Land einen Energiemix mit einem erneuerbaren Anteil von 85 Prozent vorweisen kann, wird dabei oft vergessen.[1] Natürlich ist es unerlässlich, Umwelt- und Menschenrechtsstandards zu fokussieren und auf der ganzen Welt auf die Verbesserung dieser Standards hinzuwirken. Dazu haben wir als Europäische Union vielleicht sogar eine Verpflichtung. Dies geschieht aber am besten durch Zusammenarbeit auf Augenhöhe und wirtschaftliche Entwicklung durch einen freien Markt. Ohne ein Abkommen ist nichts gewonnen. Weder Umweltstandards noch Menschenrechte werden sich dadurch verbessern. Im Gegenteil. Denn gerade in den gemeinsamen Regelwerken und Institutionen internationaler Abkommen kann die Verbesserung von Standards international forciert werden. Eine Chance dafür hat die EU gerade wieder verpasst.

Katharina Krakow ist Projektassistentin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Lateinamerika.

[1] https://www.nzz.ch/meinung/mercosur-abkommen-wann-wenn-nicht-jetzt-ld.1…