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Venezuela
Verschärfte Repression: Maduro intensiviert Angriffe gegen die Opposition

Die Oppositionsaktivistin Maria Corina Machado spricht während einer Pressekonferenz in Caracas, Venezuela

Die Oppositionsaktivistin Maria Corina Machado spricht während einer Pressekonferenz in Caracas, Venezuela.

© picture alliance / EPA | Ryaner Pena R.

In Venezuela intensiviert das Regime unter Nicolás Maduro im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024 seine Einschüchterungsversuche gegenüber der Opposition. Anfang Dezember hat das Regime Haftbefehle gegen Mitglieder der Opposition erlassen – darunter engste Vertraute der Oppositionsführerin Maria Corina Machado. EU-Abgeordnete verurteilen entschieden das jüngste Vorgehen des Regimes.

Die sozialistische Diktatur von Maduro in Venezuela steht politisch unter Druck: Im Oktober 2023 gewann die liberale Politikerin Maria Corina Machado mit überwältigenden 92% die Oppositionsvorwahlen. Maduro hatte im Rahmen des Barbados Abkommens freien und fairen Präsidentschaftswahlen im zweiten Semester 2024 zugestimmt – und dafür von den USA teilweise Erleichterungen bei den Erdölsanktionen gegen sein Regime erhalten.[1]

Das Regime setzt innen- und außenpolitisch auf Konfrontation

Am 6. Dezember erließ die venezolanische Generalstaatsanwaltschaft Haftbefehle gegen 14 Oppositionelle. Das ist eine deutliche Verschärfung des Vorgehens der Regierung gegen Dissidenten. Vier Oppositionelle stehen besonders im Fokus beim Versuch des Regimes, das Team der engsten Vertrauten der Oppositionsführerin von Maria Corina Machado von der Partei Vente Venezuela (VV) zu zerschlagen: Pedro Alejandro Urruchurtu Noselli (Koordinator für internationale Beziehungen von VV), Henry Alviarez Alviarez (nationaler Koordinator von VV) sowie die nationale Kommunikationskoordinatorin der liberalen Partei und Journalistin Claudia Nebraska Macero González sollen festgenommen werden.

Ferner, befindet sich Roberto Abdul – Präsident der NGO Súmate, der Organisation, in der Maria Corina Machado ihre ersten Schritte als Aktivistin für die bürgerlichen Rechte der Venezolaner unternahm, seit dem 6. Dezember in den Händen des venezolanischen Geheimdienstes.[2] Maria Eugenia Abad, die Ehefrau des Aktivisten, berichtete über sein "gewaltsames Verschwinden" und Menschenrechtsverletzungen nach seiner Verhaftung. Die NGO Súmate reichte in Zusammenarbeit mit Anwälten der NGO Forum Penal eine Beschwerde ein, in der diese Verstöße beanstandet werden, zu denen insbesondere das Recht auf Verteidigung gehört. Die Verhaftung von Abdul – der auch Mitglied des Nationalen Komitees der Oppositionsvorwahlen ist – wurde von der NGO als willkürlich bezeichnet. In einem von den Organisationen veröffentlichten Video wird Abduls "erzwungenes Verschwinden" unterstrichen und betont, dass ihm der Kontakt zu seiner Familie und seinen Vertrauensanwälten verwehrt wird.[3]

Die Anklagen gegen die Oppositionsmitglieder lauten auf Hochverrat, Verschwörung, Geldwäsche und kriminelle Vereinigung. Das Regime wirft Teilen der Opposition vor, in eine Verschwörung mit der Ölgesellschaft Exxon Mobil verwickelt zu sein, um einen Boykott des am 3. Dezember in Venezuela durchgeführten Referendums über die Zukunft der Region Esequibo in Guyana zu unterstützen.

Weitere Haftbefehle richten sich gegen Personen, die zu den ständigen Zielen des Chavismus geworden sind – u.a. gegen eine Gruppe im Exil führender Persönlichkeiten der Partei Voluntad Popular wie Leopoldo López und Juan Guaidó sowie der Partei Primero Justicia wie Julio Borges. Mitglieder dieser Parteien wurden in der Vergangenheit ebenfalls in die Enge getrieben durch Verfolgung sowie Inhaftierungen und mussten schließlich ins Exil flüchten.[4] Mit den Haftbefehlen verhindert das Maduro-Regime, dass die angeklagten Oppositionellen zum Präsidentschaftswahlkampf nach Venezuela zurückkehren. Insgesamt stellen die besorgniserregenden Entwicklungen eine weitere Aushöhlung der politischen Freiheiten und eine verstärkte Unterdrückung abweichender Meinungen durch das Regime in Venezuela dar.

Verurteilungen des jüngsten Vorgehens des Maduro-Regimes gegen die Opposition

Die Renew Europe Group im Europäischen Parlament verurteilt nachdrücklich das jüngste Vorgehen des Maduro-Regimes gegen die Opposition. Dita Charanzová (ANO, Tschechische Republik), Abgeordnete der Renew Europe Fraktion und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments für Beziehungen zu Lateinamerika, mahnt an:

"Das Maduro-Regime verletzt weiterhin die Menschenrechte und Freiheiten des venezolanischen Volkes, indem es politische Führer und NGOs verfolgt. Die EU muss fest an der Seite der venezolanischen Opposition stehen und sie in ihrem Kampf für eine bessere und demokratische Zukunft unterstützen. Dies kann nur durch freie und faire Wahlen erreicht werden."

Jordi Cañas (Ciudadanos, Spanien), EU-Abgeordneter und Erster Vizepräsident der EUROLAT-Parlamentarischen Versammlung sowie Koordinator der Renew Europe Group bei EUROLAT, versichert:

"María Corina Machado und ihre Mitstreiter können auf die bedingungslose Unterstützung des Europäischen Parlaments zählen, um sicherzustellen, dass die Demokratie 2024 nach Venezuela zurückkehrt." [5]

Der Konflikt in der Esequibo-Region

Die Region, die Venezuela zunächst nur am Rande interessierte, gewann mit der Entdeckung beträchtlicher Ölreserven vor der Küste Guyanas im Jahr 2015 an Bedeutung.

Die derzeitigen Grenzen von Guyana wurden 1899 durch einen Schiedsspruch eines Pariser Tribunals festgelegt, das auf Veranlassung der USA und Großbritanniens tätig wurde. Venezuela hingegen stützt sich auf ein Abkommen von 1966 mit Großbritannien, das kurz vor der Unabhängigkeit der damaligen Kolonie Britisch-Guayana geschlossen wurde. Dieses Abkommen sah eine Verhandlungslösung vor. Die UN versuchten vor Guyanas Unabhängigkeit im Jahr 1966 eine Einigung zu erzielen, scheiterten jedoch.[6]

Die jüngste Militarisierung, die durch Präsident Maduro erteilten Zusagen für Betriebslizenzen für Öl-, Gas und Bergbaubetriebe und seine Forderung, Guyanas Öllizenzen (u.a. an ExxonMobil) auszusetzen, haben den Streit verschärft.
 

Internationale Reaktionen

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verurteilte Maduros Regime für seine "illegalen und illegitimen" Aktionen, einschließlich des umstrittenen Referendums vom 3. Dezember, mit dem die Esequibo-Region annektiert werden soll.[7] Darüber hinaus betonte der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, die Gefahr einer Destabilisierung der Region und forderte eine friedliche, diplomatische Lösung im Einklang mit dem Völkerrecht.[8]

Am 14. Dezember fand ein Treffen zwischen dem venezolanischen und dem guyanischen Präsidenten statt, um die Spannungen zu entschärfen, doch eine substanzielle Lösung konnte nicht erzielt werden. An dem Treffen waren regionale Gremien und Brasilien beteiligt, wobei Guyana dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen sein Vertrauen aussprach, während Venezuela dessen Zuständigkeit ablehnte. Beide Länder verpflichteten sich, eine weitere Eskalation zu vermeiden und setzten eine gemeinsame Kommission für mögliche Lösungen ein. Guyanas Präsident Ali betonte die Verteidigung der nationalen Rechte und forderte Venezuela zur Deeskalation auf.[9]

Die Wahlen stehen auf dem Spiel

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen nimmt der Esequibo-Konflikt eine bedeutende Rolle bei der Gestaltung des politischen Umfelds Venezuelas ein. Machado sprach bei einer Anhörung des Unterausschusses des Europäischen Parlaments, der für die Beziehungen zu den Mercosur-Ländern zuständig ist, und warnte davor, dass der Chavismus versucht, weiter vom demokratischen Weg abzuweichen.[10] Sie betonte, dass das Regime gezielt von seinen inneren Herausforderungen ablenken wolle und dies durch die gefährliche Eskalation eines territorialen Konflikts zu erreichen versuche. Falls der Konflikt weiter eskaliert, besteht zudem die Gefahr, dass das Regime einen „Ausnahmezustand“ vor den Präsidentschaftswahlen 2024 im Land zu rechtfertigen versuchen könnte, um die Wahlen mit dieser Begründung zu suspendieren.

Ein kritischer Punkt betrifft den Prozess zur Ermöglichung der Teilnahme von Machado. Im Einklang mit dem Abkommen von Barbados hat Maduro‘s Regime ein Verfahren skizziert, um das bestehende Kandidatenverbot der Teilnahme von Maria Corina Machado und anderen Oppositionsmitgliedern an den bevorstehenden Wahlen „zu überprüfen“. Dieser Weg erforderte jedoch eine Berufung vor dem Obersten Gerichtshof, die bis Freitag, den 15. Dezember, eingereicht werden sollte.

Einige Analysten interpretierten das Verfahren als "vergifteten Kelch", da die Einleitung eines Berufungsverfahrens die Anerkennung der Gültigkeit der zugrundeliegenden Disqualifizierung voraussetzt. Machado erschien unerwartet am Stichtag vor dem Obersten Gerichtshof, um einerseits eine Reklamation einzureichen, um das Nichtbestehen ihrer Disqualifikation zu bestätigen und um andererseits ein Amparo zum Schutz ihrer politischen Rechte zu beantragen. Dabei handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, der in den lateinamerikanischen Staaten traditionell gegen Grundrechtsverletzungen durch Beamte und Behörden zur Verfügung steht und einer einstweiligen Verfügung vergleichbar ist. Obwohl sie also keine Berufung eingelegt hat, ist sie zuversichtlich, dass die eingeleiteten rechtlichen Schritte den Weg für ihre Teilnahme an den kommenden Wahlen ebnen werden.

Die Internationale Gemeinschaft spielt eine Schlüsselrolle

Das Regime von Maduro verschärft seine Einschüchterungstaktiken. Machado sieht sich nicht nur mit direkten Schikanen des Maduro-Regimes konfrontiert, sondern auch mit Haftbefehlen gegen enge Verbündete. Die Oppositionsführerin betonte die erhebliche Tragweite der jüngsten Ereignisse und thematisierte explizit die Verhaftung von Abdul sowie gezielte Maßnahmen gegen wichtige Mitglieder ihres Teams. Trotz dieser gewaltigen Herausforderungen bleibt Machados Entschlossenheit jedoch unerschüttert:

"Die Angriffe des Regimes stärken nur unseren Entschluss, dem Regime entgegenzutreten und es an der Wahlurne zu besiegen."[11]

Angesichts der entscheidenden Weichenstellung, vor der Venezuela derzeit steht, ist es für die globale Gemeinschaft unerlässlich, sich in einem konzertierten Bemühen zu vereinen. Die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Venezuela steht auf der Kippe, und der Einsatz ist außergewöhnlich hoch. Die Ernsthaftigkeit der Situation unterstreicht die entscheidende Notwendigkeit kollektiven Handelns und entschlossener Unterstützung seitens der internationalen Gemeinschaft.

Niome Hüneke-Brown ist Projektleiterin des Projektbüros Andenländer der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Lima, Peru.

[1] https://www.freiheit.org/latin-america/defining-moment-european-parliament-stands-firm-free-and-fair-elections-venezuela
[2] https://www.infobae.com/venezuela/2023/12/07/las-detenciones-ordenadas-por-el-regimen-venezolano-buscan-golpear-al-equipo-de-maria-corina-machado/
[3] https://www.infobae.com/venezuela/2023/12/12/la-esposa-del-activista-detenido-roberto-abdul-presidente-de-la-ong-venezolana-sumate-denuncio-violaciones-a-los-derechos-humanos/
[4] https://elpais.com/america/2023-12-08/la-maniobra-del-chavismo-con-el-esequibo-pone-en-riesgo-los-acuerdos-de-barbados.html
[5] https://www.reneweuropegroup.eu/news/2023-12-08/venezuela-the-eu-must-expand-its-sanctions-against-maduros-regime- Für Venezuela war die Region zunächst nur von untergeordneter Bedeutung, doch mit der Entdeckung umfangreicher Ölvorkommen vor der Küste Guyanas im Jahr 2015 gewann sie an Bedeutung.after-the-jailing-of-new-members-of-the-opposition
[6] https://www.nzz.ch/international/droht-ein-krieg-zwischen-venezuela-und-guyana-ld.1768276 ; https://www.nzz.ch/international/venezuela-mehrheit-stimmt-in-referendum-fuer-teil-annexion-guyanas-ld.1768784
[7] https://www.oas.org/es/centro_noticias/comunicado_prensa.asp?sCodigo=C-082/23
[8] https://runrun.es/noticias/514813/ue-insta-a-evitar-soluciones-unilaterales-en-conflicto-del-esequibo/
[9] https://www.bbc.com/mundo/articles/c51zj4wjer0o.amp
[10] https://elpais.com/america/2023-12-08/la-maniobra-del-chavismo-con-el-e…
[11] https://www.elmundo.es/internacional/2023/12/14/657adbc0e4d4d832768b45b1.html