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Human Rights Defenders
Maria Ressa: "2024 wird sich zeigen, ob die Demokratie überlebt"

Journalists Defending Human Right
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Vor 75 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet, und die UN-Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern und -verteidigerinnen jährt sich zum 25. Mal. Aus diesen beiden Anlässen luden die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) und Reporter ohne Grenzen Deutschland (RSF) am 7. Dezember in Berlin zu einer hochkarätig besetzten Konferenz ein.

Bei der Veranstaltung mit dem Titel „Journalists Defending Human Rights“ berichteten Journalisten und Journalistinnen aus Mexiko, Russland und Afghanistan über ihre Erfahrungen, und die philippinische Journalistin und Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa sprach über Technologie als Gefahr für die Demokratie.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und ehemalige Bundesministerin der Justiz

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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, stellvertretende FNF-Vorstandsvorsitzende und ehemalige Bundesministerin der Justiz, skizzierte in ihrem Grußwort die enormen Herausforderungen, denen Journalisten heutzutage gegenüberstehen, von digitaler Überwachung bis zu virtueller und realer Gewalt. Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, forderte konkrete Maßnahmen, um Journalisten besser zu schützen, etwa ein Exportverbot für Spyware. Mary Lawlor, UN-Sonderberichterstatterin zur Situation von Menschenrechtsverteidiger, ging per Videobotschaft auf den 25. Jahrestag der UN-Erklärung für Menschenrechtsverteidiger ein. Lawlor forderte eine lebendige Zivilgesellschaft für eine freie Presse. Wo Journalisten angegriffen werden, stehen alle Menschenrechte auf dem Spiel.

Wer Verbrechen aufdeckt, wird oft selbst zur Zielscheibe

Wer Verbrechen aufdeckt, der offiziellen Doktrin widerspricht und Ungerechtigkeit anprangert, wird oft selbst zur Zielscheibe. Die Investigativ-Journalistin Sandra Romandía aus Mexiko berichtet über Drogenkartelle, braucht inzwischen aber ständigen Personenschutz. Die afghanische Publizistin und Frauenrechtlerin Wazmah Tokhi und der russische Medien-Manager Ilya Krasilshchik leben in Deutschland im Exil; Tokhi floh 2021 vor den Taliban, Krasilshchik wurde von einem russischen Gericht in absentia zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Neben der Situation für Journalisten in ihren Heimatländern diskutierten die drei Panelisten, wie man in repressiven Systemen und einer Flut von Desinformationen verlässliche Informationen gewinnt, und was bedrohte Journalisten von der internationalen Gemeinschaft brauchen. Ihre Antwort: Solidarität, Anerkennung und Kapazitätsbildung in Ländern, wo es möglich ist, Visa, Rechtssicherheit und finanzielle Unterstützung für jene, die ins Exil gezwungen werden.

Die Installierung von Malware auf Smartphones ist ein beliebtes Mittel zur digitalen Überwachung von Journalisten. Viktor Schlüter, Projektmanager Digital Security Lab bei RFS, erklärte, wie man sie den Mitteln der zivilrechtlichen Forensik erkennt.

Auch Ilze Brands Kehris, Stellvertretende UN-Generalsekretärin für Menschenrechte, brachte ihre Besorgnis über Spyware, Online-Schikane, Straffreiheit und die sich verschlechternde Sicherheitslage für Journalisten weltweit zum Ausdruck, insbesondere in Gebieten mit bewaffneten Konflikten. Sie appellierte daran, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formulierten Ziele dennoch nicht aus den Augen zu verlieren.

Renate Schroeder, Direktorin der European Federation of Journalists, forderte mehr Solidarität mit Journalisten, die den Bürgern eines Staates zu ihrem Recht auf Information verhelfen. Auch im relativ sichereren Europa leiden Journalisten unter dem Mangel an öffentlichem Vertrauen und unsicheren Zukunftsperspektiven. Die Bundestagsabgeordnete Renata Alt, Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, betonte die wichtige Rolle von Journalisten bei der Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen in autokratischen Systemen. Sie erinnerte an die besondere Verantwortung der EU, ihrer Rolle als Menschenrechts-Champion gerecht zu werden.

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Straffreiheit für Täter verschlimmert die Bedrohungslage für Journalisten

Zwei zentrale Aspekte wurden von den Referenten und Referentinnen immer wieder genannt: Erstens, Straffreiheit für Täter verschlimmert die Bedrohungslage für Journalisten und muss auf allen Ebenen bekämpft werden. Zweitens, Journalisten spielen eine unverzichtbare Rolle bei der Aufrechterhaltung von Meinungsfreiheit. Die freie, faktenbasierte Berichterstattung ist ein öffentliches Gut, das gesellschaftliche Wertschätzung verdient.

 

Journalistin Ana P. Santos (links) im Gespräch mit Maria Ressa

Journalistin Ana P. Santos (rechts) im Gespräch mit Maria Ressa

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Den Abschluss und Höhepunkt der Veranstaltung bildete ein Gespräch der freien Journalistin Ana P. Santos mit Maria Ressa, Friedensnobelpreisträgerin und Gründerin und CEO der philippinischen Online-Nachrichtenseite Rappler, einer Partnerorganisation der FNF. Während der sechs Jahre andauernden Duterte-Regierung war Rappler von der Schließung und Ressa von jahrelangen Gefängnisstrafen bedroht; noch immer sind zwei von zehn Verfahren anhängig. Für das Erstarken autokratischer Regime macht Ressa auch das digitale Informations-Ökosystem verantwortlich – in ihren Worten ein „Tech-Enabled Armageddon“.

2024 als Schicksalsjahr für die Demokratie

An der Stelle von Journalisten seien heutzutage Algorithmen und zunehmend auch Künstliche Intelligenz die Gatekeeper, die bestimmen, welche Informationen zum Nutzer gelangen. Statt um Inhalte oder gar ein Wertesystem gehe es im Netz darum, aus geernteten Daten Geld zu machen. Lügen, so Ressa, würden sich mehr lohnen. Sie verbreiteten sich im Netz schneller als Fakten, da sie Angst, Wut und Hass schürten. Während nur Gesetzgeber die Möglichkeit hätten, Big Tech zur Verantwortung zu ziehen, könnten und sollten Gesellschaften inzwischen aber alle Kräfte bündeln um der „Verschmutzung des Informationsflusses“ entgegenzuwirken – etwa durch Faktencheck-Kampagnen, mit Strafanzeigen wegen falscher Behauptungen und verstärkter persönlicher Interaktion außerhalb des digitalen Raums.

2024 Jahr stehen in vielen großen Ländern Wahlen an. Für Maria Ressa geht es um nicht weniger als die Demokratie.

Meike Wöhlert, Human Rights Officer im Human Rights Hub, Genf.

Hier finden Sie unsere Publikation zum Thema Human Rights Defender – Journalistinnen und Journalisten